# taz.de -- Kinofilm „Knight of Cups“: Begehren aus der Leere | |
> Terrence Malicks neuer Film ist die Geschichte eines zerrissenen Helden, | |
> der sich zwischen dem Erfolg und dem Nichts rauschhaft oben hält. | |
Bild: Portman und Bale als Elizabeth und Rick. | |
Man könnte leicht die Geduld verlieren mit diesem Film. „Schon wieder?“, | |
ist die Frage, die sich wohl vor allem denjenigen, die die letzten beiden | |
Terrence-Malick-Filme (“Tree of Life“, „To the Wonder“) gesehen haben, | |
aufdrängt. Und tatsächlich: Schon wieder diese uneingedämmte Flut von | |
Bildern mit all diesen melancholischen Männermienen, die, umgeben von | |
tänzelnden, wunderschönen Frauen, am komfortablen Leben leiden. Dazu die | |
raunenden, bedeutsamen Stimmen aus dem Off und die fragmentarische, | |
assoziative Narration, in der Kindheitserinnerungen, philosophische | |
Beobachtungen und Priesterratschläge sich mixen. | |
„Knight of Cups“ beginnt mit ätherisch-schönen Aufnahmen des Nordlichts a… | |
dem All – drunter macht’s Malick nicht – und schneidet dann zu einem Mann | |
(Christian Bale) in einer steinigen Wüste, dessen sichtbare innere Qual | |
ebenso sichtbar nichts mit der lebensfeindlichen Landschaft um ihn herum zu | |
tun hat. Wieder scheint alles versammelt, was einen Malick-Film ausmacht: | |
der Mann in der Krise und das Universum in all seiner Schönheit. Wie soll | |
man da argumentieren, dass „Knight of Cups“ anders ist? | |
Malick, mittlerweile 71 Jahre alt, ist ein absolutes Unikum in der | |
Filmwelt, ein Regisseur, dessen Filmografie gegen den Strich gekehrt ist. | |
Statt einer produktiven Phase in der Mitte seines Berufslebens nach dem | |
großen Erfolg mit „Days of Heaven“ (1978) steht bei Malick 20 Jahre – | |
nichts. Dann, mit „The Thin Red Line“ (1998), schien er sich mit Mitte 50 | |
neu aufs Filmemachen zu besinnen. Im gemächlichen Produktionstempo | |
entstanden „The New World“ (2005) und „Tree of Life“ (2011). Und seit | |
Malick nun die 70 erreicht hat, hat ihn offenbar eine regelrechte | |
Schaffenswut ergriffen. | |
Auf „To the Wonder“ (2012) folgt jetzt „Knight of Cups“. Das nächste | |
Projekt, noch ohne Titel, aber bereits mit einem Starensemble (u. a. | |
Michael Fassbender, Christian Bale, Ryan Gosling, Holly Hunter) versehen, | |
ist schon für nächstes Jahr angekündigt. Und noch etwas ist anders bei | |
Malick: Statt altersmilde zu werden, scheint er sich stilistisch weiter zu | |
radikalisieren. Ihn als „experimentell“ zu beschreiben, wäre zu viel | |
gesagt, aber wie sein Regiegenerationsgenosse Francis Ford Coppola – auch | |
er von seinen frühen Erfolgen eher kreativ erschlagen als befähigt –, | |
traut der notorisch öffentlichkeitsscheue Malick sich im Alterswerk immer | |
privater zu werden und mehr von sich zu zeigen. | |
Autobiografisches gibt es wohl in allen Malick-Filmen, aber nie war die | |
Hauptfigur so nah wie nun in „Knight of Cups“ an dem angelegt, was Malicks | |
eigene Lebenserfahrung sein dürfte. Christian Bale spielt Rick, einen | |
Drehbuchautor in Los Angeles, der sich in der seltsam leeren Blase der | |
Privilegierten und Schönen bewegt, für die die ganze Stadt ein Symbol ist. | |
Da sind die Partys mit den vielen prominenten Gesichtern, die sich | |
gegenseitig komplimentieren – „Good job!“, „I like your work!“ –, d… | |
die Meetings mit bedenkentragenden „Executives“ und Absprachen, die in der | |
hitzigen Ödnis der bizarren Studio-Lots getroffen werden. Dass Rick im | |
Übrigen als Komödienautor adressiert wird, kommt einem Witz so nahe wie | |
keine andere Stelle je in Malicks notorisch ernstem Filmwerk. | |
In Ricks Familienhintergrund klingt einiges wieder, was man von Malick | |
weiß: ein strenger Vater (Brian Dennehy) tritt auf, der die Erfolge des | |
Sohnes nur widerwillig anerkennt, seine Lebensweise aber verurteilt. Es | |
gibt einen Bruder (Wes Bentley), der sein Leben nicht auf die Reihe bekommt | |
und schwere Konflikte mit dem Vater austrägt. Zwischen ihnen dreien steht | |
das Trauma eines gestorbenen dritten Bruders, der sich vielleicht selbst | |
getötet hat. Während die Männer eine Konstante über den Film hinweg bilden, | |
reiht sich die Chronologie von Ricks Leben im Wechsel der Frauen auf: von | |
Imogen Poots zu Freida Pinto, von Cate Blanchett als Ex bis zu Natalie | |
Portman als mit viel Schmerz endender Affäre. Bei aller machohaften | |
Selbstverliebtheit, die in dieser Alter-ego-Darstellung liegt, gibt es auch | |
eine große Ehrlichkeit: Selten hat ein Mann den Wunsch, von immer der | |
nächsten schönen Frau gerettet und von sich selbst erlöst zu werden, so | |
deutlich auf die Leinwand gebracht. | |
Die größere Ehrlichkeit im Persönlichen aber ist der Schlüssel zu dem, was | |
diesen Film herausragen lässt. Für einmal ist Malick ganz in der urbanen | |
Gegenwart. „Knight of Cups“ ist durch und durch ein Los-Angeles-Film – sa… | |
seiner „Nahausflugsziele“. Von Ricks modisch leerem Santa-Monica-Apartment | |
bis zum Malibu-Strand, von den Paramount-Studios bis zum Sunset Boulevard | |
ist hier alles an realen, wiedererkennbaren Orten gefilmt samt der | |
charakteristischen Stadtgeräusche. Diese Hyperrealität lässt aus der | |
Beschreibung von Wehleidigkeit eine Reflexion über Depression werden. Und | |
davon scheint Malick tatsächlich viel zu verstehen. | |
10 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Barbara Schweizerhof | |
## TAGS | |
Terrence Malick | |
Kino | |
Film | |
Österreich | |
Terrence Malick | |
Cate Blanchett | |
Kino | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Historienfilm über NS-Zeit in Österreich: Das Gewissen regt sich im Dorf | |
Das Biopic „Ein verborgenes Leben“ handelt von Franz Jägerstätter. Der | |
österreichische Kriegsdienstverweigerer wurde von den Nazis ermordet. | |
Terrence Malicks neuer Film: Liebe ist nie ein Luxusproblem | |
Malicks Film „Song to Song“ spielt in Austins Musikszene, statt um Songs | |
geht es aber um Sehnsucht nach authentischer Nähe und Zuneigung. | |
Wettbewerb Berlinale 2015: Burn-out im Sonnenuntergang | |
Terrence Malicks „Knight of Cups“ zeigt die Fragmente einer Lebenskrise und | |
gibt viele Ratschläge, die vom Neuanfangen handeln. | |
Neuer Film von Terrence Malick: Aus dem Nichts, von überall her | |
„To the Wonder“, der neue Spielfilm von Terrence Malick, schwelgt im | |
Mysterium der Liebe. Es entsteht ein Gefühl des Stillstands. | |
Lidokino: Jesus über mir, Jesus unter mir | |
Kino als Religion: Terrence Malicks und Paul Thomas Andersons Beiträge in | |
Venedig thematisieren religiöse Verstrahltheit - mal ignorant, mal kühn. | |
Filmstart "The Tree of Life": Da oben wohnt Gott | |
Es gibt viel zu sehen und zu genießen an Terrence Malicks lang erwartetem | |
Opus "The Tree of Life" – vorausgesetzt, man hält sich die Ohren zu. |