Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Werner-Herzog-Film mit Nicole Kidman: Zärtlichkeiten im Gegenlicht
> Wie ein Kalenderblatt: „Königin der Wüste“ ist dem Leben von Gertrude
> Bell, einer frühen Historikerin des Nahen Ostens, gewidmet.
Bild: Verkörpert den aristokratischen Habitus einer höheren Tochter perfekt: …
[1][“Werner Herzog Inspirationals“] heißt ein lustiges Tumblelog, das
Zitate des besonders in Amerika kultig verehrten Bayern im Design von
Kalendersprüchen aufbereitet. Auf dem romantischen Foto eines sich in einer
Sektflöte spiegelnden Sonnenuntergangs am Meer steht dann etwa dezent: „Die
Zivilisation ist wie eine dünne Eisschicht auf einem tiefen Ozean voller
Chaos und Dunkelheit.“
„Königin der Wüste“ erinnert an so ein Kalenderblatt: Wenn man nicht genau
hinguckt, läuft man – besonders in der ersten Hälfte des Films – Gefahr,
vor lauter Kitsch die typischen Herzog’schen Deftigkeiten zu übersehen. Es
liegt nahe, diesen Befund mit einer Neuerung im Werk des Filmemachers, der
am Samstag seinen 73. Geburtstag feiert, in Verbindung zu bringen: Im
Mittelpunkt seines 18. Spielfilms steht erstmals eine Frau. Deren
Lebensgeschichte scheint allerdings wie für Herzog gemacht.
Die Britin Gertrude Margaret Lowthian Bell wurde 1868 in eine wohlhabende
Familie geboren. Mit knapp zwanzig schloss sie als eine der ersten Frauen
ihr Geschichtsstudium in Oxford mit Auszeichnung ab. 1893 verbachte sie ein
halbes Jahr bei Verwandten in der britischen Botschaft in Teheran.
In der Folge reiste sie immer wieder in langen Expeditionen durch den Nahen
und Mittleren Osten und wurde zu einer auch von den lokalen Stämmen
anerkannten Expertin für das Gebiet. Nach dem Ersten Weltkrieg spielte sie
eine wichtige Rolle bei der Neuordnung der Region durch die Siegermächte.
Nebenher war sie Archäologin, Fotografin, Alpinistin, Reisebuchautorin und
übersetzte Gedichte ihres persischen Lieblingsdichters Hafiz. Verheiratet
war sie nie.
In Herzogs Version ihrer Lebensgeschichte wird ihre unerfüllte Liebe zum
Teheraner Botschaftsmitarbeiter Henry Cadogan zur Triebfeder für ihren
unstillbaren Reisedrang. Als Bells Eltern eine Heirat mit dem verschuldeten
Spieler ablehnen und der kurze Zeit später stirbt, schreibt sie in ihr
Tagebuch: „Mein Herz gehört jetzt niemandem mehr außer der Wüste.“
Bis zu diesem Punkt hat der Kinozuschauer einen recht ermüdenden ersten Akt
von „Königin der Wüste“ hinter sich gebracht, der großes Gefühlskino se…
will, aber immer wieder in Rosamunde-Pilcher-Gebiet abdriftet. Da hilft
auch die Starbesetzung wenig.
## Kidman bleibt distanziert, Franco wirkt überfordert
Nicole Kidman verkörpert den aristokratischen Habitus einer höheren Tochter
perfekt, bleibt aber selbst in den Liebesszenen eher distanziert. James
Franco wirkt mit seinem ewig leicht bekifften Lächeln überfordert mit
dieser Frau. Die Kamera verhält sich seltsam verschämt: Beim ersten Kuss
der beiden fliegt sie weg Richtung Himmel, später werden Zärtlichkeiten nur
im Gegenlicht gezeigt. Die grausam überzuckerte Musik mit arabischen
Ethnoeinsprengseln von Klaus Badelt tut ihr Übriges.
Herzogs Streben nach altmodischer Melodramatik wäre an sich nicht schlimm,
aber es wirkt, als sehne er sich nach den Glanzzeiten Hollywoods zurück,
aber bliebe irgendwo auf der Hälfte, also in den 80er Jahren, stecken.
Passenderweise hat die Branchenzeitschrift Hollywood Reporter
vorgeschlagen, „Königin der Wüste“ in „Jenseits von Arabien“ umzubene…
Herzogs sonst so typische unsentimentale Direktheit kommt nur in wenigen
Szenen durch. Etwa wenn der britische Botschafter im Iran seine weinende
Tochter beim Dinner anfährt: „Das Gute an Tränen ist: Wer viel heult, muss
weniger pissen.“
Mehr in seinem Element ist Herzog, als es Bell nach ihrer gescheiterten
großen Liebe in die Wüste treibt. Doch hier werden ihm durch seine
Hauptdarstellerin Grenzen gesetzt. Der Regisseur ist berühmt für seine
Protagonisten, die es mit der übermächtigen Natur aufnehmen und deren
unbedingter Wille zur Überwindung von Grenzen sie Richtung Wahnsinn treibt.
Doch Kidman bleibt immer ganz Star, ihre Grenzen sind eng gesteckt. Auch
nach Wochen in der Wüste wirken ihr Teint und ihr Benehmen noch makellos.
Leidenschaften werden eher durch die im Off vorgelesenen
Tagebucheintragungen und Liebesbriefe behauptet als wirklich gezeigt.
Am Ende bietet „Königin der Wüste“ für den Herzog-Fan zu viel Herz und
Schmerz und zu wenig Abenteuer und Irrsinn – wer hätte gedacht, dass man
das mal über einen Film von ihm schreiben könnte.
3 Sep 2015
## LINKS
[1] http://herzoginspirationals.tumblr.com/
## AUTOREN
Sven von Reden
## TAGS
Film
Werner Herzog
James Franco
Werner Herzog
Werner Herzog
Werner Herzog
Kino
Dokumentarfilm
## ARTIKEL ZUM THEMA
Werner Herzog im Filmporträt: Träumereien eines Selbstbewussten
Arbeit am Mythos: Thomas von Steinaecker begleitet in seinem Dokumentarfilm
„Werner Herzog – Radical Dreamer“ den Regisseur durch Leben und Werk.
Neuer Spielfilm von Werner Herzog: Die Mutter der Wüste
Der Regisseur Werner Herzog schickt in „Salt and Fire“ Veronica Ferres als
Professorin in die Wüste. Wie durch Magie greifen Kuriositäten ineinander.
Wettbewerbsfilm Berlinale 2015: Der Araber ballert gern doppelläufig
Angeblich hat Werner Herzog bei „Queen of the Desert“ Regie geführt.
Anzumerken ist das diesem Kolonialschinken nicht.
Kinostart „Wie der Wind sich hebt“: Jiro Horikoshis Traum
Ein Biopic mit vielen Freiheiten: Hayao Miyazakis animierter Film „Wie der
Wind sich hebt“ porträtiert einen Flugzeugingenieur aus Japan.
Festivalpremiere „Städtebewohner“: Wo die Dunkelheit Raum findet
Ins Jugendgefängnis von Mexiko-Stadt führt ein neuer Film des Berliner
Dokumentaristen Thomas Heise: „Städtebewohner“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.