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# taz.de -- Umverteilung von Flüchtlingskindern: „Kein Zug nach Nirgendwo“
> Das Gesetz zur Umverteilung minderjähriger Flüchtlinge auf die Länder
> befindet sich in der Feinabstimmung, dabei mehren sich die Bedenken der
> Flüchtlingsinitiativen.
Bild: Könnten nach den von Bremen und Hamburg angeschobenen Plänen bald aus d…
HAMBURG taz |Das Gesetz rückt näher, der Streit wird lauter: Die maßgeblich
von Hamburg und Bremen angeschobenen Pläne von Bundesministerin Manuela
Schwesig (SPD) die in Deutschland ankommenden unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlinge auf alle Bundesländer nach dem sogenannten Königsteiner
Schlüssel gleichmäßig zu verteilen, [1][stoßen bei allen zuständigen
Fachverbänden auf massive Kritik].
„Verteilung nach Quote ist immer ein Zwang für die betroffenen
Jugendlichen“, klagt etwa Thomas Berthold vom [2][Bundesverband
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BUMF)], räumt aber gleichzeitig
ein, dass der vorliegende Gesetzentwurf zumindest „bemüht ist, das
Kindeswohl mit der quotalen Verteilung in Verbindung zu bringen“. Denn auch
hier sollen die Lebensbedingungen der Jugendlichen mit in den Mittelpunkt
gerückt werden.
Bislang werden die jugendlichen Flüchtlinge an dem Ort betreut, wo sie
zuerst aktenkundig werden, weil sie sich melden oder von der Polizei
aufgegriffen werden. Vor allem sind das die großen Metropolen, im Norden
vor allem Hamburg und Bremen. Nach dem neuen Schlüssel muss Hamburg nur
2,52 und Bremen 0,94 Prozent der unbegleiteten Minderjährigen aufnehmen.
Geht man von den 7.518 unbegleiteten Jungflüchtlingen aus, die sich zum
Jahreswechsel 2014/2015 bundesweit in Obhut der Jugendämter befanden, so
würden künftig nach Königstein Hamburg nur noch 189 und Bremen 68 dieser
Jugendlichen zugeteilt werden.
Tatsächlich leben in Hamburg 512 und in Bremen 113 dieser Jugendlichen.
Darüber, dass Hamburg in Zukunft „deutlich weniger minderjährige
Flüchtlinge aufnimmt als bislang“, freut sich Sozialsenator Detlef Scheele
(SPD). Das entsprechende Gesetz soll im Sommer verabschiedet werden und
Anfang 2016 in Kraft treten.
Während sich in Hamburg und Bremen die Zahl der Inobhutnahmen dadurch
drastisch reduzieren könnten, müsste sie sich in Niedersachsen und
Schleswig-Holstein nach aktuellen Zahlen etwa verdoppeln und in
Mecklenburg-Vorpommern fast versiebenfachen. 2013 fiel von den laut BUMF
bundesweit stattgefundenen 5.548 Aufnahmen unbegleiteter Jugendlicher auf
der Flucht keine einzige auf das Nord-Ost-Bundesland.
Die hohe Zahl der Jungflüchtlinge sei in Hamburg ein „großes Problem“,
betont die zuständige Sozialbehörde. Weil eine geeignete
Anschlussunterbringung fehlt, leben die Kinder und Jugendlichen statt
mehrerer Wochen im Schnitt fast ein dreiviertel Jahr in
Erstaufnahmeunterkünften, in denen es an Betreuungs-, Freizeit- und
Bildungsangeboten mangelt. Weniger minderjährige Flüchtlinge bedeutet
deshalb mehr Hilfen für die Verbleibenden, rechnet sich Sozialbehörde aus.
Doch was heißt es für die Umverteilten, die aus den Städten abgeschoben
werden? Sinkt die Zahl der unbegleiteten Flüchtlinge in Hamburg, müssten
die für diese Gruppe gerade „mühsam aufgebauten neuen Einrichtungen wieder
geschlossen und das neu eingestellte Personal entlassen werden“, befürchtet
der Hamburger Flüchtlingsrat. Deshalb lehnt der den Gesetzentwurf in der
vorgelegten Form ab.
Gleichzeitig fehle in ländlichen Gebieten jede spezielle Infrastruktur für
diese Gruppe, die einen Anspruch auf gezielte Maßnahmen der Kinder - und
Jugendhilfe hat. Eine Umverteilung verstoße deshalb gegen die
„Vorrangigkeit des Kindeswohls“, klagt die Bremer Bürgerschaftsabgeordnete
Claudia Bernhard. Die Linken-Politikerin fordert mehr Bundesmittel für eine
altersgerechte Unterbringung, lehnt jede Umverteilung der Minderjährigen
jedoch ab.
„Eine finanzielle Umverteilung zwischen den Bundesländern gibt es bereits,
aber wir stoßen auf die Grenzen unserer Kapazitäten“, hält Hamburgs
Sozialbehördensprecher Marcel Schweitzer dagegen: „Die Freien Träger sagen
selber, dass sie nicht mehr wachsen und eine schnelle Integration
gewährleisten können.“ Deshalb müsse in den „mittelgroßen Städten“
sämtlicher Bundesländer eine entsprechende Infrastruktur mit
Jugendwohnungen, Traumatherapie und Integrationsangeboten geschaffen
werden, sagt Schweitzer: „Wir reden hier nicht über Dörfer und setzen
keinen Jugendlichen allein in einen Zug nach Nirgendwo.“
22 Apr 2015
## LINKS
[1] /Junge-Fluechtlinge-in-Bremen/!153722/
[2] http://www.b-umf.de/
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
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