# taz.de -- Interview mit Innensenator Mäurer: „Uns hat die Realität eingeh… | |
> Warum es in der Ausländerbehörde zu langen Wartezeiten kam und wie er das | |
> ändern will, erklärt Innensenator Mäurer im Interview. | |
Bild: Innensenator Ulrich Mäurer: "Verstärkung ist unumgänglich." | |
BREMEN taz | taz: Herr Mäurer, Sie haben Ende vergangener Woche auf die | |
langen Wartezeiten vor der Ausländerbehörde reagiert und angewiesen, es | |
werde ab sofort niemand mehr abgewiesen, ohne dass sein Anliegen bearbeitet | |
wird. Hat das funktioniert? | |
Ulrich Mäurer: Am Montagmorgen waren die Leiterin des Stadtamtes und die | |
Leiterin der Abteilung für Aufenthalt und Einbürgerung ab vier Uhr da. Sie | |
haben veranlasst, dass alle Laufkunden auch schon ab diesem Zeitpunkt vom | |
Sicherheitsdienst eingelassen wurden und eine Wartemarke erhalten haben, | |
mit dem Hinweis, dass sie bis zur Öffnung des Servicepoints um 8 Uhr auch | |
wieder gehen können, wenn sie dies möchten. Wir appellieren an alle, dass | |
sie für ihr Anliegen einen Termin vereinbaren. Das kennt jeder: Wenn Sie | |
spontan zum Arzt wollen, sitzen Sie in einem überfüllten Wartezimmer. Bei | |
der Masse unserer Kunden klappt das nur gut mit einem Termin. Zudem gibt es | |
Sprachprobleme, unsere Verwaltung ist möglicherweise für viele unbekannt | |
und unüberschaubar. | |
Machen die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde dafür nun Überstunden? | |
Die Annahme aller Kunden, die ohne Termin vorsprechen, ist aktuell nur | |
durch ein besonderes Engagement der Mitarbeiter möglich – andere Aufgaben | |
werden aktuell zurückgestellt. Letztendlich muss das Stadtamt das vor Ort | |
organisieren, die sind kompetent und kriegen das hin. | |
Wieso haben Sie nicht schon früher auf die langen Wartezeiten reagiert? Die | |
erhöhten Flüchtlingszahlen waren doch absehbar … | |
Es ist kein ganz neues Problem, aber zum Jahresende war es noch | |
entspannter. Das Stadtamt macht ja schon anderthalb Stunden früher auf, | |
damit die Wartenden nicht frieren müssen. Aber, wenn Personen schon um vier | |
Uhr früh anstehen, dann ist das eine Situation, auf die man reagieren muss. | |
Auch wenn man einen Termin in der Ausländerbehörde hat, kann die Wartezeit | |
bis dahin drei, manchmal fünf Monate betragen. Was, wenn jemand ganz | |
aktuell ein Jobangebot hat und eine Arbeitserlaubnis braucht? | |
Notfälle werden immer bearbeitet, das ist gewährleistet. Wenn eine | |
Aufenthaltserlaubnis abläuft, kommt die Mitteilung gleich mit einem | |
Terminvorschlag. Da muss man nicht nachts anstehen. Es ist ein | |
Kommunikationsproblem. Es gibt auch die Servicenummer 361-88630, bei der | |
man anrufen kann um einen Termin zu bekommen. | |
Die telefonische Erreichbarkeit in der Ausländerbehörde ist nach wie vor | |
ein großes Problem. | |
Als ich vor ein paar Tagen meinen Telefonanschluss ändern musste, war ich | |
bei der Telekom auch lange in der Warteschleife. Es muss besser werden, | |
daran arbeiten wir. Aber gemessen an den bescheidenden Mitteln, die wir | |
haben, strengen sich die Mitarbeiter sehr an. | |
Wie erklären Sie, dass es überhaupt zu diesen langen Wartezeiten kam? | |
Wir nehmen bei der normalen Verteilung der Flüchtlinge etwa ein Prozent im | |
Bundesgebiet auf, das kann man planen und steuern. Dann kamen aber eine | |
Vielzahl von Menschen, die illegal nach Deutschland einreisen und gar | |
keinen Asylantrag stellen, sondern die eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis | |
direkt bei der Ausländerbehörde beantragen. Dazu kamen noch etwa 350 | |
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Da hat uns die Realität eingeholt. | |
Wir haben keine Möglichkeit, deren Zuzug zu steuern. Gegenwärtig bleiben | |
die dort, wo sie ankommen. Das verschärft die Lage. Deswegen bemühen wir | |
uns nun auch darum, dass sie auf die Bundesländer verteilt werden. | |
Dieses Vorhaben wird kritisiert, weil die minderjährigen Flüchtlinge wegen | |
des Vorrangs des Kindeswohls unter besonderem Schutz stehen und deshalb | |
nicht verteilt werden. Warum lässt sich das nicht einfach finanziell | |
ausgleichen? | |
Mit dem Kindeswohl hat das nichts zu tun. Es sind ja eher ältere | |
Jugendliche. Die Situation wird für sie auch nicht besser, wenn sie in | |
überfüllten Heimen sitzen. Es kann auf Dauer so nicht gehen, dass die | |
Stadtstaaten damit alleine gelassen werden. Eine Steuerung ist notwendig, | |
weil wir 2015 nicht weniger Probleme haben werden als 2014. | |
In der Ausländerbehörde soll nun dauerhaft das Personal aufgestockt werden. | |
Wird der Etat erhöht? | |
Wir wissen, dass wir das Flüchtlingsproblem nicht ohne Kosten bewältigen | |
können. Eine Personalverstärkung ist unumgänglich, das alleine reicht aber | |
eben nicht. Das Problem ist: Es gibt keinen echten Markt für | |
Verwaltungsbeamte. Das ist wie bei der Polizei: Wenn Sie wegen der | |
aktuellen Terrorlage beschließen, 50 Beamte mehr in den Dienst zu stellen, | |
müssen Sie drei Jahre warten. Wir versuchen einzustellen. Auch das | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sucht aktuell aber hunderte neue | |
Mitarbeiter für die Asylverfahren. Der Rückstand ist gigantisch. Und der | |
Bund zahlt besser als wir, das macht es nicht leichter. Deswegen haben wir | |
pragmatische Dinge vorgeschlagen, um Personal zu binden. Wir versuchen, | |
Nachwuchs zeitnah zu übernehmen und auch befristete Kräfte dauerhaft zu | |
beschäftigen, außerdem sollte es die Möglichkeit geben aufzustocken, denn | |
viele Frauen arbeiten bislang nur halbtags. | |
Sie wollen auch die aufenthaltsrechtliche Beratung in den | |
Flüchtlingseinrichtungen ausbauen. Bislang gibt es in Bremen nur eine | |
Stelle bei der AWO, die für eine unabhängige Asylverfahrensberatung | |
vorgesehen ist … | |
Ich kann nicht sagen, ob es ein oder zwei Stellen sind. Das Stadtamt geht | |
auf die Einrichtungen zu und das kann immer noch besser werden. Wir wollen | |
schon dort viele überzeugen, einen Termin zu vereinbaren. Bei | |
Hunderttausenden von Kundinnen und Kunden, die das Stadtamt insgesamt – | |
nicht nur die Ausländerbehörde – zu bewältigen hat, können Sie sich | |
vorstellen, welche Herausforderung es ist, wenn da ein großer Teil spontan | |
kommt. Es ist ja die Behörde mit den meisten Kunden überhaupt, mit 500.000 | |
Kunden im Jahr. | |
21 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Minderjährige Geflüchtete | |
Bremen | |
Asylsuchende | |
Innensenator | |
Ausländerbehörde | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) | |
Verwaltung | |
Bremen | |
Willkommenskultur | |
Flucht | |
Bremen | |
Datenschutz | |
Flüchtlinge | |
Thomas de Maizière | |
Bremen | |
Ausländerbehörde | |
Informationsfreiheitsgesetz | |
Bremen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Warten vor dem Stadtamt: Das dauert und dauert | |
Die Warteschlangen am Stadtamt reißen trotz aller „Gegenmaßnahmen“ nicht | |
ab. Nun bleibt das Standesamt für Kunden ohne Termin geschlossen | |
Flüchtlingskinder in Bremen: „Über einen Kamm geschoren“ | |
Als zunehmende Belastung bezeichnet die Gewerkschaft der Polizei in Bremen | |
straffällige unbegleitete Flüchtlingskinder. Alles Quatsch – sagt nun ein | |
Polizist. | |
Umverteilung von Flüchtlingskindern: „Kein Zug nach Nirgendwo“ | |
Das Gesetz zur Umverteilung minderjähriger Flüchtlinge auf die Länder | |
befindet sich in der Feinabstimmung, dabei mehren sich die Bedenken der | |
Flüchtlingsinitiativen. | |
Kriminelle Minderjährige: Bremen sperrt Flüchtlingskinder ein | |
Rot-Grün will straffällige unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in einem | |
geschlossenen Heim neben dem Gefängnis unterbringen. | |
Internet der kurzen Wege: Andocken am Datenknotenpunkt | |
Telekom-Mails sollen künftig über Frankfurt laufen und Umwege über die USA | |
vermeiden. Das soll Überwachung erschweren. Aber hilft es tatsächlich? | |
Junge Flüchtlinge in Bremen: Bremen wird Kinder los | |
Trotz anhaltender Kritik arbeitet das Bundesfamilienministerium daran, | |
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bald, wie von Bremen gefordert, auf | |
Bundesländer zu verteilen. | |
Kommentar Asylrechtsreform: De Maizière auf Siegeskurs | |
Die Regierung will das Bleiberecht neu regeln. Mit dem Kampf dagegen | |
könnten die Grünen das Debakel um die „sicheren Herkunftsstaaten“ | |
wiedergutmachen. | |
Institution in der Diskussion: Ausländerbehörden abschaffen! | |
Eine Diskussion über „Willkommenskultur“ in Bremens Ausländerbehörde will | |
ein System zu etwas machen, das es nicht sein kann: humanitär. | |
Maria Wessel-Niepel über Personalpolitik: „Wartezeiten sind noch zu lang“ | |
Trotz Umstrukturierung des Stadtamts: Mehr als Erfüllung des Mindestbedarfs | |
ist dort nicht zu erwarten, sagt Amtsleiterin Marita Wessel-Niepel. | |
Bremer Ausländerbehörde: Keine Willkommenskultur | |
Trotz personeller Aufstockung haben sich die Zustände bei der Bremer | |
Ausländerbehörde noch nicht verbessert. | |
Informations-Freiheits-Gesetz in der Praxis: Auskunft nur mit Ausnahmen | |
Ob ein Fragebogen zur Ermittlung von Scheinehen veröffentlicht werden muss, | |
verhandelte am Freitag das Verwaltungsgericht. | |
Bettina Scharrelmann über Migrationspolitik: „Abschiebehaft ist Ultima Ratio… | |
Früher schrieb Bettina Scharrelmann Migranten-freundliche Erlasse. Nun | |
leitet sie die Bremer Ausländerbehörde. Wie das zusammengeht, sagt sie im | |
taz-Gespräch. |