| # taz.de -- Warten vor dem Stadtamt: Das dauert und dauert | |
| > Die Warteschlangen am Stadtamt reißen trotz aller „Gegenmaßnahmen“ nicht | |
| > ab. Nun bleibt das Standesamt für Kunden ohne Termin geschlossen | |
| Bild: Wer hier ohne Termin hin will, muss lange warten | |
| Bremen taz | Immer wieder bilden sich lange Warteschlangen vor einigen der | |
| sechs Standorte des Stadtamtes. Wer zu spät ist, kann wieder nach Hause | |
| gehen. Das Standesamt bleibt am heutigen Freitag bereits den zweiten Tag | |
| aufgrund von Personalmangel für KundInnen ohne Termin sogar in Gänze | |
| geschlossen. | |
| Früher konnten BürgerInnen die Melde- und Wohnungsangelegenheiten im | |
| Ortsamt ihres Stadtteils erledigen. Seit 2006 aber sind die öffentlichen | |
| Dienstleistungen zentralisiert. Seither musste wiederholt auch die Polizei | |
| zu Hilfe gerufen werden, weil nicht alle BremerInnen den Wartestress | |
| geduldig ertrugen. Einst beim Ausländeramt, dann bei der | |
| Kfz-Zulassungsstelle, immer wieder beim Bürgerservicecenter und jetzt auch | |
| beim Standesamt: Hinterbliebene sind wochenlang zum Nichtstun verdammt, bis | |
| sie eine Sterbeurkunde erhalten und ihren Verstorbenen begraben dürfen. | |
| Junge Eltern müssen zwei, drei Monate auf die Ausstellung einer | |
| Geburtsurkunde warten – obwohl davon Kindergeldzahlungen abhängen. | |
| Erklärungen dafür klingen stets gleich: Fürs Standesamt heißt es jetzt, man | |
| sei eh unterbesetzt und derzeit stehe auch nur die Hälfte des Personals zur | |
| Verfügung, da MitarbeiterInnen im Urlaub oder krank seien, andere hätten | |
| sich gerade wegbeworben. Keine Behörde scheint in Bremen organisatorisch | |
| derart schlecht aufgestellt zu sein wie die mit den meisten | |
| Bürgerkontakten. | |
| „Seit Jahren wird es leider schlimmer“, bestätigt der Bürgerbeauftragte d… | |
| Innensenators, Nicolai Roth. Anstatt die Nachfrage zu antizipieren und sich | |
| entsprechend darauf vorzubereiten, „läuft das Stadtamt dem Problem immer | |
| hinterher.“ Grund sei das ständig steigende Arbeitsaufkommen. Die Anzahl | |
| der ausländischen Staatsangehörigen in Bremen habe sich von 67.000 im Jahr | |
| 2012 auf 95.000, hochgerechnet auf 2016, erhöht, das sei so nicht | |
| vorhersehbar gewesen. Die Zahl der Wohnungsum- und -anmeldungen sei | |
| deswegen von 73.000 auf 91.000 gestiegen. Gerade Flüchtlinge hätten ihre | |
| Unterbringung häufig ändern und das melden müssen. | |
| Ebenfalls rapide gewachsen angesichts der globalen Krisenherde seien | |
| Anmeldeverfahren für Demonstrationen. Auch die Zahl der Kfz-An-, Ab- und | |
| Ummeldungen entwickele sich nach oben – genauso wie die Geburtenrate. | |
| „Niedersächsische Schwangere strömen in Bremer Kreißsäle, da Krankenhäus… | |
| in Achim, Delmenhorst und Osterholz-Scharmbeck entsprechende Angebote | |
| zurückfahren“, sagt Roth. | |
| Gleichzeitig muss das Stadtamt jährlich eine Personalabbauquote erfüllen. | |
| Seit 2004 gab es laut Senatsantwort auf eine Linken-Anfrage noch 348,2 | |
| Vollzeitstellen im Kernbereich, aktuell seien nur noch 272,24 vorgesehen – | |
| ein Minus von über 70 Vollzeitstellen. Vier weitere könnten pro Jahr bis | |
| 2020 wegfallen. | |
| Parallel dazu hat die Zahl der Nachwuchskräfte drastisch zugenommen. Waren | |
| 2004 noch 20 Vollzeitstellen mit ihnen abgedeckt, sind es nun 102. Hinzu | |
| kommen 74 extern finanzierte Stellen sowie Werkvertrags- und Hilfskräfte. | |
| Insgesamt habe sich so die Mitarbeiterschar von 361 auf 476 erhöht, so | |
| Roth. | |
| „Gebracht hat die Flickschusterei offenbar nichts; im besten Fall konnte | |
| eine weitere Verschlechterung vermieden werden“, sagt Kristina Vogt, | |
| Fraktionsvorsitzende der Linken. Wer eh nur temporär oder gegen seinen | |
| Willen der Stammbesetzung des Stadtamtes zugewiesen werde, bewerbe sich | |
| schnell wieder weg. „Im Ergebnis ergibt dieses Konstrukt mangelnde | |
| Verlässlichkeit, hohe Fluktuation, steigende Arbeitsbelastung und massive | |
| Krankenstände“, sagt Vogt. | |
| Zur Schaffung ausreichend dauerhafter Stellen scheint das Geld zu fehlen. | |
| Deswegen will das Stadtamt erst einmal schauen, was sich von den | |
| Vorschlägen einer „Staatsräte Task Force“ umsetzen lässt, trotz ihrer | |
| Ablehnung durch den Personalrat. Vorübergehend seien studentische Aushilfen | |
| für Notfall-Kunden eingestellt worden. Die Kfz-Zulassungsstelle, so Roth, | |
| sei bereits für Händler digitalisiert worden. Wenn die online ihre Autos | |
| anmeldeten, „entsteht eine Arbeitsersparnis von 40 Prozent.“ Aber nur | |
| zögerlich nähmen Händler das Internet-Angebot an. | |
| „Zudem befinden sich acht Stellen in der externen Ausschreibung“, erklärt | |
| der stellvertretende Stadtamtsleiter Joachim Becker. 600 Bewerbungen lägen | |
| vor. Das dauert. Die Finanzsenatorin habe daneben 41 Kräfte aus ihrem | |
| Personal-Pool ans Stadtamt verschickt – befristet auf zwei Jahre. Die | |
| müssen aber erst einmal eingearbeitet werden. Das dauert. | |
| Und was ist mit dem Konzept „Stadtamt zukunftssicher gestalten“ aus dem | |
| Jahr 2012? Von den dort aufgelisteten 785 Maßnahmen seien laut Senat 85 | |
| Prozent bereits umgesetzt oder hätten sich als nicht durchführbar erwiesen. | |
| „Weitere 10 Prozent befinden sich noch in Bearbeitung, 5 Prozent der | |
| empfohlenen Maßnahmen konnten kapazitätsbedingt noch nicht begonnen | |
| werden.“ „Das dauert halt alles“, meint Roth. | |
| Jetzt will Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) die Zustände im Standesamt zur | |
| Chefsache machen. Laut Radio Bremen soll das Amt ihm in den kommenden sechs | |
| Monaten direkt unterstellt werden. | |
| 21 Jul 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Fischer | |
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