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# taz.de -- Bremer Ausländerbehörde: Keine Willkommenskultur
> Trotz personeller Aufstockung haben sich die Zustände bei der Bremer
> Ausländerbehörde noch nicht verbessert.
Bild: Lange Schlangen vor der Ausländerbehörde sind schon lange Thema. Hier A…
BREMEN taz | Donnerstagmorgen, zehn vor acht. Obwohl die Ausländerbehörde
in der Stresemannstraße erst um acht Uhr öffnet, sind die Warteräume
bereits überfüllt. Ein Schild verkündet, dass am heutigen Tage niemand mehr
ohne Termin an die Reihe komme. Ein Mann, der bereits seit anderthalb
Stunden da ist, freut sich, dass er eine Wartenummer erhalten hat – es ist
die Nummer 87. Dabei sollte doch alles besser werden bei der Bremer
Ausländerbehörde, einen „Paradigmenwechsel hin zu einer Willkommenskultur
und ihren Aufgaben entsprechend“ hatte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) vor
fast zwei Jahren versprochen.
Damals sollte das Ausländeramt zur „Servicestelle für Aufenthaltserteilung
und Einbürgerung“ umorganisiert sowie personell aufgestockt werden.
Letzteres ist zwar geschehen: „Aber die Zustände dort sind die gleichen wie
vor acht Jahren“, sagt der Bremer Rechtsanwalt Sven Sommerfeldt. Einer
seiner Mandanten habe vor rund neun Monaten einen Antrag auf Verlängerung
seiner Aufenthaltserlaubnis gestellt, „und am Montag wird er sie endlich
bekommen – nach einer Untätigkeitsklage gegen die Behörde“. Eine Mandantin
habe eine Aufenthaltserlaubnis beantragt, „aber statt sie zu beantworten,
hat die Behörde die Akte unbearbeitet der Polizei übergeben und Anzeige
wegen unerlaubten Aufenthalts erstattet“. Auch hier habe nur eine Klage
helfen können.
Sommerfeldt berichtet von Menschen, die um fünf Uhr morgens zur Behörde
gehen in der Hoffnung, an die Reihe zu kommen, von vergeblichen Versuchen,
telefonisch Termine zu vereinbaren, von monatelangen Wartezeiten auf
selbige.
Bei der Innenbehörde zeigt man sich betroffen von den Vorwürfen: „Die
Botschaft, dass die Zustände genauso seien wie vor acht Jahren, ist fatal“,
sagt Behördensprecher Olaf Bull, „und sie entspricht auch nicht dem, was
bei uns ankommt.“ Das bestätigt Bettina Scharrelmann, Leiterin des
Ausländeramts. Die Wartezeiten seien lang, das stimme, und durchaus gebe es
Tage, an denen Menschen auch wieder weggeschickt würden, „aber wir arbeiten
pro Tag 60 bis 80 Notkunden ab“ – also jene Menschen, die ohne Termin
kämen. Es habe aber eine deutliche Verbesserung gegeben, die Stimmung in
der Behörde sei besser als vor zwei Jahren, Netzwerke, auch mit dem
Anwaltsverein, seien aufgebaut worden. Und Notfälle würden vorgezogen.
Marc Millies vom Bremer Flüchtlingsrat mag sich den Vorwürfen Sommerfeldts
ebenfalls nicht uneingeschränkt anschließen: „Natürlich ist dort noch
Verbesserungsbedarf“, sagt er, „aber ich sehe bei der Behörde durchaus die
Bereitschaft zur Verbesserung.“ Mit der dortigen personellen Aufstockung
werde der steigenden Anzahl von geduldeten und asylsuchenden Menschen
Rechnung getragen, „von einer optimalen Besetzung kann man aber natürlich
nicht sprechen. Denn der Bedarf an Behördenmitarbeitern ist 2012 ja anhand
einer Anzahl hilfesuchender Menschen ermittelt worden, die heute nicht mehr
gilt.“
Damals wollte man den Missständen bei der Ausländerbehörde entgegenwirken
auf Grundlage von 2.000 Menschen, die in Bremen jährlich Anträge auf Asyl
oder Duldung stellten. Jetzt, im Jahr 2014, rechnet man mit 3.500 Menschen.
Während die Zahl der Hilfesuchenden um 75 Prozent gestiegen ist, wurde die
Zahl der MitarbeiterInnen bei der Ausländerbehörde um nur 50 Prozent
aufgestockt. Und noch sind nicht einmal alle Stellen besetzt: Erst Ende des
Jahres ist damit zu rechnen, „und das auch nur, wenn fünf unserer Azubis
eine feste Stelle bekämen“, sagt Scharrelmann. Das sei aber noch nicht
klar.
## Viele neue Mitarbeiter
Zwölf weitere dieser „Nachwuchsstellen“ seien momentan besetzt, zehn davon
hätten die Zusage bekommen, bis Ende 2015 eine feste Stelle in der Behörde
zu bekommen, fünf MitarbeiterInnen seien, ebenfalls bis Ende 2015, gerade
eingestellt worden. Macht dann 78 MitarbeiterInnen – 28 mehr als vor zwei
Jahren. Von den neuen MitarbeiterInnen werden einige freilich erst am
Jahresende eingearbeitet sein in die komplexe Arbeit. „Wir konnten aber“,
sagt Scharrelmann, „innerbehördlich unsere Strukturen deutlich verbessern.“
Die Änderungen sind Teil der schon länger währenden Umstrukturierung des
Bremer Stadtamtes, zu dem die Ausländerbehörde gehört. Dessen personelle
Aufstockung insgesamt deckt allerdings laut Stadtamtsleiterin Marita
Wessel-Niepel „nur knapp den festgestellten Mindestbedarf – errechnet nach
Erreichen aller Optimierungsmöglichkeiten“. Geschuldet sei das der knappen
Kasse des Haushaltsnotlagelandes Bremen.
15 Aug 2014
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Ausländerbehörde
Bremen
Willkommenskultur
Aufenthaltsrecht
Bremen
Minderjährige Geflüchtete
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Informationsfreiheitsgesetz
Flüchtlinge
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Residenzpflicht
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