| # taz.de -- Kein Familienleben für Flüchtlinge: Abschieben nach Bayern | |
| > Die Bremer Ausländerbehörde weigert sich, einem gambischen Flüchtling das | |
| > Zusammenleben mit seiner Partnerin und dem gemeinsamen Baby zu | |
| > ermöglichen. In Landshut ist es schließlich auch schön. | |
| Bild: Nach Auffassung der Bremer Ausländerbehörde jederzeit eine Reise wert: … | |
| BREMEN taz | Als Buba Meyer* vier Wochen alt war, bekam seine Mutter einen | |
| Brief der Bremer Ausländerbehörde. Darin schreibt eine Sachbearbeiterin, | |
| dass sie Anne Meyer und dem aus Gambia stammenden Vater des Neugeborenen | |
| nicht dabei helfen wird, ein Familienleben zu führen. Das ist stark | |
| eingeschränkt, weil Ali Jeng im bayerischen Landshut leben muss. Dorthin | |
| hat das Bundesamt für Migration ihn hin „verteilt“, nachdem er 2010 nach | |
| Deutschland geflohen war. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, nur wegen seines | |
| Kindes wird er nicht abgeschoben. | |
| In Bremen darf sich der 35-Jährige als Geduldeter nur mit einer | |
| Sondererlaubnis aufhalten. Alle paar Wochen muss er zurück nach Landshut, | |
| um sie dort neu zu beantragen. 740 Kilometer liegen zwischen den beiden | |
| Städten. Der Sachbearbeiterin erscheint das offenbar als minder | |
| problematisch. Schließlich könnten ihn zwecks „Kontakten zum Kind“ seine | |
| Freundin und das Baby „jederzeit in Landshut besuchen“, schreibt sie. In | |
| einer E-Mail hatte ihr ein anderer Sachbearbeiter geraten, einfach nach | |
| Bayern zu ziehen. | |
| Anne Meyer wirkt fassungslos, wenn sie davon erzählt. „Hier kann ich für | |
| uns sorgen, dort hätten wir nichts: keine Arbeit, keine Wohnung, keine | |
| Familie, keine Freunde.“ Die 31-Jährige arbeitet als Schwesternhelferin mit | |
| Schwerstbehinderten und lebt in einem kleinen Reihenhaus im Viertel, das | |
| ihren Eltern gehört. Auch Ali Jeng hat Freunde hier und eine Chance, sich | |
| mit ihrer Hilfe zu integrieren, findet seine Freundin. „Er hat eine schwere | |
| Zeit hinter sich“, sagt sie. | |
| Als sie ihn vor drei Jahren auf einer Party kennenlernte, lebte er auf der | |
| Straße, dealte, um über die Runden zu kommen, trank. „Ich habe damit | |
| aufgehört und versucht, mein Leben in den Griff zu kriegen“, sagt er auf | |
| Englisch, das Baby schläft auf seiner Brust. Zwei Jahre ist er in Gambia | |
| zur Schule gegangen, er lernt jetzt mit seiner Freundin lesen und | |
| schreiben. Die ist sich nicht zu hundert Prozent sicher, dass er sein | |
| Potenzial wirklich nutzen wird. Aber ohne sie, davon ist sie überzeugt, | |
| wäre er chancenlos. | |
| Deshalb ist sie so enttäuscht von den Behörden, die es ihm nach ihrer | |
| Ansicht so schwer machen. | |
| Während der Schwangerschaft durfte er sich mal zwei, mal drei Wochen in | |
| Bremen aufhalten und musste zwischendurch wieder zurück in seine bayerische | |
| Flüchtlingsunterkunft, eine alte Kaserne. Anne Meyer hat ihn dort einmal | |
| besucht. „Das kann man sich nicht vorstellen“, sagt sie, „in den Toiletten | |
| schwamm die Scheiße und die Leute waren hoch aggressiv vor lauter Frust.“ | |
| Sie selbst versuchte in Bremen alleine ihren Alltag zu bewältigen, was | |
| wegen diverser Komplikationen immer schwieriger wurde. Ihre Ärztin stellte | |
| ein Attest nach dem anderen aus, dass sie Hilfe brauche. Aber erst nachdem | |
| Anne Meyer dem Landshuter Sachbearbeiter am Telefon persönlich geschildert | |
| hatte, wie es ist, wenn man sich kaum noch bewegen kann, erlaubte der Ali | |
| Jeng einen sechswöchigen Aufenthalt in Bremen. Zur Geburt seines Kindes war | |
| er zufällig gerade hier. Kurz darauf musste er dann aber auch schon wieder | |
| nach Bayern. Jetzt hat er Zeit bis Ende Mai. | |
| Die Anwältin der Familie, Barbara Neander, hat in Bayern eine | |
| Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen beantragt, dann dürfte er | |
| arbeiten und seinen Aufenthaltsort selbst bestimmen. „Die wird er wohl auch | |
| bekommen“, sagt Neander, „aber das kann dauern.“ Daher versteht sie nicht, | |
| warum die Bremer Ausländerbehörde sich nicht bereit erklärt, den Fall aus | |
| Bayern zu übernehmen. Das könnte sie im Rahmen einer sogenannten | |
| „Zweitduldung“ tun. Eine solche hatte die Landshuter Behörde in einem | |
| Schreiben als Lösung vorgeschlagen. | |
| Doch in Bremen behauptete die Ausländerbehörde zunächst, so etwas würde es | |
| überhaupt nicht geben – obwohl sie einem Freund von Ali Jeng eine | |
| Zweitduldung ausgestellt hat. In dem Brief, den Anne Meyer vor fünf Wochen | |
| bekam, schreibt die Sachbearbeiterin, sie würden Jengs Zweitduldung jetzt | |
| doch prüfen, mache dies aber davon abhängig, ob er strafrechtlich in | |
| Erscheinung getreten sei. Die Anwältin hält diese Verknüpfung für | |
| rechtswidrig und einen weiteren Versuch, Ali Jeng, der wegen Dealens und | |
| seiner illegalen Reisen nach Bremen zu Geldstrafen verurteilt wurde, | |
| loszuwerden. „Als wäre die familiäre Lebensgemeinschaft nach dem | |
| Grundgesetz nur dann geschützt, wenn alle brave Bürger sind.“ | |
| *Namen der Familie von der Redaktion geändert | |
| 8 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
| ## TAGS | |
| Flüchtlinge | |
| Unterbringung von Geflüchteten | |
| Duldung | |
| Flüchtlinge | |
| Ausländerbehörde | |
| Flüchtlinge | |
| Sahara | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Jenseits der Landesgrenze: Flüchtlinge in Schullandheim | |
| Bremen bringt unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Wald in | |
| Niedersachsen unter. Was nach Skandal klingt, erweist sich tatsächlich als | |
| Glücksfall. | |
| Bremer Ausländerbehörde: Keine Willkommenskultur | |
| Trotz personeller Aufstockung haben sich die Zustände bei der Bremer | |
| Ausländerbehörde noch nicht verbessert. | |
| Aufnahme von Asylsuchenden in München: Keine Zeltstadt als Begrüßung | |
| Viele Kommunen in Deutschland haben sich nicht auf die steigende Zahl von | |
| Asylsuchenden vorbereitet. In München wurde nun ein Plan zur Behelfslösung | |
| verworfen. | |
| Gekentertes Boot mit Migranten: Dutzende ertrinken vor Libyen | |
| Mehrere Dutzend Migranten starben bei dem Versuch von Afrika nach Europa zu | |
| kommen. Sie ertranken vor der Küste Libyens, andere verdursteten in der | |
| Sahara. |