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# taz.de -- Institution in der Diskussion: Ausländerbehörden abschaffen!
> Eine Diskussion über „Willkommenskultur“ in Bremens Ausländerbehörde w…
> ein System zu etwas machen, das es nicht sein kann: humanitär.
Bild: Nicht besonders erhaben: der Gipfel der deutschen Willkommenskultur.
BREMEN taz | Wenn es um die Bezeichnung ginge, dann würde sogar Bettina
Scharrelmann die Ausländerbehörde abschaffen. Sie sei, das sagte sie am
Donnerstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung in der Volkshochschule,
„Leiterin der Abteilung für Aufenthalt und Einbürgerung des Stadtamtes“ �…
nicht der Ausländerbehörde. Darauf lege sie wert. Das Wort würde Menschen
diskreditieren.
Doch die Bezeichnung ändert nichts. Alles, was man in Bremen tun kann, ist,
Lücken in Bundesgesetzen zu finden und Ermessensspielräume auszunutzen, was
schnell an seine Grenzen gerät. Ob man wie Scharrelmann von „Kunden“
spricht, denen „Service“ geboten werden soll, ob als Ziel eine
„Willkommenskultur“ ausgerufen wird – das Problem bleibt gundsätzlicher:
Ausländerbehörden sind Institutionen einer Welt, die in Aus- und Inländer
eingeteilt ist. Dies – nicht die Bezeichnung – lässt Menschen leiden und
gehört daher abgeschafft.
## Noch immer Probleme
Dass im alltäglichen Vollzug der Behörde noch lange nicht alles rund läuft,
wurde am Donnerstag klar. Auf Einladung der Humanistischen Union saßen auf
dem Podium neben Scharrelmann der Rechtsanwalt Jörg Wegner als Vorsitzender
des Verbands binationaler Familien und Partnerschaften sowie die grüne
Migrationspolitikerin Zahra Mohammadzadeh und Ute Schenkel,
Referatsleiterin für Asyl- und Aufenthaltsrecht beim Innensenator.
Wegner etwa bemängelte, was sein Verband seit Jahren sagt: dass binationale
Paare unter dem Generalverdacht stünden, nur eine Scheinehe einzugehen.
Dass es unsinnig hohe Anforderungen an Sprachkenntnisse für einen
Familiennachzug gebe, ebenso Hürden für die Niederlassungserlaubis.
Schärfere Kritik kam aus dem Publikum: Eine Frau habe sich an mehreren
Tagen morgens, einmal gar um vier Uhr früh, vor der Ausländerbehörde
anstellen müssen, damit ihr Anliegen bearbeitet wird. Rechtanwalt Jan Sürig
wollte wissen, warum visumfrei eingereiste Flüchtlinge mittlerweise
systematisch wegen illegaler Einreise angezeigt und ihre Duldung an eine
erkennungsdienstliche Behandlung durch die Polizei geknüpft werde – eine
Praxis, die viele Roma aus Serbien trifft.
## Klare Grenzen
„Da gibt es keinen Ermessensspielraum“, erklärte Scharrelmann.
Ereichbarkeiten hingegen seien verbessert worden, MitarbeiterInnen auf
umgerechnet 80 Vollzeitstellen gebe es heute, früher waren es 65, Personal
mit Migrationshintergrund, auch interkulturelle Schulungen.
Ute Schenkel erklärte dann die Fortschritte für das Innenressort: Die
Abschaffung der Residenzpflicht in den Bremer Landesgrenzen oder, dass
geduldeten Jugendlichen Aufenthalts-Perspektiven geschaffen wurden.
Mittlerweile würde die Ausländerbehörde sogar Aufenthaltserlaubnisse für
die jeweils maximale Zeitspanne ausstellen. Der politische Auftrag sei eine
„humanitäre und menschengerechte Ausgestaltung des Aufenthaltsgesetzes“, so
Schenkel.
## Die zweite Natur
Reicht das nicht? Muss man Frau Scharrelmann und Innensenator Ulrich Mäurer
jede Schieflage persönlich vorwerfen? Gibt es nicht Sachzwänge, die
durchgreifendem Fortschritt im Wege stehen?
Tatsächlich sind nicht „Sachzwänge“ das Problem, sondern Bundesgesetze,
Regeln, Gesellschaftsstrukturen, die den Leuten als natürlich erscheinen.
Doch sie sind menschengemacht und deshalb veränderbar: Grenzen,
Staatsbürgerschaften.
Die Privilegien, die manch Deutscher als die seinen und durch Einwanderer
in Gefahr sieht, fußen auf dem Zufall der Geburt: Die einen werden in ein
Reihenhaus geboren, mit Garten und Playmobil, die anderen wachsen in einem
Land mit Krieg und Verfolgung auf, in dem sie mit Müll spielen und sich ihr
Brot erbetteln müssen.
Nationale Ideologie, rassistischer Wahn oder religiöse Verblendung lassen
Menschen meinen, dies sei irgendwie recht oder gar „gerecht“. Dass Menschen
also irgendwo bleiben sollen, weil sie dort eben geboren und hier
„Ausländer“ sind.
## Der Ort der „Anderen“
Ausländerbehörden nun sind die Institutionen dieser falschen Welt. Sie sind
der Ort für die „Anderen“. In Bremen für 75.000 Menschen, die um
Arbeitserlaubnis betteln müssen oder um eine weitere „Duldung“. Sie sind
keine „Kunden“, sie haben keine Wahl. Wären sie „willkommen“ bräuchte…
mehr ÜbersetzerInnen und Solidarität und keine Ausländerbehörden. Bis es
soweit ist, gehört jede schieflaufende Klitzekleinigkeit an ihnen
kritisiert.
19 Sep 2014
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Bremen
Ausländerbehörde
Bürokratie
Bremen
Flüchtlinge
Minderjährige Geflüchtete
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Informationsfreiheitsgesetz
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