| # taz.de -- Debatte um Wohnnachbarschaft: Flüchtlingsheim am Straßenstrich | |
| > INTEGRATION Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge mit | |
| > Verhaltensauffälligkeiten sollen in Hamburg in ein Industriegebiet mit | |
| > ausgeprägter Prostitution abgeschoben werden. Laut Sozialbehörde würde | |
| > eine Wohnnachbarschaft zu Problemen führen. | |
| Bild: Könnte bald das neue Zuhause für 20 minderjährige Flüchtlinge sein: d… | |
| HAMBURG taz | Die Auskunft der Hamburger Sozialbehörde war eindeutig. Das | |
| ehemalige Gelände der Stadtreinigung im Hammer Industriegebiet am | |
| Bullerdeich 6 werde als Unterbringungsstandort für Flüchtlinge „nicht | |
| weiter geprüft“, antwortete die Behörde im Sommer auf eine Anfrage der | |
| Linksfraktion. Die Begründung lieferte die Behörde gleich mit: „Die Fläche | |
| liegt im Industriegebiet und ist für eine wohnähnliche Nutzung ungeeignet“. | |
| Vor wenigen Tagen aber wurde bekannt: Auf der zum Wohnen ungeeigneten | |
| Fläche, die von Industriebrachen, Gewerbeansiedlungen und dem Straßenstrich | |
| eingerahmt wird, sollen ab Ende Februar doch Flüchtlinge untergebracht | |
| werden – und zwar die, die auf pädagogische Integrationsmaßnahmen am | |
| meisten angewiesen sind: 20 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge, die | |
| durch kriminelle Handlungen und permanente Regelverletzungen auffällig | |
| geworden sind. Nach Informationen der taz sollen sie zu zweit in noch | |
| aufzustellenden Containern wohnen. | |
| Für Christiane Schneider von der Linken ist das ehemalige | |
| Stadtreinigungsgelände „der so ziemlich ungeeignetste Ort“, um die | |
| entwurzelten und meist traumatisierten Jugendlichen unterzubringen. Eine | |
| Unterbringung der auffälligen Jugendlichen nahe des Straßenstrichs und | |
| weitab jeder sozialen Infrastruktur sei „äußerst problematisch“. In einer | |
| schriftlichen Anfrage an den Senat will die Bürgerschaftsabgeordnete jetzt | |
| wissen: „Warum wird die Fläche nun doch als geeignet eingestuft?“ | |
| „Wir brauchten für diese Jugendlichen eine Fläche weit weg von jedem | |
| Wohnumfeld und haben keine Alternative“, sagt Sozialbehördensprecher Marcel | |
| Schweitzer. Denn jede Wohnnachbarschaft würde zu Problemen führen. „Diese | |
| Jugendlichen kennen keine Regeln und sind für pädagogische Hilfe bislang | |
| nicht erreichbar“, sagt er. | |
| Trotzdem werde es Sozialarbeiter und Suchtberater für die oft | |
| drogenabhängigen Jugendlichen vor Ort geben. Das Ziel sei es, den Kinder- | |
| und Jugendnotdienst in Hamburg-Alsterdorf zu entlasten, wo ein Großteil der | |
| 20 Minderjährigen bislang im Rahmen der „Erstversorgung“ untergebracht ist. | |
| Doch diese Unterbringung beim Kinder- und Jugendnotdienst, der eigentlich | |
| für schnelle Hilfe für Minderjährige in akuten Krisen- und Notlagen | |
| zuständig ist, sprenge längst dessen Kapazitäten. Dass die geplante | |
| Unterbringung nur unteren Standards entspräche, sei pädagogisches Konzept. | |
| „Die Jugendlichen sollen wissen, dass sie in eine bessere Unterbringung | |
| kommen können, wenn sie lernen, einfachste Regeln zu befolgen“, sagt | |
| Schweitzer. | |
| „Diese Jugendlichen brauchen vor allem Unterstützungs-, Freizeit- und | |
| Bildungsangebote. All das gibt es in dem Industriegebiet am Bullerdeich | |
| nicht“, sagt Schneider. Obwohl laut Gesetz das Kindeswohl oberste | |
| Richtschnur für den Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen sei, werde | |
| dieses zunehmend der Ordnungspolitik untergeordnet. | |
| So erreichte Sozialsenator Detlev Scheele (SPD) vom | |
| Bundesfamilienministerium jetzt die Zusage, dass minderjährige Flüchtlinge | |
| in Zukunft nicht mehr in den Städten, in denen sie stranden verbleiben, | |
| sondern bundesweit umverteilt werden. Für Hamburg heißt das: Zwar dürfen | |
| alle bislang in der Stadt angekommenen jugendlichen Flüchtlinge hier | |
| bleiben, doch ab Sommer werden Neuankömmlinge konsequent wegverteilt. | |
| Für Antje Möller von den Grünen ist diese Umverteilung „nicht am Kindeswohl | |
| orientiert“, da es nur in großen Städten „genug Anlaufstellen und fachlic… | |
| Qualifikationen“ gäbe. | |
| Die Sozialbehörde sieht das anders. Schweitzer sagt: „Wir haben nach der | |
| Erstaufnahme kaum Anschlussperspektiven für diese Gruppe, keine | |
| Jugendwohnungen und keine Betreuungskapazitäten bei Freien Trägern.“ Die | |
| aber gäbe es „in mittelgroßen Städten“, die bislang kaum minderjährige | |
| Flüchtlinge aufnehmen mussten. | |
| Während für Linkspartei und Grüne die Jugendlichen durch die | |
| Umverteilungsoffensive „weggeschoben“ werden sollen, sieht Schweitzer für | |
| die jungen Flüchtlinge „in anderen Städten einfach bessere Perspektiven“. | |
| „Wir wollen“, sagt er, „ja keinen jugendlichen Flüchtling in ein | |
| 120-Seelen-Dorf abschieben.“ | |
| 22 Jan 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
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