# taz.de -- Jugendhilfe-Immobilie: Ein Heim für böse Jungs | |
> Eine ungastliche Unterkunft am Hamburger Bullerdeich wird nicht mehr für | |
> junge Geflüchtete benötigt. Jetzt soll sie zum Kurzzeit-Heim für | |
> Jugendliche mit „deviantem“ Verhalten werden. | |
Bild: Noch verwaist: In die Container hinter dem Zaun sollen bis zu zehn Jugend… | |
HAMBURG taz | „Die Einrichtung geben wir nicht wieder her“, sagte | |
Klaus-Dieter Müller, der Chef des Landesbetriebs Erziehung (LEB), als die | |
taz ihn vor zwei Jahren zum Bullerdeich interviewte. Doch seit April steht | |
der ehemalige Recylinghof im Stadtteil Hammberbrook wieder leer. Die zehn | |
grauen Container, die bis zu 20 jungen Geflüchteten als Schlafraum dienten, | |
stehen verwaist da, ebenso das Haupthaus und eine Pförtnerloge. Und auf dem | |
Schreibtisch der Bezirkspolitiker in Hamburg-Mitte liegt ein Antrag von | |
Müller. | |
Der LEB will die Einrichtung einer neuen Nutzung zuführen: Die Zielgruppe | |
der „devianten“ – [1][laut Duden] „von der Norm sozialen Verhaltens | |
abweichend“ – jungen Ausländer ist nicht mehr da. Doch der LEB betreibt | |
auch den Jugendnotdienst und sieht eine neue Zielgruppe. Jungen zwischen 14 | |
und 17 Jahren, die weder bei ihren Familien noch in Einrichtungen betreut | |
werden könnten. | |
## Ins Haus nur bei gutem Betragen | |
Der Bullerdeich war damals kein geschlossenes Heim. Jedoch sah das Konzept | |
vor, dass Jugendliche nur ins Haupthaus durften, wenn sie Regeln | |
einhielten. Wer das nicht tat, verbrachte den Tag im Container auf dem Hof | |
– oder draußen. Nur im Haupthaus gab es Gemeinschaft und Freizeitangebote. | |
Müller sagte damals, man habe junge Geflüchtete aus Ersteinrichtungen | |
teils nur tageweise dort. „Die machen zwei Tage Auszeit am Bullerdeich und | |
sagen: Ich möchte wieder zurück.“ Für Müller war vor allem die | |
abschreckende Wirkung des Aufenthalts wichtig. Ausweislich einer | |
[2][Reportage der Weltvom November 2015] wurden nur wenige Jugendliche | |
erreicht und in Wohngruppen vermittelt. Viele kamen ins Gefängnis oder | |
reisten in andere Länder. Dennoch schreibt der LEB, er habe „Kompetenz im | |
Umgang mit diesem Klientel erworben“. Der Standort Bullerdeich sei | |
„wesentlicher Baustein“. | |
Das Grundkonzept soll nun reaktiviert werden für ein Heim mit zehn Plätzen. | |
Auch die Security-Leute soll es rund um die Uhr weiter geben. Als | |
Zielgruppe nennt der LEB nun Jungen mit „deviantem“ Verhalten. Die | |
Kriterien sind teils harte Straftaten wie Gewalt gegen andere Betreute. | |
Aber auch schon die „regelhafte Ablehnung von Hilfsangeboten“, | |
„Verweigerung von Pflichten am Tag“, „Verweigerung des Schulbesuchs“ od… | |
„manipulatives Sozialverhalten“ werden in dem LEB-Papier als Gründe für | |
einen Aufenthalt in der neuen „Clearingstelle“ aufgezählt. Der soll nur | |
„einige Wochen, längstens drei bis fünf Monate“ dauern. | |
„Für mich ist die Konzeption nicht glaubwürdig. Sie intendiert eher eine | |
Form verkappter geschlossener Unterbringung“, sagt Sabine Boeddinghaus | |
(Linke). Eine Clearingsstelle sei dafür da, zu klären, welche Bedarfe ein | |
Jungendlicher hat und welche Konzepte er braucht. | |
## Linke: „Klare Grenzen für Security“ | |
Die Jugendpolitikerin Boeddinghaus war 2005 Mitglied im | |
Untersuchungsausschuss zum berüchtigten Heim in der Feuerbergstraße. Sie | |
hält den Einsatz von Security für problematisch. Gerade beschäftigt sich | |
das Amtsgericht mit dem Fall eines 17-jährigen Flüchtlings: Er eurde in | |
einer Erstunterkunft von Security-Kräften am Arm gepackt und zu Boden | |
geworfen, weil er morgens nicht aus dem Bett wollte. „Das ist eine zutiefst | |
pädagogische Angelegenheit“, sagt Boeddinghaus. Sei Security im | |
Heim-Einsatz, „müssen die Grenzen klar gezogen werden“. | |
Hamburgs Sozialbehörde kann konkrete Fragen zum Betrieb noch nicht | |
beantworten. Man brauche erst eine Nutzungsgenehmigung des Bezirks, sagt | |
Sprecher Marcel Schweitzer. Aus Mitte sei noch keine Stellungnahme | |
gekommen. Dort hat man für den Ort zwar andere Pläne. Der Hof soll Teil des | |
künftigen Alster-Elbe-Grünzugs werden. Grünen-Fraktionschef Michael | |
Osterburg sagt, es ginge seines Wissens nur um eine einjährige Verlängerung | |
der Heim-Nutzung. „Da sehen wir keine kritischen Punkte.“ | |
21 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.duden.de/rechtschreibung/deviant | |
[2] https://www.welt.de/print/wams/hamburg/article148287478/Die-Kinder-vom-Bull… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Jugendhilfe | |
geschlossene Heime | |
Straffällige Jugendliche | |
Jugendhilfe | |
Security | |
Schwerpunkt Haasenburg Heime | |
Jugend | |
Schwerpunkt Haasenburg Heime | |
geschlossene Heime | |
Straßenstrich | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Security in der Hamburger Jugendhilfe: Wachmänner statt Pädagogen | |
Ein städtischer Jugendhilfe-Träger setzt systematisch Securities für die | |
Betreuung von Jugendlichen ein. Rot-Grün lehnt die Debatte darüber im | |
Familien-Ausschuss ab. | |
Security in der Hamburger Jugendhilfe: Sicherheitsdienste machen sich breit | |
Der Landesbetrieb Erziehung setzt in 16 Einrichtungen externe | |
Sicherheitsleute ein – auch, um die Hausordnung durchzusetzen. Die Linke | |
hält das für gefährlich. | |
Jugendhilfe in Hamburg: Wegschließen ist out | |
Hamburg hat in drei Jahren nur eine Jugendliche im geschlossenem Heim | |
untergebracht. Doch in Langenhorn ist eine Clearing-Stelle geplant, die mit | |
Wachdienst arbeitet. | |
Rückkehr des Komasaufen-Trends: Lang lebe der Rausch | |
Besonders im Osten und auf dem Land saufen sich Jugendliche wieder in die | |
Notaufnahme. Was bleibt dieser Generation anderes übrig? | |
Pläne zum Einsperren von Kindern: Nach Haasenburg kommt Phasen-Burg | |
Bremen legt ehrgeizigen Zeitplan für gemeinsames geschlossenes Heim mit | |
Hamburg vor: Im Herbst 2017 soll die „Burg“ auf altem Knastgelände gebaut | |
sein. Straßenkinder protestieren. | |
Spezial-Einrichtung in Hamburg: „Wir haben Kontrolle über das Haus“ | |
Seit März werden kriminell auffällige junge Flüchtlinge auf einem | |
Gewerbegelände betreut. Wer sich nicht an Regeln hält, kommt nicht ins | |
Haupthaus. | |
Umstrittene Heimpolitik: Hamburg will Jugendliche stören | |
Hamburg betreut schwierige junge Flüchtlinge jetzt im Industriegebiet. Es | |
gibt Restriktionen, aber kein Schloss. Bremen plant geschlossenes Heim für | |
diese Gruppe. | |
Debatte um Wohnnachbarschaft: Flüchtlingsheim am Straßenstrich | |
INTEGRATION Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge mit | |
Verhaltensauffälligkeiten sollen in Hamburg in ein Industriegebiet mit | |
ausgeprägter Prostitution abgeschoben werden. Laut Sozialbehörde würde eine | |
Wohnnachbarschaft zu Problemen führen. |