| # taz.de -- Erstaufnahme in Neumünster: Kinderflüchtlinge ab in die Provinz | |
| > Seit dem Wochenende werden unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie | |
| > Erwachsene auf die Bundesländer verteilt. | |
| Bild: „Laufen“, „Weinen“, „Umverteilen“ - für Flüchtlingskinder i… | |
| BREMEN/NEUMÜNSTER taz | Die graue Fassade der ehemaligen Polizeidienstelle | |
| wirkt nicht sehr einladend, auch ein Gerüst steht noch vor der Tür. | |
| Trotzdem eröffnete Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Alheit | |
| (SPD) am Montag eine Einrichtung zur zentralen Erstaufnahme von | |
| unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Neumünster. Damit sollen sie | |
| aus der überfüllten Erstaufnahme für alle Flüchtlinge herausgeholt werden. | |
| Mit der Stelle zur vorläufigen Inobhutnahme möchten das Land und die Stadt | |
| Neumünster die Anforderungen des neuen Bundesgesetzes zur Verteilung der | |
| minderjährigen Flüchtlinge umsetzen. | |
| Das Gesetz trat am Sonntag in Kraft und regelt eine Verteilung der Kinder | |
| und Jugendlichen nach dem „Königsteiner Schlüssel“, nach dem auch alle | |
| anderen Flüchtlinge auf die Bundesländer verteilt werden. Bisher blieben | |
| sie dort, wo sie ankamen – eine Regelung, die einst auf dem Vorrang des | |
| Kindeswohls beruhte. | |
| Im Norden wurden vor allem die Städte wie Hamburg oder Bremen für | |
| überdurchschnittlich viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zum Ziel. | |
| Von nun an sollen die Jugendämter die Flüchtlinge nur noch vorläufig in | |
| Obhut nehmen, bis sie binnen vier Wochen verteilt werden (siehe Kasten). | |
| In Bremen kamen dieses Jahr 2.000 minderjährige Flüchtlinge an. Aus dem | |
| Bremer Sozialressort heißt es, man liege damit vier- oder fünfmal über dem, | |
| was die Stadt nach dem Königsteiner Schlüssel aufnehmen müsste. Alle, die | |
| ab Montag in Bremen ankommen, sollen nun verteilt werden. Diejenigen, die | |
| schon länger in der Stadt lebten, seien nicht betroffen. | |
| Dass Bremen besonders viele Kinder aufgenommen hat, solle dabei | |
| „vorübergehend angerechnet“ werden, sagt Bernd Schneider, der Sprecher des | |
| Sozialressorts. Auf dem Weg in ihr neues Zuhause sollen die Kinder dann | |
| begleitet werden, allerdings nicht unbedingt von einer ausgebildeten | |
| Fachkraft, sagt Schneider. Die Person müsse „dafür geeignet“ sein. | |
| Landen würden die Bremer Kids dann wohl überwiegend in Niedersachsen – laut | |
| Gesetz sollen sie ins nächste Land verteilt werden, das seine Aufnahmequote | |
| noch nicht erfüllt hat. Bis Ende Mai seien in Niedersachsen rund 670 | |
| Flüchtlingskinder aufgenommen worden, heißt es aus dem Sozialministerium. | |
| Derzeit laufe eine Abfrage bei den Kommunen zu genaueren Zahlen. | |
| Von den Trägern äußern einige ihre Zweifel, dass alle Kommunen der neuen | |
| Aufgabe gewachsen seien. Heiner Dirks, Geschäftsführer der Evangelischen | |
| Jugendhilfe Osnabrück sagte etwa dem NDR: „In den Regionen, wo kein | |
| Aufgreifen stattfand, erleben sie jetzt zum ersten Mal, dass sie sich mit | |
| dem Thema auseinandersetzen müssen.“ Aus seiner Sicht fehlt es vor allem an | |
| Unterkünften, Personal und Infrastruktur, wie geeigneten Schulen. Ähnlich | |
| äußerte sich der „Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtling… | |
| (B-UMF): In kurzer Zeit müssten Fachkräfte eingestellt, Jugendwohngruppen | |
| eröffnet, Schulplätze geschaffen und DolmetscherInnen gefunden werden. | |
| Länder und Kommunen hätten seit dem Gesetzesbeschluss dafür zu wenig Zeit | |
| gehabt. | |
| Aus dem niedersächsischen Sozialministerium hieß es dazu, es sei „eine | |
| große Herausforderung“, genügend Betreuungsplätze für die unbegleiteten | |
| minderjährigen Flüchtlinge zu schaffen. „In den Jugendämtern wird auf | |
| Hochtouren gearbeitet“, erklärte Ministeriumssprecherin Heinke Traeger. | |
| Mehrere Jugendämter könnten „gemeinsam auf freiwilliger Basis | |
| Kompetenzzentren bilden“, Kommunen, die bislang wenig Erfahrungen gesammelt | |
| hätten, könnten sich „Rat und Unterstützung“ von anderen holen. „Das | |
| Kindeswohl muss gesichert werden, das ist das entscheidende Ziel“, sagt | |
| Traeger. | |
| Aus Schleswig-Holstein dagegen kommen deutlichere Worte: Man erwarte bis | |
| Ende des Jahres die Ankunft von 2.500 minderjährigen Flüchtlingen. | |
| „Angesichts der Dimension werden wir für eine befristete Übergangszeit für | |
| diese Gruppe eine Abweichung von den geltenden Standards schwer vermeiden | |
| können“, kündigte Sozialministerin Alheit an. | |
| Das ist auch in Neumünster zu beobachten. Der Träger der Einrichtung, die | |
| Jugendwohlfahrt, beschäftigt vier Fachkräfte weniger als vorgeschrieben, um | |
| die insgesamt 56 Jugendlichen zu betreuen. Dabei soll das Haus in | |
| Neumünster ein Modellprojekt für weitere Stellen zur vorläufigen | |
| Inobhutnahme sein, etwa in Lübeck, Kiel und im Kreis Segeberg. | |
| Neben den 16 Fachkräften sollen auch fremdsprachige Mitarbeiter eingestellt | |
| werden, etwa um Deutsch zu unterrichten, sagt Volker Rüge, Leiter der | |
| Jugendwohlfahrt in Neumünster. „Wir arbeiten aber an einem tagesfüllenden | |
| Programm“, sagt Rüge. Dabei setzt die Jugendwohlfahrt hauptsächlich auf | |
| ehrenamtliche Helfer, denn: „Das pädagogische Budget dafür ist klein“, sa… | |
| Rüge. | |
| 2 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Albert Wenzel | |
| Jean-Philipp Baeck | |
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