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# taz.de -- Altersfeststellung bei Flüchtlingen: Bremen soll Schwänze verglei…
> Bei der Altersfeststellung minderjähriger Flüchtlinge hielt sich Bremen
> mit Röntgen bislang zurück. Das könnte nun anders werden.
Bild: Nun auch in Bremen im Gespräch: Röntgenaufnahmen zur Altersfeststellung…
BREMEN taz | Bei der Feststellung des Alters von heranwachsenden
Flüchtlingen soll Bremen rigoroser werden. Das geht aus einem Beschluss des
Verwaltungsgerichts Bremen von Ende Juli hervor, der jetzt bekannt wurde.
In dem verhandelten Fall hatte ein junger Flüchtling aus Guinea versichert,
erst 16 Jahre alt zu sein. Von zwei MitarbeiterInnen des Jugendamtes war er
allerdings in Augenschein genommen und für volljährig erklärt worden. Die
Inobhutnahme sollte er sofort verlassen. Dagegen hatte er geklagt.
Zu Recht, befand das Gericht – und stellt gleichzeitig Bremens Verfahren
zur Altersfeststellung in Frage. Das Land hat bislang darauf verzichtet,
Flüchtlinge zu röntgen und ihre Zähne oder ihre Genitalien zu vermessen –
so, wie es unter anderem in Hamburg üblich ist (siehe Kasten). In Bremen
obliegt es MitarbeiterInnen des Jugendamtes, anhand eines Gespräches sowie
körperlicher Merkmale wie Bartwuchs, Körperbau, Gesichtszüge, Halsfalten
oder Ausprägung des Kehlkopfes das Alter zu bestimmen.
Relevant ist das Alter, weil minderjährige Flüchtlinge besondere Betreuung
und umfassenderen Schutz genießen: Sie werden vom Jugendamt in Obhut
genommen und können nicht einfach abgeschoben werden. Und: Solange sie
unter 18 sind, dürfen sie bislang nicht auf andere Kommunen umverteilt
werden.
## Nach Altersschätzung weggeschickt
In Bremen kamen laut Sozialressort in der ersten Jahreshälfte 701
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an, insgesamt rechnet die Behörde
2015 mit 1.980 jungen Flüchtlingen. 2014 seien es noch 495
Flüchtlingskinder gewesen. Für Kindeswohl-orientierte Großzügigkeit scheint
das Bremer Jugendamt da keine Ressourcen zu haben: Wer über 18 geschätzt
wird, soll die Inobhutnahme sofort verlassen – im Fall des jungen
Flüchtlings aus Guinea war das der Fall, obwohl aus einen Auszug aus dem
Personenstandsregister in Guinea hervorging, dass er 16 Jahre alt sei.
Manche Flüchtlinge werden schon zwei Tage nach der Altersschätzung in eine
andere Stadt geschickt – obwohl diese rechtlich angefochten werden kann.
„Wir handhaben es so, dass ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung
hat“, erklärt Sozialressort-Sprecher David Lukaßen. „Es sind ja keine
Zehn-, Zwölf- oder 13-Jährigen.“
Doch auch unter 18-Jährige sind laut UN-Konvention noch Kinder und für all
das, so heißt es nun in dem Gerichtsbeschluss, stelle „eine
Alterseinschätzung allein aufgrund [...] äußerlicher körperlicher Merkmale
[...] keine ausreichende Grundlage dar“. Für eine „zuverlässige
Altersdiagnostik“ müssten „die Ergebnisse der körperlichen Untersuchung,
gegebenenfalls auch einer Röntgenuntersuchung, sowie einer zahnärztlichen
Untersuchung zusammengeführt werden“.
Von der Bremer Ärztekammer wurde diese Methode allerdings bereits deutlich
abgelehnt: Auch mit einer Röntgen-Untersuchung lasse sich das Alter nicht
genau bestimmen, sagte Kinderchirurgin und Kammer-Präsidentin Heidrun
Gitter dem [1][Weser Kurier.] Das Verfahren sei zu unpräzise, um Menschen
dafür mit Strahlen zu belasten. Auch Zahnuntersuchungen sind laut Experten
nicht genauer.
## Kriterium „sexuelle Reifezeichen“
Bliebe noch die „körperliche Untersuchung“, die das Verwaltungsgericht als
Alternative erwähnt: In die Beurteilung einfließen könnten dazu
„anthropometrische Maße“, „altersrelevante Entwicklungsstörungen“ sow…
„sexuellen Reifezeichen“ – also Hamburgs berühmter Schwanzvergleich. Von
der Linkspartei aber auch aus der SPD-Fraktion in Bremen wurde bereits
signalisiert, dass sie das als zu ungenau ablehnen.
Für Anna Schröder von der Flüchtlingsinitiative Bremen ist es ohnehin
falsch, sich über die genaue Methode zu streiten: „Das Problem ist das
rigorose Asyl-System, in dem es einen Riesen-Unterschied macht, ob man 17,9
Jahre alt ist oder 18,1“. Sie wirft dem Jugendamt vor, das Alter auch bei
Flüchtlingen mit Papieren anzuzweifeln. „Das Jugendamt hält teilweise
Geburtsurkunden nicht für ausreichend, die Ausländerbehörde hingegen
schon.“ Jugendlichen würden Steine in den Weg gelegt, damit sie gegen die
Altersfeststellung keinen Widerspruch einlegen.
Sozialressortsprecher Lukaßen weist die Vorwürfe zurück. Die Flüchtlinge
auf dem Weg der Altersfeststellung möglichst schnell loszuwerden, sei
„nicht Linie des Sozialressorts“. Im Zweifel gelte das jüngere Alter. Man
werde den Gerichtsbeschluss nun auswerten. Bremen habe einst „bewusst einen
anderen Weg“ gewählt und vom Röntgen Abstand genommen, so Lukaßen.
18 Aug 2015
## LINKS
[1] http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-politik-wirtschaft_artikel,-Streit…
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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