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# taz.de -- Altersbestimmung bei Flüchtlingen: Schwanz bleibt Schwanz
> Genitaluntersuchungen sollen in Hamburg weiter zur Altersbestimmung
> jugendlicher Flüchtlinge gehören. Rot-Grün will das nicht ändern.
Bild: Auch dieser Steinzeit-Dildo sagt nichts darüber aus, wie lang ein Penis …
HAMBURG taz | Auf junge Flüchtlinge will Hamburg auch weiterhin ein
besonderes Auge werfen. Die rot-grüne Koalition wird am morgigen Donnerstag
in der Bürgerschaft einen Antrag der FDP ablehnen, den Jugendlichen oder
jungen Erwachsenen nicht mehr auf Brüste und Penis zu starren.
Diese Untersuchungen in der Rechtsmedizin der Uniklinik Eppendorf (UKE)
seien „keine zwangsweisen körperlichen Untersuchungen“, erklärt Melanie
Leonhard, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion. Wer sie
verweigere, habe keine Nachteile zu befürchten. Zudem falle „diese zentrale
Untersuchung im Zweifel immer zu Gunsten der Jugendlichen aus“, beteuert
der grüne Fraktionschef Anjes Tjarks.
Um das Alter von jugendlichen Flüchtlingen zu ermitteln, setzt die Stadt
das gesamte Arsenal an Medizintechnik im UKE ein: Aufnahmen der
Kieferknochen, Röntgenbilder von Handskelett und Schlüsselbein und gern
noch eine Computertomographie obendrauf, auch der geschulte Blick dürfe
nicht fehlen, hatte der Senat vor zwei Monaten auf eine Anfrage der
Bürgerschaftsabgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) geantwortet.
## „Hochnotpeinlich“
„Es erfolgt eine Inaugenscheinnahme der bezüglich einer Abschätzung des
Entwicklungs- bzw. Reifezustandes maßgeblichen Partien der
Körperoberfläche, insbesondere bei männlichen Probanden der Gesichtsregion
und der Achselhöhlen sowie der Genitalregion.
Bei weiblichen Probanden erfolgt eine Inspektion des Entwicklungszustandes
der Brustdrüsen“, so die detailfreudige Senatsauskunft, über die Dutschke
gar nicht erfreut war. Sie hält die „hochnotpeinliche Intimuntersuchung für
unwürdig“.
Laut Senat ist die Teilnahme an der ärztlichen Untersuchung zwar
„freiwillig“. Werde sie jedoch verweigert, „wird die Inobhutnahme beendet…
Wer sich verweigert, wird eben für volljährig erklärt. Sehr kritisch sieht
Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Hamburger Ärztekammer, das
Verfahren: „Auch bei Untersuchungen der Geschlechtsmerkmale muss die
Privatsphäre gewahrt bleiben. Dass Jugendliche in die Gruppe der
Erwachsenen eingeteilt werden, wenn sie an der Untersuchung nicht
mitwirken, konterkariert die vorgebliche ‚Freiwilligkeit‘ und ist weder
menschlich noch medizinisch gerechtfertigt.“
## SPD beharrt auf Nacktscan
Deshalb fordern die Liberalen in ihrem aktuellen Antrag, die Privatsphäre
der Betroffenen strikt zu achten und „auf die Praxis der
Genitaluntersuchung zum Zweck der Altersschätzung zu verzichten“. Da aber
machen SPD und Grüne nicht mit. Das Verfahren habe sich bewährt, „das Wohl
der Kinder und Jugendlichen steht an erster Stelle“, versichert Tjarks.
Und fügt nun hinzu: „Keine Inobhutnahme wird beendet, weil der Jugendliche
die Untersuchung ablehnt.“ Das bestätigt auch Leonhard: „Es hat keine
nachteiligen Konsequenzen.“ Dieses „Agreement aller beteiligten politischen
und behördlichen Stellen“, so Leonhard, wäre immerhin ein Fortschritt
gegenüber der Senatsauskunft von Ende Juni.
Intern hat es in der rot-grünen Koalition wegen dieses Themas gewaltig
geknirscht. Denn viele Grüne sehen das Verfahren äußerst kritisch und
möchten es beenden. Damit aber konnten sie sich gegen ihren großen Partner
nicht durchsetzen. Die SPD-Fraktion und nicht zuletzt die in
Flüchtlingsfragen federführenden Behörden Inneres, zu der die
Ausländerbehörde gehört, und Soziales beharrten auf dem Nacktscan.
Es gehe jetzt „um eine pragmatische Lösung“, sagt deshalb die grüne
Innenpolitikerin Antje Möller – und kündigt zugleich weiteren
Gesprächsbedarf an: „Die grundsätzliche Diskussion über das Verfahren ist
davon unberührt und wird fortgesetzt.“
Darauf zählt auch die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion,
Christiane Schneider. Die Linke werde dem FDP-Antrag zustimmen, weil dieser
ein Schritt in die richtige Richtung sei. „Aber bei nächster Gelegenheit
werden wir das Thema wieder auf die Tagesordnung heben“, sagt Schneider:
„Das Verfahren muss beendet werden.“
2 Sep 2015
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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