# taz.de -- Altersfeststellung: Hamburg bleibt hart | |
> Wegen Genitaluntersuchungen an Flüchtlingen hagelt es Kritik von vielen | |
> Seiten. Die Sozialbehörde zeigt sich davon unbeeindruckt. | |
Bild: Aller Kritik zum Trotz: Hamburg will weiter auf Genitalien schauen. | |
Weil man ihnen ihre Angaben nicht abnimmt, wird unbegleiteten | |
minderjährigen Flüchtlingen bei der Altersfeststellung in Hamburg weiter | |
munter auf den Phallus geschaut. Nachdem die taz von dieser Praxis | |
berichtete, hatte sich in anderen Medien großer Widerstand geregt. | |
Zudem sprach sich die Ärztekammer gegen die Praxis aus und auch in Berlin | |
wurde man hellhörig: Norbert Müller, kinder- und jugendpolitischer Sprecher | |
der Linksfraktion im Bundestag, sprach von einer „sexuell entwürdigenden | |
staatlichen Maßnahme“. Er forderte den Hamburger Senat auf, „diese | |
Genitaluntersuchungen von Kindern umgehend einzustellen“. | |
Die Hamburger Sozialbehörde zeigt sich trotz aller Kritik unbeeindruckt und | |
kündigt an, an ihrem Vorgehen festzuhalten. Der Kinder- und Jugendnotdienst | |
(KJND) soll weiter im Gespräch mit den jungen Flüchtlingen prüfen, ob deren | |
Aussagen, sie seien minderjährig, von den Behörden anerkannt werden. | |
Falls der KJND daranzweifelt, kann er die Betroffenen weiterhin für | |
volljährig erklären. Oder in von ihnen als unklar bewerteten Fällen die | |
Rechtsmedizin am UKE einschalten. | |
Wenn die Jugendlichen die dortige Untersuchung ablehnen, werden sie jedoch | |
automatisch für volljährig erklärt. Diese, vom Sprecher der Sozialbehörde | |
Marcel Schweitzer als „freiwillig“ bezeichnete Untersuchung, beinhaltet | |
auch weiterhin Röntgenaufnahmen des Kieferknochens, des Handskeletts sowie | |
in besonderen Fällen auch des Schlüsselbeins. Zudem erfolgt eine | |
Untersuchung der Genitalregion. | |
Laut Schweitzer werde im Nachhinein immer das niedrigste anzunehmende Alter | |
gewertet. Er vertraut auf die „wissenschaftlich fundierte“ Arbeit der | |
Rechtsmedizin unter der Leitung von Klaus Püschel. Die Bundesärztekammer | |
sieht das allerdings anders. | |
Sie rät „von einer Beteiligung von ÄrztInnen bei der Feststellung des | |
Alters in aller Entschiedenheit ab“. Abgesehen von der „zu wahrenden | |
Privatsphäre“ befindet sie Röntgenuntersuchungen aufgrund der | |
Strahlenbelastung für „potenziell gefährlich“ sowie „medizinisch höchst | |
umstritten“. | |
Scharfe Kritik an der Praxis des Senats übt auch Christiane Schneider von | |
der Hamburger Linksfraktion. Sie nennt das Vorgehen eine | |
„Zwangsuntersuchung“. Dass diese „unwürdige Behandlung“ weiter fortges… | |
wird, hält sie für „unerträglich“. | |
Doch selbst wenn Minderjährige als solche anerkannt und in Obhut genommen | |
werden, bedeutet das noch lange nicht ein Ende der Strapazen auf dem Weg | |
ins sichere Norddeutschland. Denn die Situation ihrer Unterbringung in | |
Hamburg spitzt sich weiter zu. | |
Laut Schweitzer müssten für ihre Erstunterbringung immer größere | |
Einrichtungen gefunden werden, da die Kapazitäten der verschiedenen Kinder- | |
und Jugendhilfen nicht mehr ausreichten. Außerdem fehle es an | |
Sozialpädagogen. | |
Um dieses Problem in Hamburg in den Griff zu bekommen, hofft die | |
Sozialbehörde auf ein neues Bundesgesetz, in dem unter anderem eine | |
gerechtere Umverteilung der ankommenden Minderjährigen auf andere Kommunen | |
mit mehr Kapazitäten beschlossen werden soll. | |
1 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Kristof Botka | |
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