| # taz.de -- Wachstum und Klimakrise: Illusion grünes Wachstum | |
| > Ökoenergie wird nicht reichen, um unser Wirtschaftsmodell zu erhalten. | |
| > Verschwendung ist keine Option mehr. Eine Entgegnung auf Malte | |
| > Kreutzfeldt. | |
| Bild: Im Baukasten einer grüner Welt | |
| Die Energiewende ist angeblich ganz einfach. Man muss nur E-Autos | |
| bestellen, die Häuser dämmen und Wärmepumpen einbauen – und schon ist das | |
| Klima gerettet. So sieht es jedenfalls sinngemäß unser ehemaliger | |
| taz-Kollege Malte Kreutzfeldt, der daher glaubt, dass [1][das „grüne | |
| Wachstum“ eine reale Option sei] (taz vom 11. 11. 22). | |
| Natürlich wäre es schön, wenn wir unser Leben nicht ändern müssten, sofern | |
| wir nur genug Windräder und Solarpaneele installieren. Doch leider ist es | |
| eine Illusion, dass der Ökostrom reichen könnte, um ewiges Wachstum zu | |
| befeuern. | |
| Indirekt gibt Malte sogar selbst zu, dass er einem Traum anhängt. Denn es | |
| fällt auf, dass große Teile der Wirtschaft bei ihm fehlen. Er schreibt über | |
| E-Autos, aber nicht über Lkws, Schiffe oder Flugzeuge, die mit Batterien | |
| nicht zu betreiben sind. Sie würden synthetische Kraftstoffe benötigen, die | |
| nur mit enormen Mengen an Ökostrom herzustellen sind. Malte freut sich über | |
| Wärmepumpen, verschweigt aber, dass Neubauten künftig unterbleiben müssen, | |
| weil sie Flächen versiegeln und Zement große Mengen an Treibhausgasen | |
| erzeugt. | |
| Auch zur Industrie sagt Malte nichts, als würden Waren ohne Energie | |
| entstehen. Nur die Stahl- und Chemiebranchen streift er kurz, ohne jedoch | |
| näher auszuführen, wie immens der Bedarf an Öko-Energie wäre: Allein die | |
| Chemieindustrie würde 685 Terawattstunden Strom im Jahr benötigen, wenn sie | |
| klimaneutral produzieren soll. Das ist weit mehr, als heute ganz | |
| Deutschland an Strom verbraucht. | |
| Malte tut so, als würde die Wirtschaft nur aus Konsumenten bestehen, die | |
| sich Wärmepumpen und E-Autos anschaffen. Aber selbst dabei vereinfacht er. | |
| E-Autos tanken ja nicht einfach Strom, sondern benötigen große Batterien, | |
| die wiederum Energie und Rohstoffe fressen. E-Autos sind zwar | |
| klimaneutraler als Diesel- oder Benzinmotoren – [2][aber nicht | |
| klimaneutral]. | |
| Beim Tunnelblick auf die Antriebsarten wird übersehen, [3][wie ineffizient | |
| Autos grundsätzlich sind]. Auch E-Autos wiegen ein bis zwei Tonnen und | |
| befördern im Durchschnitt nur 1,3 Insassen. Diese Verschwendung wird nicht | |
| möglich sein, wenn nur noch Öko-Energie zur Verfügung steht. Alle | |
| Klimastudien sind sich daher einig, dass die Zahl der Autos sinken muss. | |
| Während heute fast 50 Millionen Pkws durch die Bundesrepublik kurven, | |
| sollen es künftig maximal 30 Millionen sein. Dies wäre nicht das Ende der | |
| Mobilität. Man kann ja auch Bus fahren – oder sich ein Auto teilen. | |
| Aber es wäre nicht mehr „grünes Wachstum“, sondern „grünes Schrumpfen�… | |
| wenn die Pkw-Flotte um 40 Prozent abnehmen soll. Viele Beschäftigte würden | |
| ihren Arbeitsplatz verlieren, denn derzeit sind hierzulande etwa 1,75 | |
| Millionen direkt oder indirekt für die Automobilindustrie tätig. Man kann | |
| die Frage auch anders stellen: Was soll aus Baden-Württemberg werden? | |
| ## Nicht nur Wärmepumpen und E-Autos | |
| Natürlich entstehen neue Arbeitsplätze, wenn die Wirtschaft klimaneutral | |
| werden soll. Windräder installieren sich nicht von selbst, und auch die | |
| ökologische Landwirtschaft benötigt mehr Menschen als der heutige | |
| industrielle Anbau, der mit seinen Riesenmaschinen den Boden zerstört. Aber | |
| diesen Gesamtumbau der Wirtschaft darf man nicht trivialisieren, indem man | |
| sich nur auf E-Autos und Wärmepumpen konzentriert. | |
| Die Energiewende wird zudem erschwert, weil der Solarstrom im Winter | |
| weitgehend ausfällt. Auch beim Wind kann es zu Flauten kommen. Ein Blackout | |
| muss jedoch unbedingt vermieden werden: Eine Stunde Stromausfall kostet die | |
| deutsche Wirtschaft derzeit eine Milliarde Euro. | |
| Die Energiewende kann daher nur funktionieren, [4][wenn gigantische Mengen | |
| an Strom gespeichert werden, um im Winter und bei Flauten zur Verfügung zu | |
| stehen]. Auch dieses Thema kommt bei Malte nur am Rande vor. Lapidar stellt | |
| er fest, dass Batterien billiger werden. Aber das macht sie noch nicht | |
| billig. IT-Milliardär Bill Gates hat kürzlich vorgerechnet, wie viele | |
| Speicher nötig wären, um Tokio auch nur drei Tage lang mit Energie zu | |
| versorgen: „Es wären über 14 Millionen Batterien. Das ist mehr | |
| Speicherkapazität, als die ganze Welt in einem Jahrzehnt herstellt. | |
| Kaufpreis: 400 Milliarden Dollar … Und das wären nur die | |
| Anschaffungskosten. Andere Ausgaben wie Installierung und Wartung wären | |
| noch gar nicht eingerechnet.“ | |
| Zudem eignen sich Batterien nur, um kurzfristige Engpässe zu überbrücken. | |
| Die saisonalen Unterschiede zwischen Sommer und Winter lassen sich damit | |
| nicht ausgleichen. Daher wird an „grünem Wasserstoff“ geforscht, der im | |
| Sommer aus überschüssigem Solarstrom entstehen soll. Technisch ist | |
| Elektrolyse möglich, aber noch sehr teuer. Zudem geht unterwegs sehr viel | |
| Energie verloren, weil die Wirkungsgrade beim Wasserstoff so niedrig sind. | |
| ## Die Energiewende wird teuer | |
| Die Energiewende wird also teuer, nicht billig. Um dieses Argument zu | |
| entkräften, stellt Malte fest, dass auch die fossilen Energien einen | |
| „plötzlichen Preisanstieg“ zu verzeichnen hätten. Es stimmt, dass der | |
| Ukrainekrieg vor allem das Gas verteuert hat. Trotzdem wäre es ein | |
| Fehlschluss zu glauben, dass die Energiewende damit „wirtschaftlicher“ | |
| würde. So seltsam es klingen mag: teuer ist nicht gleich teuer. | |
| Es ist zwar richtig, dass Gas derzeit zu deutlich überhöhten Preisen | |
| gehandelt wird – aber an den eigentlichen Kosten für Förderung und | |
| Transport hat sich fast nichts geändert. Es wird vor allem das Einkommen | |
| neu verteilt. Gaskunden müssen jetzt mehr zahlen, während Gaslieferanten | |
| profitieren. Für die Gaskunden ist das sehr ärgerlich, aber der | |
| Kapitalismus wird davon nicht erschüttert. | |
| Das ist bei der Klimawende völlig anders. Sie verursacht reale Kosten, die | |
| zudem sehr hoch sind, weil eine völlig neue und sehr aufwändige | |
| Infrastruktur entstehen muss. Ökostrom wird daher knapp bleiben, was | |
| „grünes Wachstum“ zur Illusion macht. Grüne Energie ist nicht | |
| „wirtschaftlich“, sondern die einzige Chance, um auf diesem Planeten zu | |
| überleben. | |
| 15 Nov 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Klimaschutz-und-Kapitalismus/!5889299 | |
| [2] https://www.swr3.de/aktuell/fake-news-check/faktencheck-sind-e-autos-doch-k… | |
| [3] /Aktivierung-der-zweiten-Gas-Warnstufe/!5859797 | |
| [4] /Podcast-Bundestalk/!5892766 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
| ## TAGS | |
| IG | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| GNS | |
| Wachstumszwang | |
| Grüner Kapitalismus | |
| Erderwärmung | |
| Erderwärmung | |
| Grünes Wachstum | |
| Entwicklungszusammenarbeit | |
| Grünes Wachstum | |
| Statistik | |
| IG | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Erneuerbare Energien | |
| Schleswig-Holstein | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Indien | |
| Ampel-Koalition | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Wachstum und Klimakrise: Kreislaufwirtschaft im Wald | |
| Eine die Umwelt verschonende Technik gibt es nicht. Einzig die Fotosynthese | |
| der Pflanzen schafft ein komplexes Ökosystem ohne jede Zerstörung. | |
| Erderwärmung und Wachstum: Beim Konsum ansetzen | |
| Grünes Wachstum bleibt eine Illusion – zumindest solange die dafür | |
| notwendige Technologie fehlt. Trotzdem ist Handeln auch jetzt schon | |
| möglich. | |
| Öko-Energie zu teuer: Grünes Schrumpfen ist angesagt | |
| Eine neue Studie weist nach, dass „grünes Wachstum“ eine Illusion ist. Denn | |
| Öko-Energie, die unsere Technik antreibt, hat schlicht zu hohe Kosten. | |
| Umgang mit afrikanischen Staaten: Grün gefärbte Einflussnahme | |
| Es gibt die Annahme, dass Arme nur in die moderne Weltwirtschaft integriert | |
| werden müssten, dann werde alles gut. Als ob sie das nicht längst seien. | |
| Politischer Diskurs: Bremsklotz Grünenhass | |
| Der Blick nach vorn setzt den Abschied vom Gestern voraus, von überholten | |
| Strukturen und Klischees. Fortschritt ermöglichen vorbehaltlose Bündnisse. | |
| Deutsche Wirtschaft trotzt Krisen: Überraschend stark gewachsen | |
| Trotz Fachkräftemangel, Lieferengpässen und Inflation: Es gibt mehr Jobs, | |
| weniger Schulden und vor allem mehr Wachstum als gedacht. | |
| Klimaschutz und Wachstum: Party like it's 1978 | |
| Klimaschutz gelingt nur, wenn wir uns vom Wachstumsdenken verabschieden. | |
| „Grünes Schrumpfen“ wäre eine soziale Revolution. | |
| Grünes Wachstum: Der Schlüssel liegt im Süden | |
| Den Kapitalismus abschaffen oder grünes Wachstum fördern? Was wir Deutschen | |
| gegen die Klimakrise tun können. | |
| Alternative Antriebe: Denkmalschutz kontert Klimaschutz | |
| In Hamburg soll eine Tankstelle für grünen Wasserstoff abgerissen werden. | |
| Sie verträgt sich nicht mit dem Status der Speicherstadt als | |
| Unesco-Welterbe. | |
| Geplante Batteriefabrik in Dithmarschen: Northvolt droht der Saft auszugehen | |
| Ab 2025 sollte eine Fabrik des schwedischen Herstellers Northvolt in Heide | |
| Batterien für E-Autos bauen. Sie kommt wohl nicht so schnell wie erhofft. | |
| Greenpeace über Pläne der Autoindustrie: Mehr Verbrenner als Paris erlaubt | |
| Umweltschützer warnen vor Fehlinvestitionen. Verkaufsziele der | |
| Autoindustrie seien nicht mit internationalen Klimaschutzzielen vereinbar. | |
| Doku zum Klimawandel in Indien: Dichter Dunst | |
| Der Dokumentarfilm „Invisible Demons“ zeigt die Folgen des Klimawandels in | |
| Delhi. Regisseur Rahul Jain findet starke Bilder für das Leben im Extremen. | |
| Aktivistin Reemtsma über Klimaerwärmung: „Grünes Wachstum bleibt Illusion�… | |
| Auch mit den Grünen in einer Ampelkoalition könnte das 1,5-Grad-Ziel | |
| verfehlt werden, sagt FFF-Klimaaktivistin Carla Reemtsma. |