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# taz.de -- Wachstum und Klimakrise: Kreislaufwirtschaft im Wald
> Eine die Umwelt verschonende Technik gibt es nicht. Einzig die
> Fotosynthese der Pflanzen schafft ein komplexes Ökosystem ohne jede
> Zerstörung.
Bild: Aus thermodynamischer Sicht erhöht ein Wald die Komplexität oder die Vi…
Wir sind dabei, den einzigen bewohnbaren Planeten zu zerstören. Ein Grund
dafür ist, dass viele Menschen keine Ahnung von Thermodynamik haben und die
Bedeutung von „Entropie“ nicht verstehen. Das Prinzip der Entropie ist,
dass alles in kleinere und einfachere Teile zerfällt. Ein Fels wird durch
Erosion zu Sand, ein toter Baum wird durch Verwesung zu Wasser und
Kohlendioxid, ein altes Auto verwandelt sich zu einem Rosthaufen, und der
Staub in der Wohnung verteilt sich gleichmäßig.
Es sollte niemanden verwundern, dass [1][Mikroplastik] und gefährliche
Chemikalien heute in den abgelegensten Orten der Welt gefunden werden.
Leider wird Entropie häufig mit Unordnung übersetzt, was nicht korrekt ist.
Ein Urwald weist nämlich weniger Entropie auf als eine gut gepflegte
Parkanlage. Korrekterweise müssen wir Entropie mit Simplizität übersetzen,
und der zweite Hauptsatz in der Thermodynamik lautet dann, dass die
Komplexität eines Systems mit der Zeit abnimmt.
Das Maximum der Entropie erreichen wir, wenn Materie und Energie im
Universum möglichst gleichmäßig verteilt sind. Die Thermodynamik kennt
keine Ausnahmen. Wenn wir Energie nutzen, muss diese von irgendwoher
kommen. Es ist auch unmöglich, etwas Komplexes herzustellen, ohne
mindestens gleich viel Komplexität irgendwo anders zu vernichten. Die
[2][Herstellung eines Autos] oder eines Smartphones erfordert die
irreversible Zerstörung der Umwelt.
Dies ist weder eine politische Aussage noch ein technisch lösbares Problem,
sondern eine direkte Konsequenz der Thermodynamik. Menschen und Tiere
müssen mobil sein, da sie ihre Umwelt zerstören. Wenn eine Kuhherde ein
Gebiet abgegrast hat, wird sie weiterziehen, um frisches Gras zu finden.
Das Gleiche gilt für Jäger, die ihrer Beute folgen müssen. Nur Pflanzen
schaffen es, lange an einem Ort zu leben, ohne diesen zu zerstören.
Stattdessen wird der Boden eines Waldes mit der Zeit immer fruchtbarer. Wie
ist das möglich?
## Problem Industrialisierung
Wenn Sie an einem heißen Sommertag in einen Wald gehen, befinden Sie sich
in einer chemischen Fabrik, die allen menschlichen Erfindungen hoch
überlegen ist. Dies gelingt durch die Fotosynthese der Pflanzen: Ohne Lärm
und Abgase werden große Mengen Sonnenenergie eingefangen und genutzt, um
Zucker aus Kohlendioxid und Wasser herzustellen.
Ein komplexes Ökosystem entsteht, ohne dass irgendwo sonst auf der Erde
etwas zerstört werden müsste. [3][Die Kreislaufwirtschaft] ist vollständig
umgesetzt, weil als einziges Abfallprodukt Wärmestrahlung entsteht, die
problemlos ins Weltall abgegeben werden kann. Aus thermodynamischer Sicht
erhöht ein Wald die Komplexität oder die Vielfalt der Erde.
Was für Ökosysteme gilt, hat in der Vergangenheit auch für unseren Planeten
gegolten. Die fossilen Brennstoffe sind der Beweis dafür, dass die Erde
während Hunderter von Millionen Jahren Sonnenenergie absorbierte und
einlagerte, ohne sich dabei zu erwärmen. Stattdessen entstand ein grüner
Planet mit unglaublicher biologischer Vielfalt. Die Energie des Planeten
ist gestiegen, aber die Entropie gesunken.
Die Erde war einst ein vitaler Planet, was spätestens seit dem Anfang der
Industrialisierung nicht mehr gilt. Wir leben heute auf einem sterbenden
Planeten, der zwar immer noch viel Sonnenenergie absorbiert, aber die
Entropie nicht mehr loswerden kann und sich deshalb erwärmt. Bisher gibt es
keine von Menschen gemachte Technologie, die die Erde retten könnte. Eine
Technologie wäre nur nachhaltig, wenn sie die Entropie der Erde reduziert
oder zumindest nicht erhöht. Das kann nur die Fotosynthese.
## Den Planeten verstehen
Leider ist es den Menschen bisher nicht gelungen, die Pflanzen zu
imitieren. Aber nicht nur das Phänomen der Entropie wird nicht verstanden,
wenn es um die Klimakrise geht. Auch Widersprüche werden nicht gesehen. Um
unsere Gesellschaft zu dekarbonisieren, müssen wir die Fotovoltaik massiv
ausbauen. Gleichzeitig wird ernsthaft darüber diskutiert, die Erde durch
den Ausstoß von Schwefeldioxid in die Stratosphäre abzukühlen.
Dass dieser Schutz vor der Sonneneinstrahlung die Leistung sämtlicher
Sonnenkollektoren verschlechtern würde, wird gerne übersehen. Wollen wir
das Klimaproblem lösen, indem wir mehr oder weniger Sonnenenergie
absorbieren? Die wenigsten Politiker und Unternehmer haben verstanden, dass
es hier einen Interessenkonflikt gibt.
Es ist erstaunlich, dass wir immer noch keine wissenschaftliche Definition
der Nachhaltigkeit haben. Das Wissen haben wir, aber dieses Wissen würde
unser Wirtschaftssystem komplett auf den Kopf stellen. Wenn wir bei jedem
Produkt oder Prozess nicht nur den Energieverbrauch, sondern auch die
Entropieproduktion berücksichtigen würden, stellte sich schnell heraus,
dass es keine nachhaltigen Technologien gibt. Dann wäre offensichtlich,
dass die Klima- und Nachhaltigkeitskrisen nur durch ein Schrumpfen der
Wirtschaft lösbar sind.
Vor 400 Jahren wurde Galileo Galilei zu Hausarrest verurteilt, weil er die
Erde aus dem Zentrum des Universums vertrieben hat. Heute weigern wir uns
zu akzeptieren, dass der Mensch nicht die Krönung der Schöpfung darstellt.
Ohne intakte Ökosysteme kann die Menschheit nicht überleben, und wir haben
nur die Fotosynthese, um uns zu retten. Dies ist keine Behauptung einiger
Ökofundamentalisten, sondern eine direkte Konsequenz aus dem zweiten
Hauptsatz der Thermodynamik.
Wer sich für Raumfahrten begeistert, sollte zuerst den Planeten etwas
besser verstehen. Er oder sie würde dann einsehen, dass die Pflanzen den
Weltraum schon längst kolonisiert haben. Denn das Blattwerk eines Baumes
ist eine ausgeklügelte Antenne, die im permanenten Austausch mit dem
Weltall steht. Und ohne diesen Austausch gäbe es uns Menschen nicht.
27 Dec 2023
## LINKS
[1] /Mikroplastik-im-Boden/!5770071
[2] /Studie-zur-Oekobilanz/!5976000
[3] /Kreislaufwirtschaft-und-Klimakrise/!5830047
## AUTOREN
Henrik Nordborg
## TAGS
Erderwärmung
Degrowth
Klimaneutralität
Grünes Wachstum
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Postwachstum
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