| # taz.de -- Aktivierung der zweiten Gas-Warnstufe: Wir, die Energieverschwender | |
| > Wirtschaftsminister Habeck erklärt Erdgas zu einem knappen Gut. Nun rächt | |
| > sich, dass Kunden und Industrie nie ernsthaft Energie gespart haben. | |
| Bild: Nicht nur Gas, auch Kohle war immer billig: Steinkohle-Kraftwerk in Duisb… | |
| Wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck jetzt die „Alarmstufe“ des | |
| „Notfallplans Gas“ ausruft, ist das logisch und richtig. Russland drosselt | |
| den Gasfluss, die Speicher müssen gefüllt werden. Das heißt, dass Erdgas | |
| noch knapper, teurer und wertvoller wird. Putin verdient mehr Geld mit | |
| weniger Lieferung. Das ist sein strategischer Vorteil. | |
| Deutschland strategischer Nachteil ist, dass „Alarmstufe“ und „Notfallpla… | |
| beim Gas erst in der aktuellen Krise spruchreif werden. Wir haben uns nicht | |
| nur durch Verträge und Pipelines von den fossilen Brennstoffen abhängig | |
| gemacht, sondern vor allem in unserem Denken und Planen. Seit Jahrzehnten | |
| beruht der Erfolg auch der deutschen Wirtschaft auf billigem Gas und | |
| billiger Kohle. | |
| Deshalb haben wir es mit echtem und strategischem Energiesparen nie ernst | |
| gemeint. Das rächt sich nun. Spätestens nach der Ölkrise 1973 hätten wir | |
| für fossile Importe eine permanente „Alarmstufe“ ausrufen sollen – ein | |
| Jahrzehnt später mit Blick auf die beginnende Klimakrise auch für die | |
| heimische Kohle. Nichts davon geschah. | |
| Selbst heute ist Effizienz als ernsthafte Energiestrategie noch ein | |
| Fremdwort. Es gibt [1][eine PR-Kampagne der Bundesregierung] („80 Millionen | |
| gemeinsam für Energiewechsel“), aber der Fokus liegt woanders: Als die | |
| Krise begann, gab es keine große Debatte darüber, wie und wo der Verbrauch | |
| zu drosseln wäre. Es ging darum, die Nachfrage woanders zu stillen. | |
| Brennstoff aus der ganzen Welt, neue LNG-Terminals und [2][die | |
| Gespensterdebatte über AKW-Laufzeiten zeigen]: Jetzt wird hektisch | |
| reagiert, weil über Jahrzehnte nicht agiert wurde. | |
| ## Druck zur Sparsamkeit? Fehlanzeige | |
| Denn Öl, Gas und Kohle waren immer billig und wurden gemessen an der | |
| Kaufkraft immer billiger. Es gab keinen Druck zur Sparsamkeit. Im | |
| Gegenteil: Produkte wurden kurzlebiger und energiefressender, Transportwege | |
| länger, Autos immer dicker, Wohnungen immer größer. Mehr Effizienz wurde | |
| vom Mehrverbrauch aufgefressen: Je sparsamer die Motoren, desto größer die | |
| Autos und desto weiter die Fahrten. | |
| Alle Vorschläge, den Wohlstand mit einem Energieeinsatz um den „Faktor | |
| vier“ oder „Faktor zehn“ geringer zu garantieren, scheiterten an der | |
| Bequemlichkeit von Industrie und Kunden, an den Lobbyinteressen der | |
| Fossilen und an der Angst vor der Debatte, wie viel an materiellem | |
| Wohlstand genug ist. Und worauf man (huch!) verzichten könnte. | |
| „[3][Gas ist von nun an ein knappes Gut“], sagt Robert Habeck. Das stimmt | |
| und doch wieder nicht. Knapp hätte das Erdgas, das ähnlich klimaschädlich | |
| ist wie Kohle und autokratische Systeme finanziert, schon seit Jahrzehnten | |
| sein müssen. Und gut ist an diesem Stoff gar nichts. | |
| 23 Jun 2022 | |
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