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# taz.de -- Schiene, Straße, Schule: Wohin geht das ganze Geld?
> Der Bundestag hat das Grundgesetz geändert, damit der Staat höhere
> Ausgaben finanzieren kann. Und das in bislang ungekanntem Ausmaß.
Bild: Hoffentlich ein Bild der Vergangenheit: Wegen „Lebensgefahr“ gesperrt…
Der Bundestag hat das größte Finanzpaket in der Geschichte der
Bundesrepublik beschlossen und die Schuldenbremse teilweise gelockert.
Worum geht es da genau?
Der Bundestag hat [1][mit den Stimmen von Union, SPD und Grünen die
Schuldenbremse] für Verteidigungsausgaben faktisch abgeschafft. Ab
[2][einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) –] [3][das waren 2024
rund 43 Milliarden Euro] – fallen Ausgaben nicht unter die Schuldenbremse.
Damit müssen Ausgaben für das Militär künftig darüber hinaus nicht mehr nur
aus dem laufenden Haushalt finanziert werden.
Das gilt auch für Mittel für Nachrichtendienste, Zivil- und
Bevölkerungsschutz und die Unterstützung völkerrechtswidrig angegriffener
Staaten. Gleichzeitig hat der Bundestag grünes Licht gegeben für ein großes
kreditfinanziertes Investitionspaket mit einem Volumen von 500 Milliarden
Euro, das Union und SPD auf den Weg bringen wollen. Das Geld soll über
einen Zeitraum von 12 Jahren fließen.
Keine Schuldenbremse mehr für Militärausgaben – wofür soll das viele Geld
ausgegeben werden?
Was genau mit dem Geld angeschafft werden soll, ist unklar. Der Bedarf für
Militärgüter muss erst genau eruiert werden. Union, SPD und Grüne gehen
davon aus, dass sich mit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump die
Sicherheitslage grundlegend geändert habe und Deutschland künftig sehr viel
mehr Geld in Militärausgaben stecken müsse. Im vergangenen Jahr meldete die
Bundesregierung der Nato rund 90,6 Milliarden Euro. Das waren mehr als 2,1
Prozent des BIP. Bei 3 Prozent wären das mehr als 129 Milliarden Euro – pro
Jahr.
Das Geld kann zwar auch für Bevölkerungsschutz oder Hilfen für die Ukraine
ausgegeben werden, aber nicht für zivile Maßnahmen wie humanitäre Hilfe
oder Krisenbewältigungsmaßnahmen, kritisiert der Verband
entwicklungspolitischer und humanitärer Nichtregierungsorganisationen
(Venro). „Wir hätten uns ein deutlich stärkeres Signal für menschliche
Sicherheit erhofft“, sagt [4][Venro-Vorstandschef Michael Herbst]. „Frieden
sichern heißt mehr, als zurückschießen zu können.“
Und wie sieht das Infrastruktur-Paket aus?
Von den 500 Milliarden Euro sollen 100 Milliarden Euro an die Länder gehen
und 100 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Die
Länder bekommen außerdem mehr Spielraum, Kredite aufzunehmen. Das von den
Grünen in der Grundgesetzänderung durchgesetzte Wort „zusätzlich“ soll
gewährleisten, dass tatsächlich nur neue Projekte finanziert werden und
nicht ohnehin vorgesehene.
Darüber, was mit dem Geld genau geschieht, entscheidet der neue Bundestag.
Erklärter Wille von Union und SPD ist, mit den Mitteln die Infrastruktur
auf Vordermann zu bringen. So soll Geld in den Ausbau der Stromnetze
gesteckt werden. Das ist wichtig für den Ausbau der erneuerbaren Energien
und wird Verbraucher:innen entlasten. Denn bislang finanzieren die den
Netzausbau über Abgaben, die sie mit der Stromrechnung zahlen.
Überall sind Straßen kaputt, Schulen und Kliniken baufällig. Der Umbau von
Wirtschaft und Gesellschaft hin zur Klimaneutralität hat gerade erst
begonnen. Reicht das Geld für die Sanierung und die Dekarbonisierung des
Landes aus?
Mit 500 Milliarden Euro kann der Staat tatsächlich eine Menge bewirken.
Allerdings ist das Geld für einen Zeitraum von zwölf Jahren vorgesehen –
rund 41 Milliarden pro Jahr klingen nicht mehr ganz so wuchtig. Weil der
Staat über viele Jahre an vielen Stellen zu wenig Geld ausgegeben hat, ist
der Investitionsbedarf immens. Verschiedene Untersuchungen gehen von einem
Bedarf aus, der über 600 Milliarden Euro liegt, vor allem für den
Klimaschutz, das Modernisieren und Instandhalten von Gebäuden und
Verkehrswegen oder den Schutz vor extremen Wetterereignissen wie Stürmen
oder Starkregen.
Wenn so viel Geld locker gemacht wird, werden dann auch soziale Angebote
des Staates ausgebaut, etwa das kostenlose Schulessen oder mehr Bafög?
Nein. Die Kredite, die der Staat jetzt aufnehmen kann, sind ausdrücklich
nicht für sogenannte konsumtive Ausgaben gedacht, sondern nur für
Investitionen. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
(DIW), Marcel Fratzscher, fordert sogar einen „Fiskalrat“ für die
Kontrolle der Mittel. Dieser soll nach Fratzschers Vorstellungen dafür
sorgen, dass das Geld tatsächlich in Verteidigung und Infrastruktur und zum
Beispiel nicht in Sozialausgaben fließt.
Und nicht nur das. Es drohen Kürzungen. Das Finanzpaket eröffnet zwar mehr
Spielraum im Bundeshaushalt, aber nur sehr begrenzt. CDU-Chef Friedrich
Merz hat klar gemacht, dass er die öffentlichen Haushalte weiter unter
großem Druck sieht – auch wegen der steigenden Zinszahlungen. Er will alle
Sozialausgaben „auf den Prüfstand stellen“ – also Kürzungen prüfen. Im
Blick hat er vor allem das Bürgergeld, die Rente und Ausgaben für
Migrant:innen. Merz hat „schwere Gespräche“ mit der SPD angekündigt. Unkl…
ist, wie weit die Sozialdemokrat:innen mitgehen werden.
Der alte Bundestag hat das Infrastruktur-Paket auf den allerletzten Drücker
beschlossen. Ist die Idee so neu, dass es nicht anders geht?
Nein. Schon lange fordern Ökonom:innen ein Investitionsprogramm, um die
marode Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Denn es ist vielerorts zu
besichtigen: Über viele Jahre ist etwa zu wenig in Schul- und
Klinikgebäude, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, die
Modernisierung und Reparatur von Schienen, Straßen und Brücken investiert
worden.
Und nicht nur das: Deutschland hat sich ehrgeizige Klimaziele gesetzt. Aber
weder die Große Koalition unter Angela Merkel (CDU) noch die Ampel hat es
vermocht, dafür die nötigen Mittel bereitzustellen. Dabei ist die
angestrebte Klimaneutralität bis 2045, zu der sich auch SPD und Union in
ihrem Sondierungspapier für die aktuelle Regierungsbildung bekennen, nur
mit massiven öffentlichen Investitionen zu erreichen.
Die Grünen haben den Klimaschutz ins Paket verhandelt. Geht es jetzt voran?
Auf jeden Fall wird sehr viel mehr in den Klimaschutz investiert als
bislang vorgesehen. Die Grünen haben dem Paket nur unter der Bedingung
zugestimmt, dass innerhalb von zwölf Jahren 100 Milliarden Euro in den
Klimaschutz gesteckt werden. Dieses Geld soll in den Klima- und
Transformationsfonds fließen, mit dessen Mitteln unter anderem Projekte für
den klimagerechten Umbau der Wirtschaft finanziert werden.
Damit Deutschland bis 2045 klimaneutral werden kann, ist aber sehr viel
mehr Geld nötig, wie Studien zeigen. Der Expertenrat für Klimafragen geht
davon aus, dass die Finanzierungslücke bei einem mittleren bis hohen
zweistelligen Milliarden-Betrag im Jahr liegt. Im Finanzpaket ist jährlich
nur ein einstelliger Milliarden-Betrag für den Klima- und
Transformationsfonds vorgesehen. Allerdings: Auch von den übrigen
Investitionen wird voraussichtlich viel dem Klimaschutz dienen, etwa der
Ausbau der Stromnetze oder die Sanierung von Gebäuden.
Können Union und SPD mit dem Geld auch Quatsch finanzieren?
Ja, das kann passieren. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass auch
unsinnige Straßenbauprojekte und andere unökologische Vorhaben mit dem Geld
finanziert werden. Nicht alles, was als Klimaschutz bezeichnet wird, ist es
auch. Es ist durchaus möglich, dass Union und SPD die Mittel in Projekte
stecken, die von Klimaexpert:innen oder Aktivist:innen kritisch
gesehen werden, etwa die [5][Speicherung von CO2 ] oder die wenig Erfolg
versprechende Forschung zur Kernfusion. Denn über eine konkrete Verwendung
der Gelder sagen die Beschlüsse nichts. Deshalb ist es wichtig, dass
Opposition und Zivilgesellschaft die Investitionspläne eng und kritisch
begleiten.
Sind die vielen neuen Schulden nicht eine viel zu hohe Belastung für
künftige Generationen?
Den Nachkommenden eine kaputte Infrastruktur zu hinterlassen, ist keine
Alternative. Durch die Kredite wird die Zinsbelastung steigen. Aber das
kann sich Deutschland leisten. Im internationalen Vergleich ist die
deutsche Staatsverschuldung niedrig. Sie lag 2024 bei 63 Prozent des BIP,
in Frankreich bei 110 und in den USA bei 125 Prozent.
Trotzdem bleiben Schulden eine Belastung. Deshalb ist es wichtig, dass die
Regierung nach [6][weiteren Einnahmequellen sucht]. Das könnte eine
Vermögenssteuer sein. Würde sie wie in der Schweiz gestaltet, könnten die
Länder jährlich mehr als 70 Milliarden Euro einnehmen. Angesichts der
massiv steigenden Auftragsvergabe an Rüstungskonzerne ist die Einführung
einer Übergewinnsteuer angebracht. Damit kann der Staat Gewinne abschöpfen.
22 Mar 2025
## LINKS
[1] /Bundestagsentscheid-zum-Finanzpaket/!6073242
[2] /Sondervermoegen-fuer-Infrastruktur/!6072671
[3] /Sondervermoegen-fuer-Infrastruktur/!6072671
[4] /Laufende-Koalitionsverhandlungen/!6076885
[5] /Carbon-Capture-and-Storage-CCS/!5987082
[6] /Schuldenbremse-und-Sondervermoegen/!6072532
## AUTOREN
Anja Krüger
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