| # taz.de -- SPD-Spitzenkandidat über Wahl in Hamburg: „Im klassischen Sinne … | |
| > Peter Tschentscher bezeichnet seinen Landesverband als | |
| > „ursozialdemokratisch“. Einen Hamburger Mietendeckel würde es unter ihm | |
| > trotzdem nicht geben. | |
| Bild: Der Erste Bürgermeister Hamburgs: Peter Tschentscher | |
| taz: Herr Tschentscher, ist die Wahl in Hamburg bundespolitisch wichtig für | |
| die SPD? | |
| Peter Tschentscher: Landtagswahlen haben immer eine gewisse Bedeutung für | |
| den Bund, im Vordergrund steht aber jeweils die Landespolitik. Die SPD in | |
| Hamburg hat in den vergangenen neun Jahren gut gearbeitet. Was wir hier | |
| geschafft haben, wird in vielen Bereichen als Vorbild in Deutschland | |
| gesehen. Beim Wohnungsgipfel im Bundeskanzleramt war zum Beispiel unser | |
| Wohnungsbauprogramm der Maßstab, wie man es machen sollte. Wir haben nach | |
| über 90.000 Wohnungsbaugenehmigungen und nach der Fertigstellung von | |
| bereits über 50.000 Wohnungen nur noch eine Mietsteigerung von 1,3 Prozent, | |
| andere Städte haben 4 Prozent oder mehr. | |
| Was halten Sie vom Mietendeckel? | |
| Nichts. Wenn man Wohnungen braucht, muss man welche bauen. Ein Mietendeckel | |
| hilft da nicht. | |
| Was Ihre Genossen in Berlin tun, ist also falsch? | |
| Auch die Mietervereine und die Genossenschaften in Hamburg sagen, ein | |
| Mietendeckel wäre für Hamburg falsch. Gerade seriöse | |
| Wohnungsbauunternehmen, die die Mieten immer nur so stark erhöht haben, wie | |
| es für eine gute Verwaltung, Instandhaltung und Sanierung erforderlich ist, | |
| kommen dabei in Schwierigkeiten. Das richtet sich dann am Ende wieder gegen | |
| die Mieter, die bezahlbaren, aber auch guten Wohnraum benötigen. | |
| Berlin hat vor 20 Jahren massiv öffentliches Wohneigentum verkauft. Hamburg | |
| nicht. | |
| Diesen Fehler hat Hamburg nicht gemacht. Allerdings ist der öffentliche | |
| Wohnungsbau in den früheren Senaten von CDU und Grünen massiv | |
| zurückgefahren worden. Am Ende wurden gar keine städtischen Wohnungen mehr | |
| gebaut. Der Markt sollte damals alles regeln. Die öffentliche | |
| Wohnungsbauförderung wurde damals ebenfalls untergraben. Die SPD hat das | |
| korrigiert. Unter dem SPD-Senat hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft | |
| SAGA wieder begonnen, neue Wohnungen zu bauen. Mittlerweile sind es 2.000 | |
| neuen Wohnungen pro Jahr. | |
| Wenn die Bilanz der SPD so glänzend ist: Warum lag sie in Umfragen lange | |
| Zeit nur [1][knapp vor den Grünen]? | |
| Die Grünen haben wegen der Klimaschutzdebatte gerade in westdeutschen | |
| Metropolen großen Rückenwind. Und die bundesweite Stimmungslage für die SPD | |
| ist nicht gut. Wir müssen uns in Hamburg gegen diese beiden Trends | |
| behaupten. Das gelingt uns aber ganz gut. | |
| Tritt die neue SPD-Spitze deshalb nicht im Wahlkampf in Hamburg auf? Oder | |
| warum diese Distanzierung? | |
| Das ist keine Distanzierung. Wie auch 2011 und 2015 wollen wir uns im | |
| Wahlkampf auf Hamburger Themen konzentrieren. Franziska Giffey und Hubertus | |
| Heil treten bei uns auf, weil sie uns bei zentralen Themen wie | |
| frühkindlicher Bildung, Mindestlohn und höhere Tarifbindung unterstützen | |
| können. | |
| Der SPD-Vorsitzende Olaf Scholz wäre auch nicht in Hamburg aufgetreten? | |
| Nicht als SPD-Bundespolitiker. Wenn, dann als Hamburger. | |
| Können Sie sich, wie in Bremen, eine Regierung mit der Linkspartei | |
| vorstellen? | |
| Das ist weit weg. Die Linkspartei in Hamburg erklärt ausdrücklich, dass sie | |
| in der Opposition bleiben und nicht regieren will. | |
| Die Linkspartei sagt, dass die SPD kein Bündnis will... | |
| In zentralen Themen haben wir eben unterschiedliche Positionen. Die | |
| Linkspartei fordert einen Mietendeckel, den wir ablehnen. Sie fordert, mehr | |
| Wohnungen zu bauen, stimmt aber dann in konkreten Bauprojekten überall in | |
| der Stadt dagegen. | |
| Halten Sie die Linkspartei in Hamburg nicht für regierungsfähig? | |
| Protest und schlechte Laune sind jedenfalls kein Regierungskonzept. Man | |
| muss nicht nur politische Ziele haben, sondern auch vernünftige Wege | |
| aufzeigen, um diese zu erreichen. | |
| Sie sollen als Finanzsenator auf Forderung [2][in Höhe von 47 Millionen | |
| Euro] gegenüber der Warburg-Bank verzichtet haben. Dabei ging es um der | |
| Bank zu Unrecht erstattete Steuern aus sogenannten Cum-Ex-Geschäften. Was | |
| sagen Sie dazu? | |
| Ich sage klipp und klar: Die Hamburger Finanzämter ziehen alle | |
| Steuerschulden vollständig ein und machen alle Ansprüche im steuerlichen | |
| Verfahren geltend. Wie bereits vor zwei Jahren in einer öffentlichen | |
| Sitzung des Haushaltsausschuss dargestellt, ist es in komplizierten | |
| Cum-Ex-Fällen allerdings häufig schwierig zu beweisen beziehungsweise | |
| darzulegen, ob eine Forderung oder ein Anspruch tatsächlich besteht. Solche | |
| Entscheidungen müssen auch in einem gerichtlichen Verfahren Bestand haben, | |
| sonst drohen der Stadt große finanzielle Schäden durch | |
| Verzinsungsansprüche, Prozess- und Beraterkosten und möglicherweise | |
| Amtshaftungsansprüche. Ein Protokoll zu dieser Sitzung steht sogar im | |
| Internet. | |
| Die Linkspartei wollte 2019 per Anfrage wissen, ob sich Senatsmitglieder | |
| mit Vertretern der Warburg-Bank getroffen haben und über Steuern gesprochen | |
| haben. Die Senatskanzlei hat das verneint, Olaf Scholz inzwischen bejaht. | |
| Wie kann das sein? | |
| Die Anfrage der Linkspartei wurde im Sinne der Fragestellung korrekt | |
| beantwortet. In der Anfrage wird das Zusammenwirken von Finanzämtern, der | |
| Steuerverwaltung der Finanzbehörde und des Bundesfinanzministerium sowie | |
| das bereits im Haushaltsausschuss vor zwei Jahren dargestellte Vorgehen der | |
| Finanzämter bei Steuerprüfungen im Cum-Ex-Bereich thematisiert. Sofern es | |
| Gespräche oder Telefonkonferenzen in solchen steuerlichen Verfahren gibt, | |
| nehmen daran grundsätzlich keine Senatsmitglieder teil. Dies gilt auch für | |
| den früheren Bürgermeister Olaf Scholz. | |
| Die SPD ist im Bund in einer dramatischen Krise. Ist der Weg der dänischen | |
| Sozialdemokraten, die linke Sozialpolitik mit rechter Innenpolitik | |
| verbinden, eine Inspiration? | |
| Wir sind in Hamburg in bestimmten Politikfeldern im klassischen Sinne | |
| links. | |
| Inwiefern? | |
| Wir bieten zum Beispiel kostenlose Kita-Plätze und eine kostenlose | |
| Ganztagsbetreuung an allen Grundschulen und wir haben die Studiengebühren | |
| der CDU abgeschafft. Wir wollen beste Bildungs- und Lebenschancen für alle | |
| Kinder – unabhängig vom Einkommen und vom Bildungsstand der Eltern. Das ist | |
| ein ursozialdemokratisches Anliegen. | |
| Und das hat die SPD in Hamburg erreicht? | |
| Ja. Wir haben das als erstes Bundesland gegen den Widerstand der anderen | |
| Parteien durchgesetzt. Die kostenlose Ganztagsbetreuung an allen | |
| Grundschulen ist in Deutschland einmalig. Sie kommt allen Kindern zugute, | |
| unabhängig vom Einkommen und der Herkunft der Familie. In den Pisa-Studien | |
| sind wir im Ländervergleich vom Schlusslicht ins Mittelfeld aufgerückt, | |
| obwohl Stadtstaaten dort immer schlecht abschneiden. In einigen Fächern | |
| sind wir schon im oberen Drittel. Gute Bildung für alle, gute Chancen für | |
| alle – das ist ein wichtiges Ziel und im klassischen Sinne links. Aber es | |
| geht nicht nur um links und rechts. | |
| Sondern? | |
| Es gibt drei Themen, die eine überwältigende Mehrheit der Bürger wichtig | |
| findet. Ein sorgsamer Umgang mit Steuergeld. Deshalb haben wir unseren | |
| Haushalt saniert und verschulden uns nicht mehr zulasten kommender | |
| Generationen. Das zweite ist die Sauberkeit im öffentlichen Raum. Dafür | |
| haben wir 400 zusätzliche Kräfte bei der Stadtreinigung eingestellt. Und | |
| das dritte ist die Sicherheit. Das Risiko, Opfer eine Straftat zu werden, | |
| ist in Hamburg so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Polizei hat | |
| in Hamburg einen sehr guten Ruf. In jedem Stadtteil freuen sich die | |
| Menschen, wenn sie Polizisten sehen... | |
| ... in der Hafenstraße sieht man das etwas anders... | |
| ... Einzelne mögen das so sehen, eine große Mehrheit nicht. Auch dort sind | |
| Polizisten gern gesehen. Sicherheit und Sauberkeit sind keine Fragen von | |
| links oder rechts, sondern von Lebensqualität. | |
| 17 Feb 2020 | |
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