# taz.de -- Verjährte Cum-Ex-Millionen: Augen auf und durch | |
> Olaf Scholz und Peter Tschentscher müssen von den Steuertricks der | |
> Warburg-Bank gewusst haben. Die SPDler hätten eingreifen sollen. | |
Bild: Kaum zu glauben, dass sie nichts von der Verjährung wussten: Scholz und … | |
HAMBURG taz | Die Rechtfertigung der Hamburger Finanzbehörde bei einem | |
[1][möglichen Steuerklau durch die Warburg-Bank] führt in die Irre. Nach | |
Recherchen der taz hätte die Behörde durchaus vermeiden können, dass eine | |
Rückforderung über 47 Millionen Euro verjährte. Die Sache ist brisant, weil | |
sich der Verdacht politischer Einflussnahme aufdrängt und Hamburg an diesem | |
Sonntag eine neue Bürgerschaft wählt. | |
Den Hintergrund der Vorgänge bilden die Cum-Ex-Geschäfte, mit denen die | |
Finanzbranche allein dem deutschen Fiskus in den vergangenen 20 Jahren | |
schätzungsweise zehn Milliarden Euro stahl. Dabei wurden Aktien um den | |
Dividendenstichtag herum schnell zwischen mehreren Beteiligten gehandelt. | |
Ziel dabei war es, sich die dabei einmal gezahlte Kapitalertragssteuer | |
mehrfach erstatten zu lassen. | |
Solche Geschäfte sind zurzeit Gegenstand eines [2][großen Prozesses] am | |
Landgericht Bonn. Auch die Hamburger Warburg-Bank ist darin verwickelt. In | |
dem Strafverfahren gegen zwei Londoner Aktienhändler droht ihr die | |
Einziehung von Taterträgen. Darüber hinaus ist sie mit | |
Steuerrückforderungen der Finanzämter konfrontiert, was sich zu einem | |
dreistelligen Millionenbetrag summieren könnte. | |
47 Millionen Euro hat sich das Hamburger Finanzamt entgehen lassen, weil es | |
eine entsprechende Forderung nicht bis Ende 2016 geltend machte, sodass | |
diese verjährte. Zum Thema Verjährung teilte die Finanzbehörde der | |
Hamburgischen Bürgerschaft mit, die Steuerverwaltung prüfe sorgsam, ob es | |
möglich sei, eine Forderung durchzusetzen. | |
## Fragwürdige Argumentation | |
Dabei sei „sicherzustellen, dass die Entscheidung auch in einem | |
gerichtlichen Verfahren Bestand haben“ werde. Andernfalls drohe der Stadt | |
großer Schaden „durch den Fortfall der Steuereinnahmen, | |
Verzinsungsansprüche, Prozess- und Beraterkosten und möglicherweise | |
Amtshaftungsansprüche“. | |
Steuerexperten, die die taz gesprochen hat, halten diese Argumentation für | |
fragwürdig und womöglich vorgeschoben: Es sei durchaus gängig, dass | |
Finanzbehörden unklare Ansprüche zunächst einfach festsetzten, wenn | |
Verjährung drohe und dabei einen Einspruch des Steuerpflichtigen in Kauf | |
nähmen. Dann müsse der mutmaßliche Steuerschuldner zunächst nicht zahlen | |
und die Behörde habe ausreichend Zeit, den Fall zu prüfen. Das Kostenrisiko | |
würde in einem solchen „Rechtsbehelfsverfahren“ größtenteils vermieden. | |
Die Hamburger Behörde antwortete der taz mit allgemeinen Ausführungen: Sie | |
dürfe eine belastende Maßnahme wie den Erlass eines Steuerbescheids nur | |
ergreifen, wenn sie, „dies auf Basis eines belastbar ermittelten | |
Sachverhalts tut und von der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme überzeugt ist�… | |
Keinesfalls dürfe sie das in der Hoffnung tun, dass „die zu seiner | |
Begründung erforderlichen Sachkenntnisse in nächster Zukunft noch gefunden | |
bzw. hinreichend konkretisiert werden können“. | |
Das widerspreche der Praxis der Finanzämter, sagt ein Betriebsprüfer. | |
Verjährung sei ein Problem, mit dem sich die Finanzverwaltung besonders bei | |
komplizierten Fällen häufig konfrontiert sehe und dem sie begegne, indem | |
sie vorsichtshalber noch einen Bescheid verschicke. „Gerade die Gestaltung | |
von Cum-Ex beinhaltet jede Menge Sachverhalts- und rechtliche Fragen“, sagt | |
der Steuer-Fachmann. | |
## Sparsame Antworten | |
Mit Antworten ist die Finanzbehörde merkwürdig sparsam. Bezogen auf den | |
Einzelfall verweigert sie mit Blick auf das Steuergeheimnis die Auskunft. | |
Sie teilt aber auch nicht mit, in wie vielen Cum-Ex-Fällen ganz allgemein | |
sie von diesem Rechtsbehelfsverfahren Gebrauch gemacht habe. | |
Nach einer [3][Auskunft des Bundesfinanzministeriums] an die Grünen für die | |
Zuflussjahre 2006 bis 2011 wurde dieses Rechtsbehelfsverfahren bundesweit | |
in 25 Fällen angewandt. Hier lässt sich also durchaus von einem gängigen | |
Vorgehen sprechen. In Hamburg: Fragezeichen. | |
Angesichts der beträchtlichen Summe von 47 Millionen Euro ist anzunehmen, | |
dass die Entscheidung, die zur Verjährung führte, nicht von einem | |
Sachbearbeiter getroffen, sondern von oben abgesegnet wurde, möglicherweise | |
sogar vom Senator – und der war der heutige Bürgermeister Peter | |
Tschentscher. | |
Dazu kommt, dass die Hamburger SPD im Jahr darauf von mit Warburg | |
verbandelten Firmen mit Spenden bedacht wurde und sich der ehemalige | |
Warburg-Chef Christian Olearius 2017 mit dem damaligen Bürgermeister Olaf | |
Scholz in dessen Büro traf. Olearius notiert: „Dann berichte ich vom | |
Sachstand bei Finanzbehörde, Staatsanwaltschaft. Ich meine, sein | |
zurückhaltendes Verhalten so auslegen zu können, dass wir uns keine Sorgen | |
zu machen brauchen.“ Die Senatskanzlei stritt das Gespräch zunächst ab, | |
Scholz hat es inzwischen eingeräumt. | |
22 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Hat-Hamburg-Steuergeld-verschenkt/!5661281 | |
[2] /Erster-Prozess/!5619774 | |
[3] https://pdok.bundestag.de/index.php?qsafe=&aload=off&q=19%2F12692&a… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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