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# taz.de -- Hamburgs Bürgermeister über Optionen: „Rot-Grün ist naheliegen…
> Peter Tschentscher (SPD) kann sich ein Bündnis mit den Grünen vorstellen,
> wenn diese große Infrastrukturprojekte und den Hafenausbau mittragen.
Bild: Mit Olaf Scholz verglichen zu werden freut ihn: Tschentscher in der Elbph…
taz: Herr Tschentscher, warum sind Sie der bessere Bürgermeister?
Peter Tschentscher: Ich führe die Dinge zusammen und habe seit neun Jahren
Erfahrung in der Senatsarbeit. Wir haben die ganze Stadt im Blick. Ich
freue mich auch, dass meine Arbeit als Bürgermeister großen Zuspruch erhält
und ich in den Umfragen weit vor den anderen Spitzenkandidaten liege.
Wie Ihr Vorgänger legen Sie großen Wert auf gutes Regieren. Was heißt das
für Sie?
Dass man die richtigen Ziele verfolgt, konkrete Pläne macht und diese dann
auch so umsetzt, dass es funktioniert. Bürgerinnen und Bürger erwarten von
Senat und Verwaltung, dass man zum Beispiel keine Elbphilharmonie plant,
die ein Bauskandal wird, sondern dass man ein Projekt von vornherein so
steuert, dass es auch klappt.
Wie hat sich Ihr Leben dadurch geändert, dass Sie Erster Bürgermeister
geworden sind?
Auch vorher als Finanzsenator hatte ich gut zu tun und wenig Freizeit. Aber
als Erster Bürgermeister ist man eigentlich immer im Amt, auch im Urlaub.
Ich bin für alle Themen der Stadt zuständig und werde stärker als Person
des öffentlichen Lebens gesehen. Das heißt, mir werden jetzt auch viele
persönliche Fragen gestellt wie „Trinken Sie lieber Rotwein oder Weißwein?�…
oder „Was ist Ihr Lieblingsplatz in Hamburg?“.
Anfangs wurde Ihnen vorgeworfen, Sie seien ein Klon von Olaf Scholz. Was
unterscheidet Sie beide?
Es freut mich, wenn man Ähnlichkeiten zwischen Olaf Scholz und mir
feststellt. Olaf Scholz ist einer der besten Politiker Deutschlands. Er
analysiert Probleme sorgfältig und denkt die Dinge zu Ende. Das schätze ich
sehr. Aber ich bin ein anderer Typ und habe ein anderes Leben geführt. Ich
bin erst seit neun Jahren Politiker, davor war ich als Oberarzt und
Privatdozent am UKE tätig. Das gibt mir einen anderen Erfahrungshintergrund
als bei den meisten anderen Berufspolitikern, die ich kenne.
Wie Olaf Scholz wollen Sie Hoffnung stiften. Sie haben oft gesagt, die
besten Jahre in Hamburg lägen noch vor uns. Was stimmt Sie optimistisch?
Dass wir viel erreicht haben in den vergangenen neun Jahren mit der SPD.
Wenn Sie sich einmal erinnern, in welcher schlimmen Lage Hamburg 2010 war:
Die HSH Nordbank lag am Boden mit zweistelligen Milliarden-Risiken, der
Haushalt war überschuldet, die Elbphilharmonie war zum Skandal geworden. Es
gab keine Perspektive für Wissenschaft und Bildung, sondern Studiengebühren
und die höchsten Kita-Gebühren aller Zeiten. Das haben wir geändert.
Innerhalb von vier Jahren haben wir den Haushalt konsolidiert. Damit haben
wir die finanzielle Kraft bekommen, die Bildung in Hamburg kostenlos zu
machen und in wichtige Zukunftsprojekte zu investieren. Mein Ehrgeiz ist,
dass man in zehn Jahren in Deutschland über die Digitalisierung und den
Klimaschutz in Hamburg so spricht wie heute über unsere Erfolge in der
Wohnungs- und Bildungspolitik.
In jüngster Zeit hatte man den Eindruck, die SPD versuchte den Grünen die
Themen zu klauen, etwa beim Verkehrs- oder dem Innenstadtkonzept.
Das sind Themen, die uns seit Jahren bewegen. Das Bündnis für die
Innenstadt hatte uns vor längerer Zeit gebeten, an einer neuen Gestaltung
für eine lebenswerte Innenstadt mitzuwirken. Das haben wir gemacht, denn
die Innenstadt ist die Visitenkarte Hamburgs. Diese Ergebnisse haben wir
vor kurzem veröffentlicht, denn wir wollen damit nicht über die Köpfe der
Beteiligten in der City hinwegentscheiden. Die Verkehrswende setzt unsere
Verkehrsbehörde schon seit Jahren um. Das ist auch ein zentraler Baustein
für unseren neuen Klimaplan. Dazu gehört, das Angebot an Bussen und Bahnen
massiv auszubauen.
Hätten Sie das nicht gemeinsam mit den Grünen vorstellen müssen?
Es gibt im Senat klare Zuständigkeiten für den Verkehr und die
Stadtentwicklung. Weil dies zentrale Bereiche unserer Politik sind, sind es
zugleich Themen für den Ersten Bürgermeister. Genauso habe ich mich an der
Vorstellung des Haushaltsplans, des Klimaplans, des Fernwärmerückkaufs, der
Verbesserungen im HVV und der Pläne für die Science City Bahrenfeld
beteiligt.
Ihr Innenstadtkonzept erinnert aber schon sehr an jenes, das die Grünen
vier Monate zuvor vorgelegt haben. Das hat doch ein Geschmäckle.
Es war umgekehrt. Die Grünen sind mit dem Vorhaben einer „autofreien
Innenstadt“ gestartet, sind dann schrittweise davon abgerückt und
schließlich bei dem Vorschlag zu einem schrittweisen Vorgehen gelandet, den
ich als Bürgermeister vorgegeben habe. Parteien können zu allem Vorschläge
machen, Behörden müssen die Projekte sorgfältig prüfen und die Auswirkungen
beschreiben. Das haben sie getan.
Beim Thema Wissenschaft ist Hamburg unlängst ein schlechtes Zeugnis
ausgestellt worden.
Wir haben der wissenschaftlichen Entwicklung neues Gewicht verschafft. Mein
Vorgänger hatte bereits die Idee einer Science City Bahrenfeld. Ich habe
die Wissenschaft an den Anfang meiner ersten Regierungserklärung gestellt.
Denn wir haben gesehen, wohin es führt, wenn man wie CDU und Grüne bis 2010
über die Wissenschaft zwar abstrakt diskutiert, aber Universitätsgebäude
verkommen lässt und sich nicht darum kümmert, auch Spitzeninstitute wie
Fraunhofer nach Hamburg zu holen.
Das neue Klimaschutzgesetz deutet auf einen stärker ordnungspolitischen
Zugriff. Hat Ihnen das der Koalitionspartner abgerungen oder kommt das von
der SPD?
Im Frühjahr vergangenen Jahres habe ich darauf gedrungen, dass wir einen
konkreten Klimaplan vorlegen, mit dem wir die nationalen Klimaziele in
Hamburg sicher erreichen. Wir haben damit jetzt über 400 konkrete Maßnahmen
festgelegt, mit denen der CO2-Ausstoß Jahr für Jahr verringert wird. Dabei
gelten die Gebote der Sozialverträglichkeit und der Wirtschaftlichkeit,
damit wir möglichst schnell vorankommen. Auch den Vorschlag, das
Klimaschutzgesetz zu novellieren, habe ich in die Arbeit des Senats
eingebracht, um das Erreichen unserer Klimaziele gesetzlich abzusichern.
Trotzdem plant der Senat noch, für die Industrie und den Hafen in Hausbruch
ein Moor zu zerstören und den Völlhöfner Wald in Altenwerder. Dazu soll
eine Autobahn quer durch Wilhelmsburg kommen. Ist das noch zeitgemäß?
Diese Maßnahmen haben unterschiedliche Qualität. Die A26 ist ein
Infrastrukturprojekt, das erforderlich ist, um die Leistungsfähigkeit des
überregionalen Verkehrs in unserer Stadt sicherzustellen. Die A26 Ost bauen
wir übrigens in einem Tunnel, sodass die umliegenden Stadtteile nicht nur
von Verkehr, sondern auch von Lärm entlastet werden.
Die Autobahn wird aber auch Verkehr erzeugen.
Nein, sie wird den Verkehr bündeln und damit Autos und Lkws aus den
Stadtteilen und Quartieren herausholen, wo viele Menschen wohnen, die ihre
Ruhe haben wollen.
Hört sich an wie von der CDU.
Hört sich an wie ein Konzept, das sinnvoll ist und Anwohner entlastet.
Nehmen Sie mal die Ortsumgehung Fuhlsbüttel: 20 Jahre lang wurde behauptet,
das ist der Untergang für die umliegenden Stadtteile. Nun ist sie seit
Jahren fertig und der Verkehr läuft einwandfrei, niemand beschwert sich
mehr darüber.
Gilt das auch für die Zerstörung des Vollhöfner Waldes?
2016 haben SPD und Grüne gemeinsam beschlossen, die Vollhöfner Weiden als
Hafenerweiterungsgebiet auszuweisen. Wir werden das aber in den nächsten
Jahren nicht angehen, sondern noch einmal abwägen. Derzeit laufen noch
Untersuchungen zum ökologischen Wert der Flächen. Wir müssen dem Hafen aber
die erforderlichen Flächen bereitstellen und dürfen ihn nicht gegen die
Umwelt stellen. Es gibt keine umwelt- und klimafreundlichere Art, Waren zu
transportieren, als mit dem Schiff.
Als Bezirkspolitiker waren Sie auch mal ein Freund der Stadtbahn und
weniger der U-Bahn.
Wir haben eben erlebt, dass die konkrete Planung einer Stadtbahn überall zu
heftigen Bürgerprotesten führt, weil sie den knappen Straßenraum zusätzlich
in Anspruch nimmt. Der Senat aus CDU und Grünen hat viel Zeit verloren und
Steuergeld verplant, bevor er die Stadtbahnplanung dann wieder eingestellt
hat. U- und S-Bahnen sind dagegen viel leistungsfähiger und verlaufen im
innerstädtischen Bereich überwiegend unterirdisch. Mit dem Bau und der
Nutzung von Schnellbahnen wird Straßenraum frei, den wir dringend
benötigen: für Fußgänger, Radfahrer, den Wirtschaftsverkehr und diejenigen,
die noch mit dem Auto fahren wollen oder müssen.
Warum sollen die Hamburger zehn, zwanzig Jahre warten, bis die neuen
U-Bahn-Linien fertig sind?
Die ersten neuen U-Bahn-Stationen sind bereits eröffnet, Elbbrücken und
Oldenfelde. Bald kommt die U4-Verlängerung in die Horner Geest. Man muss
nicht 20 Jahre warten, weil wir schon vor acht Jahren begonnen haben. Der
große Schritt, um mit dem Verkehr besser klarzukommen, besteht nun mal
darin, große Teile des Nahverkehrs unter die Erde zu verlagern. Ein
modernes Schienenkonzept ist unterirdisch. Es ist viel leistungsfähiger als
eine Stadtbahn. Hätte man diese einfache Erkenntnis schon 2005 bedacht,
dann wären wir natürlich jetzt schon weiter.
Kann sich die Stadt das auch in zehn Jahren noch leisten?
Ja. Wir haben die Finanzplanung daraufhin ausgerichtet und unter anderem
ein Sondervermögen gebildet, in das bereits jetzt Millionenbeträge
eingezahlt werden. Unser Haushalt ist wieder in Ordnung, das heißt, wir
erzielen Überschüsse, die wir für die Finanzierung verwenden können. Diese
können wir in Verbindung mit Finanzmitteln des Bundes aus dem Klimapaket
investieren.
Stehen Sie zur rot-grünen Koalition?
Rot-Grün ist eine naheliegende Option. Aber für mich kommt es darauf an,
was am Ende im Koalitionsvertrag steht. Dafür hat der Erste Bürgermeister
die Gesamtverantwortung. Der entscheidende Punkt ist: Kommt ein
Regierungsprogramm zustande, das für die Stadt die richtigen Ziele und
Projekte enthält?
Dieses Bekenntnis zu Rot-Grün klingt etwas halbherzig.
Nein, es ist eine klare Ansage. Hinter den Kulissen verabschieden sich die
Grünen doch schon von wichtigen Projekten wie der A26 und dem Hafenausbau.
Wir müssen die großen Infrastrukturprojekte angehen, auch wenn deren Nutzen
erst in zehn Jahren sichtbar wird und dazu unpopuläre Entscheidungen
erforderlich sind. Aber diese Entscheidungen muss man treffen, sonst geht
es in Hamburg insgesamt nicht mehr voran.
19 Feb 2020
## AUTOREN
Gernot Knödler
Marco Carini
Stefan Reinecke
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