# taz.de -- SPD vor der Wahl in Hamburg: Zwischen den Trends | |
> Jahrelang litt die Hamburger SPD unter dem Bundes-Trend und den | |
> G20-Nachwirkungen. Jetzt könnte der Thüringen-Eklat sie wieder nach oben | |
> spülen. | |
Bild: Könnte vom Thüringen-Eklat der CDU profitieren: SPD-Spitzenkandidat Pet… | |
HAMBURG taz | Für Bürgermeister [1][Peter Tschentscher] ist es klar. Der | |
Abwärtstrend seiner Hamburger SPD, der erst in jüngsten Umfragen eine | |
Trendwende erfährt, ist nicht hausgemacht. Der verheerenden „bundesweiten | |
Stimmungslage“ könne sich kein Landesverband der SPD ganz entziehen. Und | |
dann sei da ja noch der Rückenwind für die Grünen durch Friday for Future | |
und die ganze Klimadebatte. „Wir müssen uns gegen diese Trends behaupten, | |
und das gelingt uns ganz gut“, sagt Tschentscher nicht ohne Stolz. | |
Zur Behauptung gegen den Trend gehört es auch, dass die Hamburger SPD im | |
Wahlkampf mit Bundesprominenz geizt. Kein Borjans, keine Esken, kein Scholz | |
werden eingeflogen um die Elb-Sozis in ihrem Wahlkampf zu unterstützen. Nur | |
Familienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil kamen | |
vorbei. Beide werden nach Ansicht der Hamburger Sozialdemokraten wohl nicht | |
so direkt mit der SPD-Krise in Verbindung gebracht. | |
Tatsächlich sieht es nach neuesten Umfragen so aus, als könne die SPD in | |
Hamburg bei ihrem Kampf gegen den Bundes-Trend mit einem blauen Auge | |
davonkommen und in ihrer Hochburg erneut mit Abstand stärkste Partei | |
werden. Mehr als alle Mitbewerber profitiert sie von dem | |
[2][Thüringen-Desaster von FDP und CDU]. | |
Dümpelte die Sozialdemokraten in den Umfragen um die Jahreswende noch bei | |
30 Prozent herum, schnellte sie bei den jüngsten Wahlprognosen von ARD und | |
ZDF auf 37 bis 38 Prozent empor. Und ließ die Grünen, die sich bis vor | |
kurzem in den Prognosen noch auf gleicher Höhe lagen, um 12 bis 15 | |
Prozentpunkte hinter sich. Zum Vergleich: Bei der letzten Bürgerschaftswahl | |
2015 ging die SPD mit 45,6 Prozent über die Ziellinie, die Grünen landeten | |
mit 12,3 Prozent nur auf Platz drei. | |
## G20 ging aufs SPD-Konto | |
Doch dass die Weichen für den Abschwung der Hamburger SPD in den | |
vergangenen Jahren nur in Berlin, kaum aber in Hamburg gestellt wurden, ist | |
nicht ganz richtig. Der Niedergang der SPD wurde 2017, dem Jahr des | |
Hambuger G20-Gipfels, zum rasanten Absturz. Dass SPD-Bürgermeister Olaf | |
Scholz den Gipfel nach Hamburg geholt hatte, die Polizei dann aber über | |
Tage den Krawallen nicht Herr wurde, buchten die HamburgerInnen eindeutig | |
aufs SPD-Konto. | |
Lagen die Sozialdemokraten bei der letzten Umfrage vor dem Gipfel noch bei | |
fetten 48 Prozent, stürzten sie in der ersten Prognose danach auf magere 28 | |
Prozent ab – das blieb auch das Niveau, in dem sie sich dann bis vor dem | |
Thüringen-Eklat bewegten. Niemals zuvor und niemals danach gab es eine | |
annähernd große Veränderung zwischen zwei aufeinander folgenden | |
Wahlbefragungen. | |
Der Gipfel bedeutete das Ende des Slogans, mit dem Scholz seine erste | |
Bürgermeisterwahl gewonnen hatte – Hamburg werde von der SPD einfach „gut | |
regiert“. Tatsächlich führte die SPD die Stadt vor dem Gipfel geräuschlos | |
und skandalfrei durch flache und tiefe Gewässer – nicht mehr und nicht | |
weniger, als viele WählerInnen von ihr erwarteten. Die Tage des Gipfels | |
aber gerieten für die SPD zur Zäsur. | |
Auch die Beliebtheitswerte für Olaf Scholz gingen nach dem Gipfel rapide in | |
den Keller. Als Scholz im März 2018 Hamburg den Rücken kehrte und durch den | |
bis dahin vielen HanburgerInnen unbekannten Peter Tschentscher ersetzt | |
wurde, brachen die Werte für die SPD nicht weiter ein. Inzwischen ist auch | |
Tschentscher den HamburgerInnen bekannt und bei ihnen beliebt, deutlich | |
beliebter als seine grüne Konkurrentin ums BürgermeisterInnenamt, | |
[3][Katharina Fegebank]. | |
## Rückenwind aus dem Osten | |
Das liegt vermutlich auch daran, das Tschentscher viel grüner ist als sein | |
Vorgänger Olaf Scholz, den Umwelt-Themen nicht besonders interessierten. | |
Tschentscher aber kann glaubhaft machen, dass er auf Öko-Kurs ist. | |
Gemeinsam mit den Grünen legte er kurz vor der Wahl einen Klimaplan für | |
Hamburg vor. | |
Außerdem präsentierte er zusammen mit der Verkehrsbehörde ein Konzept für | |
eine Autoarme Hamburger City. Das Konzept wirkt allerdings reichlich von | |
den Grünen abgeschrieben. Doch zur Befriedung des eigenen Klientels reicht | |
es, dass Tschentscher sich offen für den Kampf gegen den Klimawandel zeigt, | |
auch wenn die Grünen in der Praxis die sind, die wirklich Druck machen. | |
Das Beben nach dem Thüringen-Eklat könnte nun die vorangegangene Misere der | |
SPD ganz verdecken. Während die CDU mit 13 bis 14 Prozent ihr schwächstes | |
Wahlergebnis verbuchen und [4][die FDP gar aus dem Parlament gekegelt | |
werden könnte], dürften auf der SPD-Wahlparty die Hände in die Höhe | |
schnellen. Jahrelang hat man gegen Gegenwind aus dem Bund ankämpfen müssen, | |
nun könnte Rückenwind aus dem Osten die SPD aufs Siegerpodest heben. | |
21 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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