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# taz.de -- Bürgerschaftswahl in Hamburg: Schulwahlkampf fällt aus
> Schulpolitik kommt im Hamburger Wahlkampf kaum vor. Das ist Absicht, denn
> Bildung gilt in der Stadt immer noch als Verliererthema.
Bild: Kein Thema im Wahlkampf: Grundschule in Hamburg
Hamburg taz | Plakate zur Schulpolitik sucht man im Hamburger Wahlkampf
vergebens. [1][Nur die FDP] prophezeit auf einem [2][Großplakat] „Die
Zukunft geht nicht in die Schulen von gestern“. Eine Anspielung auf
Versäumnisse in der Digitalisierung. Und die AfD verspricht ironisch
„Freitag wieder Schule!“. CDU, SPD, Grüne und Linke fallen bisher gar nicht
mit Schul-Plakaten auf.
Das ist kein Wunder. SPD, Grüne, FDP und CDU schlossen im August im Rathaus
feierlich einen neuen „Schulfrieden“. Der besagt, dass die
Zwei-Säulen-Struktur aus Gymnasium und den gesamtschul-artigen
Stadtteilschulen bis 2025 nicht angetastet wird. Außerdem soll es dabei
bleiben, dass SchülerInnen am Gymnasium nach acht und an der
Stadtteilschule nach neun Jahren das Abitur erreichen – man spricht von G8
und G9.
Ohne diese Festlegung hätte es spannend werden können. Denn der hiesige
CDU-Fraktionschef André Trepol wollte mit dem Thema „Turbo Abi abschaffen“
in den Wahlkampf ziehen. Hatten doch seine CDU-Kollegen in
Schleswig-Holstein erst 2017 mit diesem Versprechen die nötigen Stimmen für
ihre Jamaika-Regierung errungen. Trepol argumentierte mit einer Umfrage des
Abendblatts, laut der auch Dreiviertel der Hamburger das Turbo-Abi
ablehnten.
Doch im Stadtstaat Hamburg bieten bereits alle 58 Stadtteilschulen das Abi
nach neun Jahren an. Das soll auch ein Anreiz für Eltern sein, ihre Kinder
mit Gymnasialempfehlung dort anzumelden, wollen viele doch erstmal nicht,
dass ihre Kinder mit den vermeintlichen „Schmuddelkindern“ auf den
Stadtteilschulen spielen. Würde auch das Gymnasium G9 anbieten, wäre dieser
Anreiz weg, die Stadtteilschulen könnte das weiter schwächen. Deshalb ist
das Turbo-Abi in Hamburg Teil des Schulfriedens und die CDU wurde
überzeugt, von ihrer Forderung zu lassen.
## (Fast) keiner will den Job als Schulsenator
Dieser Schulfrieden ist seit 2010 eine heilige Kuh. Denn Grüne und CDU
hatten damals gemeinsam regiert und versucht, die sechsjährige
Primar-Grundschule durchzusetzen. Dies wurde von einer Volksinitiative der
Gymnasial-Eltern gestoppt. Seit dieser Niederlage wollen die Grünen sich
nicht wieder am Thema Bildung die Finger verbrennen.
Das Schulressort leitet seit 2011 der Gymnasiallehrer Ties Rabe (SPD), der
auch einst Primarschulgegner war. Er ist kein so visionärer Reformer wie
seine Grüne Vorgängerin Christa Goetsch. Er gilt als konservativer
Pragmatiker und ist durchaus umstritten. Kurz nach Unterzeichnung des neuen
Schulfriedens lud ein Bündnis für „Mehr Zukunft in der Schule“ die Presse
ein und kritisierte den Stil des Schulsenators.
Schulleiter-, Lehrer-, Eltern- und Schülervertretungen forderten „mehr
Dialog“, über Bildung dürfe man nicht nur „hinter verschlossenen Türen“
entscheiden. Die Schulpolitik sei geprägt von „zu viel old school“, oft
gebe es „bildungspolitische Vorgaben ins Klein-Klein“. Nötig sein ein
„Bildungsrat“ für offene Diskussion. Rabe ließ prompt erklären, das sei
doch eine gute Idee.
Der Schulsenator gilt als Mann, der sein Amt im Griff hat und an den
Schulen für Ruhe sorgt. Er mag seinen Job als Schulsenator, und es gibt bei
[3][SPD] und Grünen niemand sonst, der ihn haben will. Zu seinen Erfolgen
zählt er, dass Hamburgs Schüler bei Ländervergleichen in Deutsch oder
Mathematik nicht mehr an der letzten Stelle stehen. Dabei spielen ihm auch
eben die Weichenstellungen in die Hände, die Schwarz-Grün auf den Weg
brachte.
## Einzig die Linke brich den Frieden
Die 2009 gegründeten Stadtteilschulen fasste die früheren Gesamtschulen und
Haupt- und Realschulen unter einem Dach zusammen. Fast jede Stadtteilschule
hat nun eine eigne Oberstufe. Und die Schüler nutzen diese Chance:
Inzwischen liegt Hamburg Abiturienten-Quote zwischen 51 und 55 Prozent.
Doch die Probleme der „sozialen Spaltung“ der Stadt sind längst nicht
behoben. Weiterhin kann ein Viertel bis ein Fünftel der Schüler nach Klasse
4 einen Text nicht so lesen, dass sie den Inhalt verstehen. Deshalb gibt es
jetzt neue Lesetrainings. Noch ein problem: Nach der 10. Klasse haben nur
vier von zehn Schulabgängern eine Ausbildung in der Tasche. Die übrigen
besuchen erst mal Berufsschulen und Praktika.
Und weil die Gymnasien das „Turbo-Abi“ haben, aufs Tempo drücken und keine
Rücksicht nehmen, müssen Jahr für Jahr fast 900 Sechstklässer und bis Ende
Klasse 10 noch mal etwa 1.000 ältere Schüler die Gymnasien Richtung
Stadtteilschule verlassen. Die Inklusion der Kinder mit Lernförderbedarf
bleibt ebenfalls Aufgabe dieser „zweiten Säule“.
Die Linke hat den Schulfrieden nicht unterschrieben. Ihre Fraktionscheffin
Sabine Boeddinghaus legte im November ein eigenes Schulgesetz vor, dass es
untersagt, vom Gymnasium auf eine niedrigere Schulform wechseln zu müssen.
„Kinder haben ein Recht darauf, nicht ausgesondert und nicht beschämt zu
werden“, sagt die Schulpolitikerin.
Doch auch wenn sie namhafte Experten hinter sich sammelt, ist die Sache
politisch gerade chancenlos, weil Bündnispartner fehlen. Im Grünen
Wahlprogramm steht nichts mehr von „Schule für alle“. Stattdessen wollen
die Grünen nun mit der „Campus-Schule“ eine Misch- Schulform etablieren,
mindestens sechs sind schon geplant. Gemeint ist eine Stadtteilschule mit
Gymnasialzweig.
Kritiker, vor allem aus den Reihen der bestehenden Stadtteilschulen, sehen
darin eine Degradierung ihrer Schulform und eine Rückkehr zu
Dreigliedrigkeit aus Gymnasium, Realschule und Hauptschule, die Hamburg
seit zehn Jahren ja eigentlich glücklich hinter sich weiß.
22 Feb 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Kaija Kutter
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