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# taz.de -- Reform des Klimaschutzgesetzes: Abkehr von den Sektorzielen
> Die Regierung will das Klimaschutzgesetz reformieren. Das lenkt von jenen
> Ministerien ab, die klimapolitischen Nachholbedarf haben.
Bild: Fürs Klima ist es eigentlich egal, ob Kohlendioxid aus einem Kohlekraftw…
Berlin taz | Es ist ein unscheinbarer Satz, der das deutsche
Klimaschutzgesetz entkernen soll. „Die Einhaltung der Klimaschutzziele soll
zukünftig anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung
überprüft werden“, heißt es im [1][Ergebnispapier des
Koalitionsausschusses] der Ampel-Regierung.
Bislang gelten für jedes Jahr und die einzelnen Wirtschaftssektoren jeweils
konkrete CO2-Grenzwerte. Werden sie überschritten, muss das zuständige
Ministerium den Missstand mit einem Sofortprogramm beheben.
Zwar sollen auch in Zukunft jährlich die Emissionen überprüft werden, auch
nach Sektoren unterteilt. Das wäre aber ohne praktische Konsequenzen für
das einzelne Ministerium. Die Ressorts könnten außerdem untereinander
handeln: Überzieht der Verkehrssektor sein Budget, aber im Energiesektor
wäre Spielraum, gäbe es formal kein Problem – Hauptsache, die Gesamtbilanz
stimmt.
Unter vielen Klimaschützer:innen herrscht blankes Entsetzen. „Damit
versündigt sich die Regierung an allen künftigen Generationen“, sagt etwa
Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe.
## Verkehr und Heizen
Warum eigentlich? Schließlich ist es fürs Klima egal, ob Kohlendioxid aus
einem Kohlekraftwerk oder einem Auto kommt, welcher Sektor also
verantwortlich ist. Insofern muss es nicht schlecht sein fürs Klima, wenn
die Sektorziele wegfallen. Die Kritiker:innen der Pläne sorgen sich
aber, weil die Verantwortung für klimapolitische Missstände diffus würde.
„Die beabsichtigten Neuregelungen vergrößern das Risiko, dass wir unsere
Klimaziele insbesondere im Verkehrssektor massiv verfehlen und dies über
Jahre vertuschen“, gibt etwa Christoph Bals von der Organisation
Germanwatch zu Bedenken.
Die deutsche Klimabilanz 2022 untermauert sein Argument: [2][Das
Verkehrswesen und das Heizen von Gebäuden haben ihre Sektorziele gerissen,]
insgesamt über ganz Deutschland gerechnet wurde aber nicht mehr CO2
emittiert als vorgesehen. Das hatte mit einem Sondereffekt zu tun. Infolge
der Energiekrise fuhren Industriebetriebe herunter und produzierten zum
Beispiel weniger Stahl und Dünger.
Gäbe es keine verbindlichen Sektorziele, könnte eine unwillige Regierung
einen solchen Effekt als Anlass zum Nichtstun nehmen, erst recht in einer
mehrjährigen Perspektive. Auf der anderen Seite heißt es natürlich auch: In
normalen Jahren besteht eigentlich kaum Spielraum fürs Hin- und Herschieben
zwischen den Ministerien.
Die FDP setzt sich [3][schon lange dafür ein, die Sektorziele
abzuschaffen.] Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gehört zu
denjenigen, die durch das Gesetz regelmäßig am Pranger stehen. Schon aus
den Koalitionsverhandlungen sickerte aber hinaus: Auch manchen Grünen wäre
es ganz lieb, wären ihre eigenen Minister:innen in Zukunft vor solcher
Schmach geschützt.
Wie Die Zeit unter Berufung [4][auf ein internes Papier berichtet], hat im
Koalitionsausschuss aber speziell Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf die
Aufhebung der Sektorziele gedrungen. Dabei war es seine Parteikollegin
Svenja Schulze, jetzt Bundesentwicklungsministerin und früher
Bundesumweltministerin, die die strikten Vorgaben in der Großen Koalition
gegen den Widerstand der CDU durchgeboxt hatte.
Manche Klimaschützer:innen bereiten sich indes auf juristische
Schritte vor. Zum Beispiel der Jurist Hermann Ott, der früher für die
Grünen im Bundestag saß und jetzt die Umweltrechtsorganisation Client Earth
leitet: „Wir kommen zu dem klaren Ergebnis, dass diese sektoralen Ziele aus
verfassungsrechtlicher Sicht nicht ersatzlos wegfallen dürfen.“
1 Apr 2023
## LINKS
[1] /Beschluesse-der-Koalition/!5921648
[2] /Klimabilanz-des-Jahres-2022/!5918932
[3] /Streit-um-Klimapolitik-in-der-Ampel/!5924360
[4] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-03/klimaschutzgesetz-olaf-scho…
## AUTOREN
Susanne Schwarz
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