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# taz.de -- Verkehrssektor verfehlt Klimaziele: Wissing droht mit Fahrverboten
> Im Ringen um eine Reform des Klimaschutzgesetzes warnt der
> Verkehrsminister vor Wochenend-Fahrverboten. Grüne und Umweltschützer
> üben scharfe Kritik.
Bild: Schön leer hier – aber in diesem Fall nicht wegen Fahrverboten, sonder…
Berlin dpa | Mit einer Warnung vor möglichen Wochenend-Fahrverboten hat
Bundesverkehrsminister Volker Wissing den [1][Ampel-Streit über das
Klimaschutzgesetz] angeheizt. Die Grünen reagierten empört: „Ein Minister
sollte nicht unbegründet Sorgen bei den Menschen schüren“, sagte die
stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Julia Verlinden der Deutschen
Presse-Agentur. „Diese Behauptung ist schlichtweg falsch.“
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bezeichnete Wissings Vorgehen als
politisches Armutszeugnis. Der FDP-Politiker hatte vor drastischen
Einschnitten für Autofahrer gewarnt, falls die Ampel-Koalition sich nicht
zügig auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes einigt.
„Der Verkehrsminister versucht so schamlos wie durchschaubar, mögliche
Konsequenzen des eigenen Versagens in politischen Druck umzumünzen“, sagte
Greenpeace-Mobilitätsexpertin Clara Thompson der dpa. „Zwei Jahre hat
Wissing damit vergeudet, jede Klimaschutzmaßnahme im Straßenverkehr zu
blockieren – jetzt malt er Horrorszenarien an die Wand, um auch in Zukunft
nichts tun zu müssen.“
Um nach dem geltenden Gesetz sogenannte [2][Klima-Sektorziele] im Verkehr
erreichen zu können, wäre nach Wissings Argumentation eine deutliche
Verringerung der Pkw- und Lkw-Fahrleistung notwendig. Diese wäre „nur durch
restriktive und der Bevölkerung kaum vermittelbare Maßnahmen wie
flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen
möglich“, schrieb er in einem Brief an die Ampel-Fraktionschefs im
Bundestag.
## „Kaum vermittelbare Maßnahmen“
„Es wäre den Menschen kaum zu vermitteln, dass sie ihr Auto nur noch an
fünf Wochentagen nutzen dürfen, obwohl wir die Klimaschutzziele in der
Gesamtbetrachtung erreichen“, warnt Wissing. Das auf Donnerstag datierte
Schreiben liegt der dpa vor, zuerst hatte die Bild darüber berichtet.
Grünen-Fraktionsvize Verlinden hielt dagegen, das aktuell geltende Recht
verlange von Wissing lediglich, „ein Klimaschutzprogramm vorzulegen, in dem
sinnvolle Vorschläge enthalten sind, die zu mehr Klimaschutz im
Verkehrssektor führen“. Es gebe viele unterschiedliche Möglichkeiten, „wie
etwa ein Tempolimit“. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnen
Wissing und die FDP strikt ab.
Wissing macht mit dem Schreiben Druck während laufender Verhandlungen der
Ampel-Fraktionen über eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Das Kabinett
hatte diese im vergangenen Juni beschlossen, die erste Lesung im Bundestag
war im September.
Strittig ist dem Vernehmen nach, welche Verantwortlichkeiten Ressorts
künftig noch haben, falls Zielvorgaben bei der CO2-Einsparung verfehlt
werden – wie im Verkehrssektor. Am Klimaschutzgesetz hängt auch ein
geplantes Solarpaket.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Donnerstagabend
bei einer Veranstaltung des Webinar-Formats Europe Calling, das
[3][Solarpaket] sei ausverhandelt. Es sei politisch gekoppelt mit dem
Klimaschutzgesetz, „wo es noch politischen Bedarf“ gebe. Er hoffe sehr,
dass das Solarpaket nun wirklich schnell verabschiedet werde.
## Worum es geht
Im Klimaschutzgesetz sind die deutschen Klimaziele verbindlich geregelt. Es
sieht vor, dass die Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2030
um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Für einzelne Sektoren wie
Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden zulässige
Jahresemissionsmengen festgelegt.
Kernpunkt ist bisher folgender Mechanismus: Wenn Sektoren Vorgaben
verfehlen, müssen die zuständigen Ressorts der Bundesregierung in Form von
Sofortprogrammen nachsteuern – um die Einhaltung der Emissionsmengen
sicherzustellen.
Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll die Einhaltung der
Klimaziele künftig nicht mehr rückwirkend nach den verschiedenen Sektoren
kontrolliert werden – sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und
sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll künftig
entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige
CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll – allerdings erst, wenn es
zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.
Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen konkreten Sektoren sollen
damit abgeschafft werden. Vor allem die FDP dringt auf eine Reform des
Gesetzes, die Teil des Koalitionsvertrags ist.
## Verkehrssektor verfehlt Klimaziele
Im Jahr 2023 wurden nach Angaben des Umweltbundesamts in Deutschland 10,1
Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase emittiert als 2022. So gab es
im Sektor Energie deutliche Rückgänge, das Umweltbundesamt begründete dies
mit einem geringeren Einsatz fossiler Brennstoffe zur Erzeugung von Strom
und Wärme.
Insbesondere der Verkehrssektor müsse beim Klimaschutz aber nachsteuern, so
die Behörde. Er verfehle seine Klimaziele erneut deutlich. Die Daten werden
von einem Expertenrat für Klimafragen bewertet. Dieser Bericht wird am
kommenden Montag vorgelegt.
Das geltende Klimaschutzgesetz sieht vor: Weisen die Emissionsdaten eine
Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmenge für einen Sektor aus, so
legt das zuständige Bundesministerium innerhalb von drei Monaten nach der
Bewertung durch den Expertenrat ein Sofortprogramm für den jeweiligen
Sektor vor.
Darauf ging Wissing in seinem Schreiben ein: Sofern das novellierte
Klimaschutzgesetz nicht vor dem 15. Juli in Kraft trete, sei das
Ministerium nach dem geltenden Gesetz verpflichtet, ein Sofortprogramm
vorzulegen – dann kommt die Warnung vor flächendeckenden und unbefristeten
Fahrverbote am Wochenende. Darunter würden nicht nur Bürger leiden, auch
Lieferketten könnten nachhaltig gestört werden, da eine kurzfristige
Verlagerung des Transports von der Straße auf die Schiene unrealistisch
sei, schrieb Wissing.
Seine Warnung weckt Erinnerungen an die sogenannten autofreien Sonntage
während der Ölkrise: Nachdem arabische Staaten ihre Ölproduktion 1973 vor
dem Hintergrund des Jom-Kippur-Kriegs verknappt hatten, wurden an vier
Sonntagen Fahrverbote in der Bundesrepublik verhängt.
12 Apr 2024
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