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# taz.de -- Rapperin Finna über HipHop und Politik: „Wut ist mein Motor“
> Rapperin Finna macht mit ihrer Musik Front gegen Egoismus und
> Diskriminierung. Im Gespräch erzählt sie, wie HipHop und linke Politik
> zusammengehen.
Bild: Die Rapperin Finna ist Teil des feministischen HipHop-Kollektivs Fe*Male …
taz: Finna, gleich Ihr allererster Song aus dem Jahr 2015 heißt „Musik ist
Politik“. Ist das heute sogar noch relevanter?
Finna: Ich wünsche mir nach wie vor, dass Musik einen politischen Anspruch
hat. Dass Leute, die Musik machen, die politische Dimension dahinter
verstehen und dass die Message ankommt, die sie verbreiten. Wenn wir uns
komplett aus der Verantwortung ziehen und sagen, Musik sei unpolitisch und
soll nur maximal viele Leute erreichen, dann verblödet die Masse. Deswegen
wünsche ich mir, dass mehr links-politische Themen Platz finden in der
Musik.
taz: Sind Sie links?
Finna: [1][Ich bin auf jeden Fall eine Zecke, das krieg ich nicht aus mir
raus. Ist auch gut so.]
taz: Was bedeutet links für Sie?
Finna: Sich gegen Diskriminierung einzusetzen und nicht passiv alles
geschehen zu lassen, sondern mit dem Widerstand der Zeit gehen:
klimapolitisch, genderpolitisch, sich gegen Rassismus einsetzen, gegen
Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus … das bedeutet auch, Sachen
zusammendenken. Mir geht es auch um mehr soziale und wirtschaftliche
Gerechtigkeit, also, um eine gerechtere Verteilung von Ressourcen und
Chancen.
taz: HipHop ist eher das Gegenteil von links. Warum haben Sie sich
ausgerechnet fürs Rappen entschieden?
Finna: Geschichtlich betrachtet geht es bei HipHop darum, sich gegen
Unrecht, Diskriminierung und polizeiliche Repression, auszusprechen. Es
entstand in der black culture. Und ich bin dankbar, dass ich Teil davon
sein darf. Historisch ist HipHop immer politisch gewesen. Nur irgendwann
ist es vom Kapitalismus aufgefressen worden. Ich habe mit Rappen
angefangen, weil ich mich inspiriert fühlte von Sookee, Lena Stoehrfaktor
und FaulenzA,… Rapperinnen, deren Stil mir gut gefällt. Als Künstlerinnen
tragen sie Inhalte nach vorne, mit denen ich politisch auf jeden Fall
mitgehen kann.
taz: In „Traum vom Leben“ reimen Sie, dass Leute verlangen, Sie sollen
nicht so radikal sein. Wie radikal sind Sie denn?
Finna: Wenn radikal heißt, ein Problem an der Wurzel betrachten zu wollen
und Veränderungen schaffen zu wollen, bin ich radikal.
taz: Machen Menschen wie Sie der AfD Angst?
Finna: Das wünschte ich. Und ich wünsche aber vor allem, dass wir als
Kollektiv mehr Power haben, einen Dialog mit dem Mainstream zu führen.
Viele Leute beschäftigen sich nicht mit Themen, von denen sie nicht direkt
betroffen sind, und dann bilden sie sich Meinungen, die oft totaler
Bullshit sind.
Es braucht mehr Berührungspunkte, um zu erfahren: Wie fühlen sich Menschen,
die von Diskriminierung betroffen sind, wie fühlt sich eine fette queere
translesbische Mutter? Das bin ich. Und wenn Leute mit mir reden, merken
sie, ich bin ein ganz normaler Mensch.
taz: Machen Sie darum auch Workshops für junge Leute?
Finna: Ja, ich unterrichte einen Beatschmiede-Workshop und ein
Songwriting-Workshop im Frauen*-Musikzentrum in Hamburg. Da bin ich einmal
die Woche mit jungen Queers und Mädchen. Und ich habe auch mal ein
Bodylove-Rap-Projekt in Berlin gemacht, zusammen mit Maja Classen, um
Gewaltprävention, Anti-Mobbing-Arbeit und das Selbstbewusstsein von Kindern
in ihrem eigenen Körper zu stärken und das in Raptexten zu verarbeiten.
Sogenannte Problemkinder, die sozial auffällig sind, haben dort durch Rap
ein Werkzeug gefunden, um sich auszudrücken.
taz: Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland haben viele junge Leute
rechts außen gewählt. Ist das ein Thema bei den Workshops?
Finna: Bei den meisten jungen Menschen stelle ich fest, dass viele Gedanken
noch nicht gefestigt sind. Oft ist erst mal nur ein Gefühl da, dass etwas
ungerecht ist. Aber die Lösungsansätze sind häufig solche, die in den
Massenmedien oder im Netz bei Tiktok präsentiert werden, und da ist die AfD
nun mal weit verbreitet. In Workshops können wir andere Lösungen bieten und
erklären, dass Gleichberechtigung nicht heißt, dass dir, deinen Eltern oder
deiner Oma etwas weggenommen wird.
taz: Wie kommt das an?
Finna: Total gut. Man muss sich eben mit den Gedanken auseinandersetzen,
dass die jungen Leute nicht automatisch links sind, man muss erklären und
in den Dialog gehen. Aber links sein macht halt Sinn. Man kann es logisch
erklären und nachvollziehen. Es braucht mehr linke Positionen in den
sozialen Medien, gerade bei Tiktok.
taz: Was macht Sie wütend?
Finna: So viel! Ich schwöre! Am meisten, dass Diskriminierungsformen
gegeneinander ausgespielt werden und wir deshalb zu wenig Power haben, dem
erstarkenden Faschismus, etwas entgegenzusetzen. In linken Kontexten kommt
es zu immer mehr Spaltung. Es finden zu wenig echte Dialoge zwischen den
Menschen statt, es wird zu viel in den Kommentarspalten diskutiert. Und was
mich noch wütend macht, ist die Gender-Ungerechtigkeit. Ich bin seit
fünfeinhalb Jahren in einer trans lesbischen Beziehung und merke, wie
schwer es Trans- und nichtbinäre Personen haben.
taz: Warum?
Finna: Queerfeindlichkeit hat zu wenig Sichtbarkeit, es sei denn, es ist
gerade CSD und es gibt Regenbogensmoothies bei Rewe.
taz: Und was macht Sie eigentlich glücklich?
Finna: Kollektive, Netzwerke, Freund:innenschaften, wenn Leute sich
gemeinsam für eine bessere Welt einsetzen. Während der Pandemie habe ich
mit ein paar Leuten „Tour d’Amour“ gegründet, um Sach- und und
Kleiderspenden nach Moria und Lesbos zu bringen. Die leeren Clubs haben wir
als Sammelstellen benutzt. Wir waren so stark als Kollektiv, … davon kriege
ich noch immer Gänsehaut.
taz: Vor Kurzem haben Sie im Berliner Club „About Blank“ in einem Song
gesungen, dass Sie Hass empfinden gegen den Hass.
Finna: Genau. Ich brenne alles ab, gegen den Hass!
taz: In Ihren Songs geht es oft darum, nicht hart zu werden in einer
verhärteten Gesellschaft. Wie schaffen wir es, zusammen vom Hass
wegzukommen?
Finna: Der Kapitalismus hat uns den Egoismus so krass anerzogen, dass wir
den erst mal verlernen müssen, um in Kollektiven überhaupt funktionieren
zu können. Es braucht mehr Dialog und Diskussionskultur für Fehler und
mehr Verständnis.
taz: Sind Sie auf der Bühne auch verletzlich?
Finna: Es ist wichtig, Zerbrechlichkeit als Stärke nach außen zu tragen.
Wenn Menschen sich verletzlich zeigen, können sie mehr Empathie
untereinander gewinnen.
taz: Und was den Umgang mit der AfD angeht: Riot oder Dialog?
Finna: Riot.
taz: Also Mittelfinger gegen die AfD?
Finna: Immer. Mich macht das alles unglaublich wütend. Aber auch depressiv.
Meine Therapeutin sagte einmal, Wut bringt auch einen kleinen Abstand rein,
sodass man Dinge von außen betrachten kann. Wut ist ein Motor, der mich
nach vorne und in Aktion bringt. Wenn ich Angst habe, lähmt mich das eher.
Deshalb zücke ich auf jeden Fall meinen Mittelfinger.
17 Oct 2024
## LINKS
[1] /Hamburger-Rapperin-Finna-auf-Tour/!5860018
## AUTOREN
Ruth Lang Fuentes
## TAGS
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