| # taz.de -- Historie des Hamburger HipHop: Digga, check das Denkmal | |
| > Die Musik- und Buch-Compilation „Eine Stadt wird bunt“ dokumentiert | |
| > Hamburger HipHop-Geschichte als Zeugnis einer DiY-Ära mit rebellischem | |
| > Slang. | |
| Bild: Kinder, wie die Zeit vergeht. HipHop-Mob beim „X-Mas Jam“ in der Hamb… | |
| Eine Sprühdose zischt, eine S-Bahn fährt quietschend vorbei, dann beginnt | |
| ein düsterer Beat und eine Stimme erzählt: „Sie nennen sich Writer, zu | |
| Deutsch: Schreiber. Denn alles fing mit dem Taggen an, mit dem Schreiben | |
| ihrer Fantasienamen, die im Laufe der Zeit zu kleinen Kunstwerken | |
| verfeinert wurden.“ | |
| Am Ende des Tracks erklärt die Stimme, [1][wie das dreifaltige Herz des | |
| HipHop aussieht]: Graffiti sei die Schriftsprache, Rap die Wortsprache und | |
| Breakdance die Körpersprache der „Kids und Youngsters“, um „lustvollen | |
| Protest“ auszudrücken. | |
| Ein Gleichnis, das aus alten Graffiti-Dokus stammt, die Musik von einer | |
| DAT-Kassette, die mehr als ein Vierteljahrhundert in einer Hamburger | |
| Schublade schlummerte. Aufgenommen hatte sie Ende der 1990er Björn | |
| Stoffers, genannt Bubblez, Produzent der HipHop-Crew Doppelkopf. | |
| ## Komplexe Entstehung | |
| Ausgegraben wurde das Tape von Oliver „O-Lee47“ Herbst, einst DJ der | |
| Hamburger HipHop-Crew City Nord. Heute Inhaber des Labels Platin Mukke, von | |
| Falk Schacht, Rapper und Musikjournalist und einigen anderen. Über zwei | |
| Jahre haben sie für die Compilation „Eine Stadt wird bunt. Hamburg | |
| HipHop-History 1989–1999“ recherchiert, um zu erzählen, wie diese Subkultur | |
| allmählich heranwuchs und weshalb diese Geschichte komplex war – um den zum | |
| Teil vergessenen Pionieren ein Denkmal zu setzen. Bubblez’ Beats fungieren | |
| dafür als Auftakt. | |
| Entstanden war die Idee im Anschluss an das Projekt „Eine Stadt wird bunt“, | |
| das 2021 mit einem Buch und einer Ausstellung die Graffiti-Historie der | |
| Hansestadt von 1980 bis 1999 dokumentierte. Bei den Kuratoren Mirko Reisser | |
| und Oliver Nebel reifte seinerzeit der Wunsch, auch die musikalische | |
| Geschichte von HipHop in Hamburg zu erforschen. Das beeindruckende Ergebnis | |
| zeigt nun ein Triplealbum mit 110 meist raren und bislang | |
| unveröffentlichten Songs und Skits. | |
| Als es losging, das klingt auch heute ungeschliffen und voller roher | |
| Energie, wie ein geliebtes altes Mixtape: raue Beats, kratzige Samples und | |
| Stimmen zwischen Stolz, Witz und Wut. Mit solchen Stilmitteln entwickeln | |
| Jugendliche in den 90ern eine lokale, aus den USA abgeleitete Subkultur und | |
| schaffen es, in ihrer Stadt etwas Eigenes zu kreieren. | |
| ## Frühe Tags | |
| Von den ersten Tags auf S-Bahn-Waggons, von Clubnächten in der Roten Flora, | |
| in denen DJs Platten scratchten, während Sprayer Skizzen tauschten. Auch | |
| die Musik beweist, dass HipHop an der Elbe zu einer neuen Geheimsprache | |
| wurde – Ausdruck für Spaß, Protest und Identität. Viele Tracks | |
| thematisieren die neue Kultur, Alltagsleben in den Stadtteilen, den Kampf | |
| gegen Rassismus und Polizeigewalt oder die Magie einer HipHop-Jam im | |
| Jugendzentrum. | |
| Dazu gibt es ein aufwendig gestaltetes Booklet im Albumformat, mit Fotos | |
| von bemalten Zügen und Konzerten, Abbildungen von handgeschriebenen Reimen, | |
| Flyern, Skizzenbüchern, Platten- und Kassettenhüllen und jeder Menge | |
| Anekdoten. | |
| In Texten von Dennis Kraus erzählen Pioniere vom House-Produzenten Peter | |
| Römer, der den Raptalenten zeigt, wie man Beats baut; von ersten | |
| HipHop-Tracks auf Vierspur-Rekordern; oder [2][von der Bedeutung, die der | |
| Britcore-Sound] damals für die Szene hatte. Und natürlich von ersten | |
| Chartstürmern wie Fettes Brot, [3][den Absoluten Beginnern] und Samy | |
| Deluxe, die den Hamburger HipHop-Slang Ende der 90er ins ganze Land | |
| brachten. | |
| ## Integres Handling | |
| Dabei zeigen Musik und Buch, wie vielfältig der Aufbruch war und in welchem | |
| Spannungsfeld sich HipHop in Hamburg entwickelte. Entscheidenden Anteil | |
| hatten etwa die linke Szene und der Punk mit seiner DIY-Ethik. Bands wie | |
| [4][Die Goldenen Zitronen, deren Ur-Schlagzeuger Ale Dumbsky 1987 das Label | |
| Buback mitgründete], brachten eine Haltung mit, die auch Rapper:Innen | |
| inspirierte – gegen den Mainstream, für integres Handling. | |
| Buback, ursprünglich Punk-Label, öffnete sich 1993 mit dem Sampler „Kill | |
| the Nation with a Groove“ dem HipHop und veröffentlichte auch das | |
| Debütalbum der Absoluten Beginner. Auf der anderen Seite gab es Yo Mama, | |
| 1994 von André Luth gegründet, ein Label, das auf Künstler wie Fettes Brot | |
| und Fünf Sterne deluxe setzte und zusammen mit Eimsbush zum Zentrum des | |
| Deutschrap wurde. | |
| Während Buback eine raue, politische Kante bewahrte, war Yo Mama pop- und | |
| kommerzorientierter. Die feinen Unterschiede schufen eine Vielfalt, die | |
| sich in Treffpunkten wie der Hafenstraße oder [5][Plattenläden wie „Groove | |
| City“,] wo Sprayer, Punks und Rapper ihre Ideen tauschten, vernetzte – das | |
| machte HipHop in der Stadt so lebendig. | |
| Daher ist „Eine Stadt wird bunt“ mehr als nur ein Rückblick: es ist eine | |
| Liebeserklärung an eine Ära, in der hanseatische Jugendliche ihre eigene | |
| Kultur schufen – ohne Algorithmen und Marketing, dafür mit Plattenspieler, | |
| Mikrofon, Spraydose und viel Herzblut. Für HipHopper:innen ist das ein | |
| großer Schatz. Und für alle anderen eine tolle Einladung, ein besonderes | |
| Kapitel von Deutschrap neu zu entdecken. | |
| 16 Jun 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Robert Matthies | |
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