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# taz.de -- Neues Album „GNX“ von Kendrick Lamar: Viel Freude, trotz Hass
> Rapper Kendrick Lamar findet auf seinem wütenden Album „GNX“ zu neuer
> Stärke. Dem Beef mit Kollege und Langweiler Drake sei Dank.
Bild: Reichlich PS unter der Motorhaube: Kendrick Lamar
Nach der künstlerischen Selbstentblößung seines Doppelalbums [1][„Mr.
Morale & the Big Steppers“ (2022) zog sich der bislang einzige mit einem
Pulitzerpreis geehrte US-Rapper Kendrick Lamar] dorthin zurück, wo er die
fünf Jahre zuvor verbrachte: fernab des Rampenlichts. Wahrscheinlich wäre
er dort auch lange geblieben. Doch dann behauptete Lamars Konkurrent J.
Cole im Song „First Person Shooter“ Ende 2023 dreist, er und sein
kanadischer Song-Coautor Drake wären in einer Liga mit Lamar. „We the big
three like we started a league“, hieß es da größenwahnsinnig.
Lamar ließ die denkbar lustigste Reaktion folgen, die er danach zur
tönenden Therapiesitzung weiterverarbeiten konnte: „Motherfuck the big
three, it’s just big me“, schoss er Anfang 2024 zurück. Cole wollte Beef
vermeiden und warf bald das Handtuch. [2][Doch Drake, in puncto
Medienpräsenz und kommerziellem Erfolg der gefühlt größte nordamerikanische
HipHop-Star, konnte das so nicht stehen lassen]. Und trat mit seinen
Beleidigungen in ein Wespennest.
Im Sommer folgte eine historische Schlammschlacht. Sie gipfelte in Lamars
bis dato größtem Hit: „Not Like Us“, eine clubtaugliche West-Coast-Hymne,
in der er sich als der blutüberströmte Sieger im Kampf gegen seinen
Kontrahenten Drake darstellte, den er als pädophilen Kolonialherrn
bezeichnete.
Einer der schmutzigsten Rap-Beefs der HipHop-Geschichte nahm an Fahrt auf,
aber trotz seiner Schmutzigkeit wurde kreatives Feuer in Kendrick Lamar
geweckt. Anders als noch bei „Mr. Morale & the Big Steppers“, bei dem er
sich an intergenerationellen Traumata abarbeitete, die Schattenseiten einer
Liebesbeziehung durchexerzierte und Ängste vor der Vaterschaft. Stargast
war damals der spirituelle Coach Eckhart Tolle. Ob Gehirnklempner Tolle
heute stolz auf seinen Ex-Patienten wäre? Wahrscheinlich nicht.
Aber für den HipHop ist der Beef zwischen Lamar und Drake ein Geschenk, wie
Lamars am Freitag überraschend veröffentlichtes Album „GNX“ nachdrücklich
demonstriert. Es ist sein am meisten fokussiertes Werk bis dato geworden –
und beginnt mit purer Verachtung. Anstatt weiter gegen den Widersacher
Drake zu wettern, sind im Auftaktsong „Wacced out Murals“ alle anderen
Konkurrenten an der Reihe, die ihn gekreuzt haben, von Lil Wayne bis Snoop
Dog.
Lamar spuckt seine Reime jedoch nie mit Bitterkeit aus. Sondern er reimt
mit ansteckender Kampfeslust. Vom Selbsthass und Märtyrerkomplex, wie sie
noch die Vorstellungswelten in den Tracks von „Mr. Morale …“
kennzeichneten, ist auf „GNX“ wenig zu spüren. Stattdessen rappt Kendrick
Lamar wieder um sein Leben. „I’ll kill ’em all / Before I let ’em kill …
joy.“
## Hart, ruppig und tief
Und in den Texten der zwölf Songs auf „GNX“ gibt es ziemlich viel „joy�…
dem Hass zum Trotz. Die Beats kommen hart, ruppig und tief in der
Geschichte des Westcoast-HipHop verankert. „Squabble up“ ist ein
G-Funk-Throwback, mit Call-and-Response-Passagen und
80er-Jahre-Electro-Sample. Lamar, der in seinen Strophen ständig
Inflektionspunkte, Akzent und Stil wechselt, rappt in „Reincarnated“ in
bestem Tupac-Shakur-Gedächtnis-Flow.
Titeltrack „GNX“ verbindet ein finsteres Piano-Sample mit stressig
synkopierten Drums. Mustard, der Produzent von „Not Like Us“, spendiert
Lamar gleich zwei Kopfnicker in seinem basslastigen „hyphy“
Markenzeichensound. Lamar ist dem Schmied seines größten Hits dafür
dankbar: In „TV Off“ schreit er seinen Namen mit der Inbrunst von Mel
Gibsons sterbender Hauptfigur in „Braveheart“: „Mustaaaaaaard!!!“
Solche oktanhaltigen Stücke werden mit seidenlakenen R&B-Songs
ausbalanciert, wie beim Duett „Luther“ mit SZA. Gerade die softeren Songs
profitieren vom ungewöhnlichsten Gast auf „GNX“: US-Starproduzent Jack
Antonoff, der die balladesken Tracks mit glamourösen Streicherarrangements
veredelt hat.
„GNX“, benannt nach dem Auto-Typ, in dem sein Vater ihn einst nach der
Geburt aus dem Krankenhaus abholte, wäre aber kein Kendrick-Lamar-Album
ohne therapeutische, selbstkritische Momente. Nur diesmal sind sie präziser
als je zuvor.
„Reincarnated“ beginnt als Ode an verstorbene Inspiratoren und entwickelt
sich zu einem Zwiegespräch von Lamar mit seinem Vater. „I’m tryna push
peace in L. A.!“, sagt er. „But you love war“, antwortet der Vater. „No…
don’t!“ „Yes, you do!“ Kendrick Lamar scheint eines über sich verstand…
haben: Er gewinnt die spannendste Musik aus seiner kreativen Ader, wenn er
wütend ist.
27 Nov 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Marius Magaard
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Musik
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