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# taz.de -- Beef zwischen Drake und Kendrick: Eine Fehde ohne Sieger
> Die Rap-Superstars duellieren sich mit Disstracks. Die klingen eher nach
> Informationskrieg statt Beleidigungen.
Bild: Streit der Musik-Ikonen: Drake vs. Kendrick
Manche Leute tun sich schwer, ein Kompliment anzunehmen. In einem
gemeinsamen Song der Rapper Drake [1][und J. Cole] kürte Letzterer 2023 die
„Big Three“ und meinte damit weder Wildtiere noch Weltmächte, sondern die
drei besten lebenden Rapper. Das seien er selbst, Drake und Kendrick Lamar.
Daraus hätte ein Schulterschluss werden können, aber der abwesende Dritte
sah es anders. „Scheiß auf die Big Three“, antwortete Lamar im März auf d…
Track „Like That“. Es gebe nur ihn – „Big Me“. Seitdem befinden sich …
und Lamar in einem erbitterten Rap-Beef – also einer rein musikalisch
geführten Fehde. Hoffentlich.
In der Nacht von Montag auf Dienstag kam es zu einem Drive-by-Shooting vor
Drakes Villa in Toronto. Ein Sicherheitsmann des Stars wurde angeschossen.
Über mögliche Motive wollte die örtliche Polizei bislang keine Angaben
machen. Soweit man weiß, sind Drake und Kendrick eigentlich nicht in
kriminelle Machenschaften verstrickt – anders als bei Rap-Rivalitäten der
Vergangenheit wie zwischen Tupac Shakur und The Notorious B.I.G., die beide
erschossen wurden.
Die Fehde zwischen Drake und Lamar wird aufmerksam verfolgt. Innerhalb
weniger Wochen sind zehn Disstracks erschienen. Die Aufmerksamkeit rührt
daher, dass J. Coles These über die besten lebenden Rapper wohl viele
unterschreiben würden. Drake und Lamar sind die größten Stars der vorerst
letzten Hip-Hop-Generation, die die Popkultur so richtig geprägt hat. Das
Genre ist nicht mehr der Taktgeber für die Charts und für Jugendkultur, der
es vor einigen Jahren noch war.
Die noch anhaltende [2][Relevanz von Drake] und Lamar speist sich derweil
aus zwei gegensätzlichen Ansätzen: Drake gilt als talentierter
Hitschreiber, als Meister im Erkennen von Trends. [3][Lamar, der als
bislang einziger Rapper mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet wurde, ist
bekannt als Kritiker*innenliebling mit komplexen Erzählungen].
Womöglich hätte Drake die Spitze aus „Like That“ auch ignorieren können,
wäre der Song nicht in sein Territorium eingedrungen: an die Spitze der
US-Charts. Beef zahlt sich aus.
## Wenn das Popcorn im Hals feststeckt
Aus dem Streit der beiden ist längst ein Pop-Spektakel geworden: In Social
Media, in Podcasts und Memes verfolgen die Fans jedes Detail des Beefs,
decodieren die Songs bis zur letzten Note und überschlagen sich mit teils
wilden Analysen. Dabei hätte den Fans eigentlich das Popcorn im Hals
stecken bleiben müssen, schon bevor in Toronto Schüsse fielen. Denn dieser
Beef zeigt vor allem, was passiert, wenn der Wettkampfgeist und Mut zum
Tabubruch der Hip-Hop-Kultur auf die Aufmerksamkeitsspiralen moderner
Social-Media-Diskurse prallen. Man landet dann bei Themen, die für ein
Unterhaltungsprogramm denkbar ungeeignet sind, wie häusliche Gewalt und
Pädokriminalität.
Drake will im Track „Family Matters“ wissen, dass Lamar seine Partnerin
geschlagen habe. Kendrick antwortete darauf mit Tracks, in denen er Drake
einen Pädophilen nennt und ihn mit Harvey Weinstein vergleicht. In Folge
der krassen Anschuldigungen warfen sich beide Rapper gegenseitig mangelnde
Sorgfaltspflicht und fehlende Belege vor. Dabei ist höchst fraglich, ob es
auch nur einem der beiden tatsächlich um den Schutz möglicher Opfer geht.
Keiner von ihnen ist moralisch erhaben: Kendrick Lamar arbeitete noch auf
seinem letzten Album mit dem für sexuelle Nötigung und Körperverletzung
verurteilten Kodak Black zusammen, Drake arbeitete auch nach dessen
Verurteilung wegen häuslicher Gewalt noch mehrfach mit Chris Brown.
Rapper haben sich in Beefs schon immer furchtbare Dinge vorgeworfen. Drake
und Kendrick tun dies nun aber im Wissen um das Gewicht, das derlei
Vorwürfe gerade auf Social Media entwickeln. [4][Das Gewaltpotenzial von
Männern gegenüber Frauen und Kindern] wird ausgenutzt, um eine rhetorische
Waffe zu schaffen. Ernsthaften Auseinandersetzungen mit Missbrauch erweist
das einen Bärendienst.
## Der Informationskrieg im Rap-Beef
Der Trend zum Rap-Beef, der mehr an schockierenden Enthüllungen
interessiert ist als an kreativen Beleidigungen, war schon beim letzten
öffentlichen Streit Drakes zu beobachten: Der Rapper Pusha T machte 2018 in
einem Disstrack bekannt, dass Drake einen Sohn geheimhielt. Kendrick Lamar
hat nun behauptet, sein Antagonist habe außerdem noch eine Tochter. Drake
gab in seiner Antwort an, dies sei eine Falschinformation, die er Kendrick
als Falle bewusst zugespielt habe. Der moderne Rap-Beef ist wohl ein
Informationskrieg. Zwar analysieren Fans auch den Wortwitz einzelner
Zeilen. Insgesamt überwiegt aber das Gefühl, eine politische
Desinformationskampagne zu beobachten statt eines lyrischen Wettkampfs.
Wo ist derweil J. Cole, der dritte der eingangs erwähnten „Big Three“? Der
veröffentlichte Anfang April einen einzigen Disstrack, für den er sich
wenig später entschuldigte, die Veröffentlichung von den Streaming-Diensten
entfernen ließ und damit den einzigen charmanten Moment dieser ansonsten
ziemlich toxischen Geschichte schuf. Vielleicht ahnte er schon, dass aus
einer Rap-Fehde im Informationszeitalter niemand als echter Sieger
hervorgehen kann.
10 May 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Mathis Raabe
## TAGS
Rap
Streit
Gewalt gegen Frauen
USA
Musik
Popkultur
HipHop
Kendrick Lamar
Kendrick Lamar
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