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# taz.de -- Kreuzberger Rapper Yaneq: Ein schepperndes Gänseblümchen
> Was wackelt und rumpelt denn da? „Reime und lose Gedanken“, das Album des
> Berliner Rappers Yaneq ist ein einzigartiger künstlerischer Drahtseilakt.
Bild: Der wahre Bürgermeister von Kreuzberg: Jan Kage alias Yaneq
Was der Berliner Künstler Yaneq (Jan Kage) auf seinem neuen Album „Reime
und lose Gedanken“ macht, ist schon noch HipHop, aber zugleich einiges
mehr.
Eigentlich lässt sich mit Rap eher schlecht altern, aber Yaneq, 52,
thematisiert sein Alter und die damit verbundenen Konsequenzen gleich
selbst: „Die hohe Stirn rasier ich mir / Lebe als Papiertiger“. Yaneq kennt
die Anfänge von Deutschrap noch aus eigener Anschauung. Jedoch versucht er,
weder krampfhaft an den angeblich Goldenen Zeiten des HipHop festzuhalten,
noch lässt er sich auf genretypische Plattitüden ein.
Er hat – wie alle hiesigen Rapper seiner Generation – eine sehr spezielle
Auffassung von Flow. [1][Es wackelt und rumpelt in den Vorstellungswelten
seiner Reime, zum Teil ist das gewollt.] Wenn der Berliner das Gesangliche
streift, erinnern die Kadenzen an Ol’ Dirty Bastard vom Wu-Tang Clan,
dessen Song „Shimmy Shimmy Ya“ Yaneq in „Besonderes Tier“ auch zitiert.
## Reimen auf Biegen und Brechen
Er verzieht die Originalzeile, macht aus „shimmy shimmy ya shimmy yoah
shimmy yeah“ am Ende seiner Zeile „shimmy yooh“, dann reimt es sich auf
Biegen und Brechen über „Kinderschuhn“ – „Innenroom“ – „blindes …
„findet Krum“… bis zu: „Isolation, da ist die Tür / Los, tritt sie ein,
Simsalabum“. Das kann man als verstolpert verwerfen oder als maximal frei
assoziiert feiern. Die Referenz wird no chmal gewendet: [2][„Shimmi ya /
Mich rockte das Seminar / Lese da – von Foucault bis Derrida.“]
Yaneq hat studiert, schreibt Artikel, veranstaltet eine Klubreihe und
kuratiert Ausstellungen: Multichecken hört man seiner Musik auch an. Das
Album ist beim Label Grzegorzki des Künstlerpaars Alicja Kwade und Gregor
Hildebrandt erschienen. Texte von Bertolt Brecht und Bob Marley werden als
Referenzen gestreift.
Privilegien, das Postfaktische, sozialen Medien, der brutale Alltag und das
Schöne und Wahre, alles wird gleichberechtigt verhandelt.
„Selbstverständnis / Änderer / Antifa /Typ eher Weltverbesserer“, rappt
Yaneq über sich selbst.
## Die Blume ist politisch
Den Krisen der Gegenwart zum Trotz bleibt er optimistisch, spricht von
Hoffnung und der Möglichkeit zur Veränderung. Und stellt sich quasi selbst
die Frage: „Zu viel Hippie? Die er wie folgt beantwortet: „Die Blume ist
politisch wie Flower-Power.“ Das kann man als naiv abtun, muss man aber
nicht. Hier lässt sich eine rhetorische Frage aus einem berühmten Song von
Nick Lowe ins Feld führen: „What’s so funny ’bout peace, love and
understanding?“ Hippie-Hasser haben bis heute keine schlüssige Antwort
darauf.
In der Musik von Yaneq ist stets genug Rotz, um die Sache nicht kippen zu
lassen. [3][Man hat es hier auf keinen Fall mit einem Wiedergänger von Max
Herre zu tun.] Unter der Bandcampseite steht passenderweise „Krauthop“ als
Tag, um seine Musik zu beschreiben. Yaneq weiß, wer er ist, was er da tut
und wie er es anstellt; das Rohe, Ungeschliffene und „So-Gelassene“ seiner
Instrumentals – simple Synthesizerhooks, selbst gebastelte Klangerzeuger,
Kinderinstrumente, schepprige Beats, das Einfache und Monotone – all das
ist sicher nicht einfach mal so passiert.
Die Musik für „Reime und lose Gedanken“ wurde im Transporterraum, dem
Studio des schon mal als „Starproduzenten“ bezeichneten Moses Schneider
aufgenommen. An den Reglern saß Yaneqs Produktionspartner Ben Lauber.
Schneider spielt auf einem Stück Bass. Weitere Gäste sind Technoproduzent
Marco Haas (T.Raumschmiere) und Moritz Schuhmacher (alias Mo Delgado),
Saxofonist der Berliner Band Seeed.
Yaneq kann offensichtlich überzeugen. Sein Album stellt einen beim Hören
immer wieder vor unbeantwortbare Fragen: Darf er das? Soll das so?
Die Musik ist auf mehreren Ebenen ein Drahtseilakt, man weiß beim Hören
nicht genau, ob das gut gehen wird, ob das alles durchdacht ist, ob das
nicht vielleicht zu hoch hinaus will. Es bleibt riskant. Aber in der Form
hat es „Reime und lose Gedanken“ noch nicht gegeben. Weder im HipHop noch
sonst wo.
25 Apr 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Henrik von Holtum
## TAGS
HipHop
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