| # taz.de -- „Haut wie Pelz“ von Rapper Apsilon: Wut kann so sensibel sein | |
| > Antwort auf Remigrationsfantasien: Apsilon verhandelt auf seinem | |
| > musikalisch und textlich packenden Debütalbum Rassismus, Trauma und | |
| > Männlichkeit. | |
| Bild: Posterboy Apsilon aus Berlin-Moabit | |
| Was tun, wenn das Land, in dem man lebt, einem das Gefühl gibt, man gehöre | |
| nicht dazu? „Haut wie Pelz“, das Debütalbum des Berliner Rappers Apsilon, | |
| beginnt mit einer Außenansicht: „Wenn Deutschland mich wieder ansieht / und | |
| sagt, mein Herz hat kein Platz hier… / Wenn mein Nachbar keine Menschen, | |
| sondern nur sein Land liebt.“ | |
| Die Reime sind geprägt von Eindrücken rund um das sogenannte | |
| Remigrationstreffen unter Beteiligung von AfD-Mitgliedern in Potsdam in | |
| diesem Jahr. Der rechtsradikale Geheimplan zeigte allen Menschen, die auch | |
| nur im Entferntesten als „migrantisch“ gelesen werden könnten, dass ihnen | |
| nicht einmal der deutsche Pass mehr die Zugehörigkeit zu diesem Staat | |
| garantiert. | |
| Apsilons Antwort ist der schonungslose Blick zurück: „Deutschland, ja, Du | |
| kannst uns abschieben / Deine Rentner sammeln trotzdem Pfandflaschen aus | |
| den Tonnen“. Er wählt den Kampf – gegen ein kapitalistisches System, das | |
| Menschen gegeneinander ausspielt und eine Mehrheitsgesellschaft, die dabei | |
| mitmacht und lieber gegen ein vermeintliches Außen tritt, als nach oben. | |
| [1][Apsilon, bürgerlich Arda, ist 1997 geboren und im Berliner Bezirk | |
| Moabit aufgewachsen. Sein Universum dreht sich um die dort zentral gelegene | |
| Turmstraße.] Apsilons Großeltern kamen in den 1970ern als Gastarbeiter aus | |
| der Türkei nach Berlin. In seinen Rapsongs verarbeitet er den Bruch, den | |
| die Migrationsgeschichte durch die Familienbiografie gerissen hat. Beats | |
| und Melodien dazu liefert überwiegend sein kleiner Bruder und Produzent | |
| Arman. | |
| Arda trat als Rapper erstmals 2021 in Erscheinung. [2][Der rassistische | |
| Terroranschlag in Hanau weckt eine Wut,] die er ein Jahr darauf im Song | |
| „[3][Köfte]“ ventiliert. Es ist ein schnelles, dichtes 3-Minuten-Stück. | |
| Apsilon setzt immer wieder in verschiedenen Flows an, auch der Beat | |
| wechselt zwischendurch. Im Text spannt er einen weiten Bogen von der | |
| Ausbeutung seines Opas, über Alltagsrassismus und sein eigenes | |
| Fremdheitsgefühl in Deutschland, bis zu aktuellen Debatten um die | |
| sogenannte „Leitkultur“ – ja, selbst den Holocaust bringt er unter. Es ist | |
| eine Hymne des Desintegriert-Euch: „Man kann doch ein braver Deutscher | |
| sein, wenn man nur möchte / Doch ich möchte nicht. Nein danke, trinke Chai | |
| und esse Köfte.“ | |
| ## Die konstruktive Emotion | |
| Wut ist selbstverständlich nichts Neues im HipHop. Sie gehört längst zum | |
| Instrumentarium eines Genres, das sich der Selbstermächtigung verschrieben | |
| hat – auch zum Preis der Erniedrigung anderer, [4][wie der Beef zwischen | |
| dem US-Rapper Kendrick Lamar und seinem kanadischen Kontrahenten Drake | |
| unlängst zeigte]. Apsilon aber richtet seine Wut zielgenau gegen Staat und | |
| System sowie gegen jene Teile der Gesellschaft, die helfen, es | |
| aufrechtzuerhalten. Aus einer destruktiven wird so eine konstruktive | |
| Emotion. | |
| Auf den bisher veröffentlichten drei EPs konzentrierten sich Apsilon und | |
| sein Bruder Arman auf ihr Spezialrezept: Indiefresserap auf Trapbeats. Für | |
| „Haut wie Pelz“ dagegen ist der Klangteppich nun deutlich breiter, dichter | |
| und bunter geknüpft. Da sind etwa der Stolperflow auf dem Titelsong und die | |
| hochgepitchten monotonen Vocals bei „Reiche Freunde“. Vor allem aber singt | |
| sich Apsilon durch mindestens die halbe Albumlänge – mal mehr, mal weniger | |
| kaschiert durch Autotune. Das funktioniert vor allem in letzterem Fall und | |
| unter Pianobegleitung, etwa auf „Koffer“ und „Baba“. | |
| ## Experimentierfreude | |
| Diese Öffnung spielt sich auch auf inhaltlicher Ebene ab. Neben Wut und | |
| Selbstermächtigung werden Verletzlichkeit, Selbstzweifel und Liebe in den | |
| Texten thematisiert. Etwa in Art eines Chansons in „So leicht“, oder als | |
| Ballade in „[5][Baba]“. Mit letzterem landete Apsilon einen Hit – und lö… | |
| eine Debatte um Männlichkeit aus. Darin klagt er auf liebevolle Weise | |
| seinen Vater dafür an, dass der zu viel auf sich nehme und es nicht | |
| zulasse, auch mal Schwäche zu zeigen. | |
| Apsilon singt „ich hab das auch, Baba“, und erkennt die Probleme seines | |
| Vaters auch als seine an. Der Song ist damit der Versuch, sich zu öffnen, | |
| einen Dialog zu starten und das vererbte Trauma endlich zu überwinden, das | |
| seiner Familie durch Rassismus und Ausbeutung auferlegt wurde. | |
| Themenvielfalt und Experimentierfreudigkeit auf „Haut wie Pelz“ | |
| versprechen, dass auch in Zukunft Apsilons Musik nicht langweilig wird. | |
| Einige seiner besten Stücke sind leider nicht auf dem Album gelandet, | |
| sondern wurden bereits auf den EPs veröffentlicht. Dennoch – oder gerade | |
| deswegen – rundet „Haut wie Pelz“ ein wirklich beachtenswertes Gesamtwerk | |
| eines Rappers ab, der erst seit drei Jahren Musik veröffentlicht. | |
| 18 Oct 2024 | |
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| [1] /Einsparungen-in-Moabit/!6034221 | |
| [2] /Rechtsextremer-Anschlag/!6037890 | |
| [3] https://www.youtube.com/watch?v=jSwJaCsSD8s | |
| [4] /Beef-zwischen-Drake-und-Kendrick/!6006973 | |
| [5] https://www.youtube.com/watch?v=-pe_Kkg98zs | |
| ## AUTOREN | |
| Jannik Grimmbacher | |
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