# taz.de -- Polizeibericht zu Übergriffen in Köln: „Chaotisch und beschäme… | |
> Der interne Bericht eines Polizeibeamten offenbart die Überforderung der | |
> Polizei. Auch die Aggressivität der Täter wird beschrieben. | |
Bild: Weiterhin gibt es nur wenige gesicherte Informationen über die Silvester… | |
BERLIN taz | Es ist ein Dokument des Grauens. Der interne Bericht eines | |
Polizeibeamten, der in leitender Funktion am Kölner Hauptbahnhof im Einsatz | |
war, offenbart eine fatale Überforderung der Sicherheitskräfte in der | |
Silvesternacht. | |
Der „viel zu geringe Kräfteansatz, fehlende Führungsmittel und | |
Einsatzmittel“ hätten „alle eingesetzten Kräfte ziemlich schnell an die | |
Leistungsgrenze gebracht“, heißt es in dem Einsatzprotokoll, dessen | |
Authentizität die Bundespolizeidirektion Sankt Augustin der taz bestätigte. | |
Die Einsatzkräfte hätten nicht aller Übergriffe und Straftaten Herr werden | |
können, „dafür waren es einfach zu viele zur gleichen Zeit“. | |
In drastischen Worten beschreibt der Oberkommissar die „chaotische und | |
beschämende Situation“ in der Silvesternacht. Feuerwerkskörper jeglicher | |
Art und Flaschen seien wahllos in die Menge gefeuert worden. „Frauen mit | |
Begleitung oder ohne durchliefen einen im wahrsten Sinne ‚Spießroutenlauf‘ | |
durch die stark alkoholisierten Männermassen, wie man es nicht beschreiben | |
kann.“ Aufgewühlte Passanten seien auf die Beamten zugelaufen und hätten | |
„über Schlägereien, Diebstähle, sexuelle Übergriffe an Frauen usw.“ | |
berichtet. | |
Selbst das Erscheinen der Polizeikräfte hätte „die Massen nicht von ihrem | |
Tun“ abgehalten. Im Gegenteil: Nahmen die Beamten „Hilferufe von | |
Geschädigten“ wahr, seien sie „z. B. durch Verdichtung des | |
Personenringes/Massenbildung daran gehindert“ worden, „an die Betreffenden | |
zu gelangen“. „Geschädigte/Zeugen wurden vor Ort, bei Nennung des Täters | |
bedroht oder im Nachgang verfolgt.“ | |
Erteilte Platzverweise seien folgenlos geblieben: „Betreffende Personen | |
tauchten immer wieder auf und machten sich einen Spaß aus der Situation.“ | |
Eine Ingewahrsamnahme sei „in dieser Lage aufgrund der Kapazitätsgrenzen | |
nicht in Betracht“ gekommen. Auffällig sei „die sehr hohe Anzahl an | |
Migranten innerhalb der polizeilichen Maßnahmen“ gewesen. | |
Während es in der schriftlichen Darstellung der Kölner Polizei vom Dienstag | |
noch heißt, nach der Räumung des Bahnhofsvorplatzes um Mitternacht hätte | |
sich die Situation zunehmend beruhigt, zeichnet der interne | |
Bundespolizeibericht ein anderes Bild. Danach sei es im weiteren | |
Einsatzverlauf „immer wieder zu mehrfachen körperlichen | |
Auseinandersetzungen vereinzelter Personen wie auch Personengruppen, | |
Diebstählen und Raubdelikten an mehreren Ereignisorten gleichzeitig“ | |
gekommen. | |
Außerdem seien „zahlreiche weinende und schockierte“ Frauen und Mädchen b… | |
den eingesetzten Beamten erschienen und hätten sexuelle Übergriffe | |
geschildert. Immerhin hätten im Bahnhof jedoch aufgrund der ständigen | |
Präsenz der Einsatzkräfte und aufmerksamer Passanten „vollendete | |
Vergewaltigungen verhindert werden“ können. | |
## Parlamentarisches Nachspiel | |
Die Schilderungen in dem Einsatzprotokoll decken sich mit zahlreichen | |
Betroffenen- und Zeugenaussagen – weichen allerdings in ihrer Dramatik von | |
der bisherigen offiziellen Version der Kölner Polizei ab. Wie ist das | |
möglich? Am Donnerstag musste Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers zum | |
Rapport bei NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) antreten. | |
Am kommenden Montag beschäftigt sich der Innenausschuss des Düsseldorfer | |
Landtags auf einer Sondersitzung mit dem Kölner Silvesterdesaster. „Aus | |
Respekt vor dem Parlament werde ich für die Öffentlichkeit zunächst bis zu | |
diesem Zeitpunkt keine weiteren Details zur Einsatzvorbereitung und zum | |
Einsatzverlauf erläutern“, teilte Albers mit. | |
Nach Angaben der Kölner Polizei ist die Zahl der Strafanzeigen inzwischen | |
auf 170 gestiegen. Dabei geht es in 117 Fällen um sexuelle Übergriffe – | |
zumeist in Kombination mit Diebstahl oder Raub. Zwei Vergewaltigungen | |
wurden angezeigt. Wie viele Frauen und Männer tatsächlich zu Schaden | |
gekommen sind, sei bisher unklar und werde noch überprüft, sagte eine | |
Polizeisprecherin der taz. Oft bezögen sich die Anzeigen auf mehrere Opfer. | |
Deren Zahl liegt dementsprechend höher als die der Anzeigen. Sehr viele der | |
Geschädigten stammen nicht aus Köln. | |
## Größe der Tätergruppe unklar | |
Weshalb die Zahl der angezeigten sexuellen Übergriffe in den letzten Tagen | |
stark angestiegen ist, erklärte die Sprecherin mit der neuen Gewichtung der | |
Ereignisse. Manche Anzeigen hatten zunächst keine sexuelle Handlung | |
beinhaltet. „Als Beispiel: Ein Schlag auf den Po ist vielleicht als nicht | |
so schlimm bewertet worden“, erläuterte sie. „Das ist erst auf gezielte | |
Nachfrage jetzt herausgekommen.“ Bei ersten Vernehmungen hätten sich die | |
Beamten noch nicht auf Sexualdelikte konzentriert. „Auf der Wache war in | |
der Nacht das Ausmaß nicht klar“, sagte die Sprecherin. | |
Nach wie vor unklar ist die Größe der Tätergruppe. Zwar hielten sich in der | |
Silvesternacht mehr als 1.000 Menschen am Hauptbahnhof auf, wie viele davon | |
Straftaten begingen, sei jedoch ungewiss. Das gilt insbesondere für jene – | |
nach Zeugenaussagen „nordafrikanisch“ aussehende – Gruppe, die mit einer | |
brutalisierten, sexuell übergriffigen Form des „Antanz“-Tricks Frauen | |
beraubt und beklaut haben: Es könne durchaus sein, dass es sich hier „nur | |
um 10 bis 20 Täter handelt“, sagte die Sprecherin. | |
Nach Angaben des Bundesinnenministerium hat die Bundespolizei bislang 31 | |
namentlich bekannte Tatverdächtige festgestellt, davon hätten 29 eine | |
ausländische und zwei die deutsche Staatsbürgerschaft. Wie ein Sprecher des | |
Ministeriums am Freitag in Berlin mitteilte, wurden neben den beiden | |
Deutschen neun algerische, acht marokkanische, vier syrische, fünf | |
iranische, ein irakischer, ein serbischer und ein US-amerikanischer | |
Tatverdächtiger ermittelt. 18 der 29 Ausländer hätten den Status als | |
Asylbewerber. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe beziehen sich überwiegend | |
auf Diebstahls- und Körperverletzungsdelikte. Sexualdelikte seien bisher | |
nicht mit den Asylbewerbern in Verbindung gebracht worden, sagte der | |
Ministeriumssprecher. | |
## Handyvideos aus der Silvesternacht | |
Bei der Bundespolizei seien zwar drei Strafanzeigen wegen Sexualdelikten, | |
die als „Beleidigung auf sexueller Basis“ eingestuft worden seien, | |
eingegangen. Tatverdächtige seien in diesen Fällen aber bisher nicht | |
ermittelt worden. Der Sprecher betonte, seine Angaben beschränkten sich auf | |
den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei, die ihrem Auftrag gemäß nur | |
innerhalb des Kölner Hauptbahnhofs sowie bis zu einer Entfernung von 30 | |
Metern auf dem Vorplatz eingesetzt war. | |
Die Kölner Polizei hat Ermittlungsverfahren gegen 21 Tatverdächtige | |
eingeleitet. In der Nacht zum Freitag nahm sie am Breslauer Platz hinter | |
dem Hauptbahnhof zwei junge Männer nicht-deutscher Herkunft fest. Bei ihrer | |
Durchsuchung stellten die Beamten Handys sicher, auf denen Videos und Fotos | |
aus der Silvesternacht gespeichert waren. Unter anderem sollen sexuelle | |
Übergriffe auf Frauen zu sehen sein. | |
Außerdem wurde ein Zettel gefunden, der handschriftlich verfasste | |
Übersetzungshilfen in deutscher und arabischer Sprache enthält. Das | |
Spektrum der Übersetzungen reicht von „Ich scherze mit Ihnen“ über „Ich | |
will fucken“ bis „Ich töte Sie“. Die beiden Männer, die nach Polizeiang… | |
aus dem nordafrikanischen Raum stammen und im Alter von 16 und 23 Jahren | |
sind, sollen am Samstag dem Haftrichter vorgeführt werden. | |
## Ähnliche Taten in anderen Städten | |
Bereits seit vergangenem Sonntag befinden sich zwei Männer in | |
Untersuchungshaft, die am frühen Sonntagmorgen mehrere Frauen bedrängt und | |
per „Antanz“-Trick einen Reisenden bestohlen haben sollen. In den Taschen | |
und Jacken der Verhafteten fanden die Beamten sowohl das Handy des | |
Geschädigten als auch weitere Mobiltelefone und ein Tablet, für die kein | |
Eigentumsnachweis erbracht werden konnte. Ob die beiden Männer auch in | |
Zusammenhang mit den Vorfällen der Silvesternacht stehen, ist allerdings | |
nach wie vor unklar. | |
Das zur Aufklärung der Kölner Ereignisse eingerichtete Ermittlungsteam | |
wurde inzwischen von 10 auf knapp 80 Beamte verstärkt. Auch in Hamburg | |
wurde eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Dort hatte es auf der Reeperbahn | |
und am Jungfernstieg vergleichbare Vorfälle wie in Köln gegeben. In der | |
Hansestadt wurden bislang 70 Strafanzeigen wegen sexueller Belästigung | |
gestellt. In 23 der genannten Fälle sind die Frauen auch bestohlen oder | |
beraubt worden. Zudem sind zwei Fälle von Körperverletzung angezeigt | |
worden. Mit Blick auf Köln sagte ein Hamburger Polizeisprecher: „Wir haben | |
keine Anhaltspunkte dafür, dass es da Verbindungen gibt.“ | |
Auch in Berlin, Stuttgart, Düsseldorf, Nürnberg und weiteren Städten gab es | |
ähnliche Taten, allerdings in weit geringeren Umfang. | |
8 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Astrid Ehrenhauser | |
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