# taz.de -- Der „Focus“ zu den Kölner Übergriffen: Titel der Schande | |
> Der „Focus“ inszeniert sexuelle Gewalt als erotische Fantasie. Das ist | |
> nicht Kritik an Rape Culture, das ist Rape Culture. Und rassistisch. | |
Bild: Will Sexismus anprangern, ist selbst sexistisch: „Focus“-Titel vom 8.… | |
Der Focus-Titel ist so schauerlich, dass er zunächst wie ein Witz wirkt. | |
Man könnte das Blatt dafür auslachen, wenn dieses Muster nicht so | |
niederträchtig wäre. Die Zeitschrift gibt vor, sexuelle Gewalt anzuprangern | |
und wirft sich in aufklärerische Pose. Dabei ist sie aufklärerisch, wenn | |
auch unfreiwillig: Der Titel ist das elegante Sinnbild für alles, was in | |
den vergangenen Tagen in der Diskussion um die sexuellen Übergriffe in Köln | |
falsch gelaufen ist. Er attackiert den Sexismus der „Anderen“, ist aber | |
selbst sexistisch und erotisiert sexuelle Gewalt. | |
Das ist nicht Kritik [1][an Rape Culture], es ist Rape Culture. | |
Zu sehen ist eine nackte, weiße, schlanke Frau, die sich die Hände vor | |
Brüste und Vulva hält, von reißerischen Textbalken notdürftig bedeckt. Die | |
Frau ist nicht nur nackt, sondern ihre Ungeschütztheit wird erotisiert, ihr | |
Mund ist leicht geöffnet. Das ist besonders bitter, weil der Titel selbst | |
somit den betroffenen Frauen die Kleider vom Körper reißt. | |
Ohnehin ist der Focus Teil der deutschen Rape Culture, die Frauen auf ihren | |
Körper reduziert. Auf Magazin-Titelseiten [2][illustrieren nackte Frauen | |
alle möglichen Themen], wie im öffentlichen Raum nackte Frauenkörper | |
[3][alle möglichen Produkte bewerben]. Übergriffe werden bagatellisiert, | |
zum Beispiel, indem sie „Sex-Attacken“ genannt werden, als hätten sie etwas | |
mit Sex zu tun. | |
Dieser Titel bemüht einen Klassiker sexistischer Werbung, die geköpfte | |
Frau: Ihre Augenpartie ist nicht mehr im Bild. Sie ist auf ihren Körper | |
reduziert, de-individualisiert. Sie wird betrachtet, kann aber nicht | |
zurückschauen, ist Opfer und nicht Handelnde. | |
Zugleich gibt es in Deutschland [4][keine angemessene rechtliche Handhabe], | |
sexualisierte Gewalt zu verfolgen. Sie [5][ist quasi straffrei], wie | |
Feminist_innen immer wieder betonen. Wenn sexuelle Gewalt thematisiert | |
wird, schreien normalerweise Tausende Männerrechtlertrolle | |
„Unschuldsvermutung!!!“. Und auch jetzt entblödet sich Focus-Chefredakteur | |
Ulrich Reitz nicht, [6][im Newsletter] Sexismus unter dem Stichwort | |
„Herrenwitz“ zu verharmlosen. | |
Wie sonst auch geht es in dieser Debatte weniger um die Opfer sexistischer | |
Gewalt und den Kampf gegen den alltäglichen Sexismus. Das ist nur | |
vorgeschoben – sexuelle Gewalt wird hier offenbar erst dann als solche | |
anerkannt, wenn sie von nichtweißen Männern ausgeübt wird. Feminist_innen | |
[7][wehren sich] gegen diese [8][rassistische Vereinnahmung] und zeigen, | |
[9][was stattdessen zu tun wäre]. | |
Der Focus beteiligt sich an dieser Hetze, indem er eine vermeintlich offene | |
Gesellschaft für die Übergriffe verantwortlich macht: „Nach den | |
Sex-Attacken von Migranten: Sind wir noch tolerant oder schon blind?“ Damit | |
bezieht er sich nicht darauf, dass die deutsche Gesellschaft schon immer | |
tolerant mit Sexualstraftätern umgegangen ist und vor sexualisierter Gewalt | |
die Augen verschließt. Nein, die falsche Toleranz hat „Migranten“ allgemein | |
gegolten. | |
## Gängiges rassistisches Motiv | |
Auf dem Focus-Titel ist der Körper der Frau mit schwarzen Handabdrücken | |
bedeckt. Auch die Süddeutsche Zeitung [10][illustriert das Thema in der | |
Wochenendausgabe] ähnlich mit einer Schwarzweiß-Grafik: Ein schwarzer Arm | |
greift zwischen zwei weiße Frauenbeine. | |
Die Vorstellung, dass dunkle Haut abfärbt, ist ein altes und gängiges | |
rassistisches Motiv, das dunkle mit dreckiger Haut gleichsetzt. Das Bild | |
von schwarzen Händen, die nach einem weißen Körper greifen, von nichtweißen | |
Männern, die [11][weißen Frauen nachstellen], stammt zudem von tief unten | |
aus dem Reich [12][rassistischer sexueller Fantasien]: die Beschmutzung der | |
weißen Frau. „Rassenschande“. | |
Engagement gegen Sexismus wäre bitter nötig. Aber solche Illustrationen | |
sind Rassismus unter dem Vorwand, Sexismus anzuprangern. Und sind dabei | |
selbst sexistisch. | |
9 Jan 2016 | |
## LINKS | |
[1] /Rape-Culture/!5075574 | |
[2] /Kolumne-Luft-und-Liebe/!5033516 | |
[3] http://www.buzzfeed.com/philippjahner/post-feminismus | |
[4] /Verschaerfung-des-Strafrechts/!5263352 | |
[5] /Kolumne-Luft-und-Liebe/!5035540 | |
[6] http://mailings.focus-magazin.de/go/s64639jahxezbncog7ctdjuc29qd5gdxur604kg… | |
[7] http://www.vice.com/de/read/die-rape-culture-wurde-nicht-nach-deutschland-i… | |
[8] /Gewalt-gegen-Frauen/!5263311 | |
[9] http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/margarete-stokowski-ueber-sexuali… | |
[10] http://www.facebook.com/ihre.sz/photos/pb.215982125159841.-2207520000.1452… | |
[11] /Ressentiments-gegen-Fluechtlinge/!5246298 | |
[12] http://www.facebook.com/442349675959722/photos/a.442394149288608.107374182… | |
## AUTOREN | |
Lalon Sander | |
Anna Böcker | |
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