Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schuldzuweisungen bei Übergriffen: #EineArmlänge zu unnütz
> Kölns OB Henriette Reker rät Frauen, Abstand zu halten. Das verschiebt
> die Schuldfrage. Im Netz erntet sie dafür viel Häme.
Bild: „So geht #eineArmlänge“, spotten Twitter-User zum Vorschlag, Frauen …
BERLIN taz | Henriette Reker hat sich keinen Gefallen getan. Dabei hatte
sie es doch gut gemeint. Nach den Übergriffen auf Frauen am Kölner
Hauptbahnhof in der Silvesternacht [1][erklärte Kölns Oberbürgermeisterin],
um sich zu schützen, sollten Frauen zu fremden Männern „eine gewisse
Distanz“ halten, die „weiter als eine Armlänge betrifft“. Bumm, das hat
gesessen: Es sind also die potentiellen Opfer, die gegen Vergewaltigung
vorgehen müssen – und nicht diejenigen, die den Übergriff begehen.
Leider ist genau das nichts Neues. „Die Schuldfrage steht leider sehr oft
im Raum“, sagt Claudia Winker vom Verein Frauenhorizonte in Freiburg. Die
Beratungsstelle arbeitet mit Frauen, die Opfer von sexuellen Übergriffen
geworden sind. Zu oft werde gefragt, was das Opfer zur Tatzeit getragen
habe – einen kurzen Rock oder ein tief ausgeschnittenes Oberteil –, oder ob
die Frau Alkohol getrunken habe. „Aber die Antworten auf diese Fragen sind
egal“, sagt Winker.
„Victim blaming“ nennt man diese Verschiebung der Verantwortung. Und genau
so lautet auch der Vorwurf, den Reker sich nun im Netz gefallen lassen
muss. „Ich schlage dieses unsägliche Wort jetzt schon zum Unwort des Jahres
2016 vor #einearmlaenge“, [2][schreibt eine Nutzerin auf Twitter]. „Regeln
für Frauen* aufstellen damit sie nicht Opfer werden. Man nennt das übrigens
#Victimblaming #eineArmlänge“, [3][schreibt eine andere Userin]. Auch
Justizminister Heiko Maas konnte vom Trend-Hashtag #eineArmlaenge [4][nicht
die Finger lassen]: „Von Verhaltenstipps für Frauen wie #einearmlaenge
halte ich rein gar nichts. Nicht Frauen tragen Verantwortung, sondern
Täter. #koelnbhf“
Doch neben Empörung hat Reker im Netz auch viel Spott geerntet. In den
Twittertimelines stapeln sich alle Witze, die sich über Armlängen und
Abstände nur machen lassen. „Von blöden Ratschlägen [5][#einearmlaenge
Abstand halten]“, Bilder von Menschen, die in [6][überdimensionierten
Plastikkugeln] umherkullern, Kommentare wie „So geht #eineArmlänge“ zu
[7][Bildern von Frauen mit Boxhandschuhen]. Und dazwischen irgendwo auch
versöhnlichere Töne: „Ich glaube, @henriettereker hat die #einearmlaenge
gut gemeint. Niemand kann alles. Jetzt holt sie sich hoffentlich kompetente
Beraterinnen.“
Victim Blaming ist eines der Schlagworte, die immer wieder auftauchen, wenn
es um Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe geht – genau so wie der
Begriff der „[8][Rape Culture“], der die gesellschaftliche Duldung
sexueller Übergriffe bezeichnet. Deutlich werden solche Probleme etwa in
Bezug auf das Münchener Oktoberfest. [9][In einer Meldung] berichtete die
Polizei im September 2015, ein „spaßig gemeinter Griff unter den Rock
seiner amerikanischen Wiesn-Bekanntschaft“ habe für einen Besucher „äuße…
schmerzhaft“ geendet – die Frau knallte ihm ihren Maßkrug gegen den Kopf.
Sie musste sich anschließend wegen gefährlicher Körperverletzung
verantworten. Mehr als das Adjektiv „spaßig“ fiel den Beamten zum Übergri…
des Mannes nicht ein. „Don‘t tell me what to wear – tell your sons not to
rape“, lautet die zentrale Forderung im Kampf gegen die wiederkehrende
Schuldzuweisung an die Opfer. Die Äußerungen von Reker, wie auch die
Polizeimeldung, zeigen, dass die Forderung auch in Deutschland leider noch
nicht überflüssig ist.
6 Jan 2016
## LINKS
[1] http://www.youtube.com/watch?v=KRzfSx-I-3o
[2] http://twitter.com/sabine_m_b/status/684685154279944192
[3] http://twitter.com/amina_you/status/684425090172338176
[4] http://twitter.com/HeikoMaas/status/684656346910846976
[5] http://twitter.com/netnrd/status/684469552252608512
[6] http://twitter.com/DoraKristina/status/684453598953127936
[7] http://twitter.com/randbild/status/684684348457639936
[8] /!5075574/
[9] http://www.polizei.bayern.de/muenchen/kriminalitaet/statistik/index.html/18…
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Rape Culture
Henriette Reker
Köln
Sexualisierte Gewalt
Frauen
Bild-Zeitung
Sexuelle Gewalt
Schwerpunkt Rassismus
Gewalt gegen Frauen
Sexuelle Gewalt
Rape Culture
Sexualstrafrecht
Rape Culture
Indien
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berichterstattung der „Bild“-Zeitung: Victim Blaming im Fall Malina
Mit irrelevanten Details relativiert die „Bild“-Zeitung die Unschuld einer
vermissten Studentin. Das ist nichts Neues – und bleibt doch skandalös.
379 Anzeigen, 150 wegen sexueller Gewalt: 30-60-370plus
Das Öffentlichmachen der Übergriffe in Köln hat betroffenen Frauen Mut
gemacht, Anzeige zu erstatten. Bisher haben sie oft geschwiegen.
Der „Focus“ zu den Kölner Übergriffen: Titel der Schande
Der „Focus“ inszeniert sexuelle Gewalt als erotische Fantasie. Das ist
nicht Kritik an Rape Culture, das ist Rape Culture. Und rassistisch.
Präventionstipps für Männer: Vergewaltige niemanden!
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker legt Frauen Verhaltensregeln
nahe, um nicht vergewaltigt zu werden. Hier die Männerversion.
Kommentar Übergriffe in Köln: Ein Täter ist ein Täter ist ein Täter
Sexuelle Gewalt ist an keine Ethnie gebunden. Wer anderes behauptet, ist
nicht nur rassistisch, sondern auch frauenverachtend.
Rape Culture und Trolle auf Twitter: Was zu beweisen war
Menschen, die eine Vergewaltigung erlebt haben, twittern über ihre
Sprachlosigkeit – und ernten Spott und Drohungen. Ganz toll, Internet.
Kampagne gegen Missbrauch von Frauen: Warum ist Hinsehen so schwierig?
Eine von sechs Frauen ist Opfer von Gewalt – und die Welt streitet über die
Farbe eines Kleides. Eine Kampagne nutzt das, um das Wegsehen anzuprangern.
Rape Culture: Die hässliche Wirklichkeit
In Deutschland werden – im Gegensatz zu Indien – Vergewaltigungen rigoros
geahndet. Oder? Nicht ganz. Opfern wird generell misstraut.
Vergewaltigung in Indien: Kotzen vor Wut
Viele InderInnen empören sich über eine Vergewaltigung in ihrem Land, die
zum Tod des Opfers führte. Wir reden drüber. Aber wann empören wir uns mit?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.