Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Dumme weiße Männer: Eier aus Fleisch
> Nach Köln erklären weiße Männer Frauen, wie das mit der sexualisierten
> Gewalt wirklich ist. Oder sie wünschen ihnen Vergewaltigungen.
Bild: Dieses Ei ist ziemlich aufgeregt.
Für die Selbstdarstellung weißer Männer ist das neue Jahr ein gutes
gewesen. Jeder noch so unbedeutende Blässling kann die eigene Überlegenheit
in Sachen Frauenrechte bescheiden zur Beachtung vorlegen. Zum Beispiel ein
Facebooker, der zwar selbst regelmäßig Tittenkarikaturen postet, aber als
er sich auf meine Profilseite verirrt hatte, bekanntgab: „Ich jedenfalls
ehre und achte die Frauen“. Als ihm dann zwei Frauen sagten, sie könnten
schon für sich sprechen, trollte er sich mit den Worten: „Ihr werdet erst
dann verstehen, wenn Ihr selbst die Leidtragenden seid.“
Welches Leid er ihnen wünschte, führte der Brüstewitzbold nicht aus, aber
andere haben da weniger Hemmungen. Einen guten „Grabsch…äh Rutsch“ wüns…
ein Leserbriefschreiber einer Kollegin letzte Woche. „Gerate mir nicht
unter die Finger du stinkende linksextreme F.“, [1][twitterte ein weiterer
einer anderen Kollegin] – vier Minuten nachdem er behauptet hatte, dass er
„von drei Muslimen vergewaltigt wurde“.
„Ich wünsche Dir, dass Du belästigt wirst“, „Ich wünsche Dir einen
arabischen, ungewaschenen Finger da, wo Du ihn nicht haben willst“,
[2][zitiert Buzzfeed-Chefredakteurin Juliane Leopold] Zuschriften an sie
und andere Frauen. Als [3][die Kampagne „ausnahmslos“] von zahlreichen
Feminist_innen anlief, [4][verabredeten sich weiße Männer im Internet] um
ihren Hashtag mit Pornografie und Bildern von Gewalt gegen Frauen zu
fluten: „Extra twitter Account anlegen um femnazis zu Bashen? Da bin ich
dabei!“ (sic!), schrieb einer ganz hibbelig.
Klar, da wurden Verbrechen an Frauen begangen, die sowieso fast immer nur
an Frauen begangen werden, die vorrangig von Frauen erforscht werden, weil
sie Männern meist egal sind – aber wenn weiße Männer mal die Verbrecher der
„Anderen“ besprechen wollen, haben Frauen den Mund zu halten. Weiße Männer
wissen besser, was Frauen zu fühlen haben. Sie wissen besser, welche
Verallgemeinerungen zulässig sind und welche Schlüsse zu ziehen sind. Und
vor allem wissen sie genau, was Frauen erleben sollten, damit sie endlich
mal die Dinge auch so sehen wie weiße Männer.
Weiße Männer? Ja, Trolle im Internet [5][haben weiße Penisse], und
[6][Leute ohne] sind meistens ihre Opfer. Ähnlich wie die weiß und männlich
dominierten „besorgen Bürger“, die heimlich Flüchtlingsheime anzünden,
kommt ihre Kritik aus der Anonymität, von Twitterkonten mit einem
Ei-Standardprofilbild: „Besorgte Eier“ werden sie genannt. Wenn so ein
„besorgtes Ei“ mal die Anonymität verlässt, kommt meist eine [7][traurige,
weiße, männliche] [8][Existenz zum Vorschein].
## Gefühle, Lügen und Strafen
Auch nach Köln haben sich mehrere solche fleischgewordene Eier zu Wort
gemeldet.
Wer wissen will, wie sich begrapschte Frauen fühlen, kann bei Ulrich Reitz
nachfragen, dem Chefredakteur des Focus. Er verantwortete den Focus-Titel
zu Köln, der aus Sicht der Frauen titelte: „Wir klagen an“, und das [9][mit
dem Bild einer nackten, weißen Frau] mit dunklen Handabdrücken am Körper
illustrierte. Die Sicht von Frauen ist dasselbe wie die Sicht auf eine Frau
– darauf muss man erst einmal kommen. Doch selbst nach der breiten Kritik
am Titel [10][bleibt Reitz dabei]: Dieser zeige „sehr treffend, wie sich
die Opfer der Silvesternacht gefühlt haben“. Folglich beginnt der Artikel
des Focus auch mit einem Opfer, die sagte, dass sie sich gefühlt habe „als
würde sie im Fotostudio mit Fingerfarben angemalt“.
Wer wissen will, wann Frauen überhaupt nicht in Gefahr sind, kann sich an
den Zahlenjongleur Rainer Meyer wenden, der sonst eher über
Weiße-Jungs-Themen wie Computer und Aktien bloggt. Jener weiße Ritter zog
aus, um zu beweisen, dass es für Frauen auf dem Oktoberfest gar nicht so
schlimm sei. Der Beweis: Die Polizei wollte [11][eine vielzitierte
Dunkelziffer] eines Präventionsprojektes zu Vergewaltigungen auf dem
Oktoberfest [12][nicht bestätigen], weil es definitionsgemäß keine
offizielle Dunkelziffer geben kann – es ist eine Dunkelziffer.
Wenn man etwas an der falschen Stelle sucht und dann nichts findet,
[13][haben natürlich die anderen gelogen]. Gelogen haben dann [14][zum
Beispiel jene Frauen,] die berichten, welche Maßnahmen sie beim Oktoberfest
ergreifen müssen, um sich selbst zu schützen. Offen bleibt, woher die große
Motivation kommt, ausgerechnet diesen Beweis führen zu wollen.
Henryk Broder hingegen ersann eine besonders poetische Strafe für jene
Autorinnen des Tagesspiegels, die – wie so viele andere auch – [15][darauf
hinwiesen], dass es in Deutschland auch abseits von dieser besonders
schlimmen Silvesternacht in Köln nicht besonders sicher für Frauen ist. Auf
seinem Blog „Achse des Guten“, für den vor allem weiße Männer schreiben,
[16][wünschte Broder den Frauen], dass sie bei der Terromiliz Islamischer
Staat mal erfahren, was „Rape Culture bedeutet“.
Vergewaltigung ist schließlich die Mindeststrafe für Menschen, die Artikel
schreiben, die weißen Männern missfallen.
20 Jan 2016
## LINKS
[1] http://twitter.com/marga_owski/status/685473475671273473
[2] http://kleinerdrei.org/2016/01/mir-wird-uebel-bei-jedem-taeter/
[3] http://ausnahmslos.org/
[4] http://www.buzzfeed.com/philippjahner/falschesgrau
[5] http://www.latimes.com/opinion/op-ed/la-oe-morrison-phillips-20150701-colum…
[6] http://www.youtube.com/watch?v=PuNIwYsz7PI&t=2m38s
[7] http://www.theguardian.com/society/2015/feb/02/what-happened-confronted-cru…
[8] http://makemeasammich.org/2014/09/09/they-are-not-trolls-they-are-men/
[9] /!5267901/
[10] http://mailings.focus-magazin.de/go/7v4639jahxerau4khof0bnnkzc9h76cd47hcks…
[11] /!5156348/
[12] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/die-uebergriffe-in-koeln-un…
[13] http://twitter.com/faz_donalphonso/status/685487893272465409
[14] http://www.sueddeutsche.de/muenchen/sexuelle-uebergriffe-auf-dem-oktoberfe…
[15] http://www.tagesspiegel.de/politik/nach-den-uebergriffen-in-koeln-warum-ha…
[16] http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/die_presseschau_zum_a…
## AUTOREN
Lalon Sander
## TAGS
Köln
Sexualisierte Gewalt
Trolle
Dumme weiße Männer
Schwerpunkt Henryk M. Broder
Vergewaltigung
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Brexit
Köln
Bild-Zeitung
Clausnitz
Kolonialismus
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
Sexismusdebatte
Donald Trump
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gerät schlägt bei Übergriffen Alarm: Deine Vergewaltigung geschehe
Ein neues Gerät soll Alarm schlagen, wenn seine Trägerin vergewaltigt wird.
Aber diese Erfindung kann nicht die Lösung sein.
Weblog Die Achse des Guten: Scharf rechts abgebogen
Henryk M. Broder regt sich über Migranten, Merkel und die Medien auf. Und
bekommt damit immer mehr Applaus von rechts.
Kolumne Dumme weiße Männer: Vorauseilender Untergang
Der Brexit zeigt: Für den Untergang des Abendlandes braucht es keine
herbeifantasierte Invasion. Dumme weiße Männer reichen aus.
Ausschuss zur Kölner Silvesternacht: Ex-Polizeichef bittet um Verzeihung
Der ehemalige Kölner Polizeichef erscheint vor dem Untersuchungsausschuss
im NRW-Parlament. Er sagt, die Polizei habe die betroffenen Frauen nicht
genug geschützt.
Rügen des Presserates: Sexistischer „Focus“-Titel war okay
Der Deutsche Presserat hat Beschwerden über den Focus-Titel zur Kölner
Silvesternacht abgewiesen. Die Bild bekam vier Rügen, weil sie den
Opferschutz verletzte.
Kolumne Dumme weiße Männer: Die Prinzen von Clausnitz
Clausnitz zeigt, dass dumme weiße Männer wegen Wehwehchen an die Decke
gehen. Ihre Opfer sind Leute, denen es wirklich schlecht geht.
Kolumne Dumme weiße Männer: Die Bürde des Reichtums
Weiße Männer sind stolz darauf, reicher zu sein als zum Beispiel
„Wirtschaftsflüchtlinge“. Dabei haben sie ihren Wohlstand über Jahre
zusammengeklaut.
Kolumne Dumme weiße Männer: Kartoffelstärke für Deutschland
Die AfD ist eine Parallelgesellschaft weißer Männer. Entsprechend sind auch
ihre Wahlprogramme: quengelig und verschwörungstheoretisch.
Kommentar: Deutsche Männer fürchten um „ihre“ Frauen: Die rassistische Em…
Die plötzliche Aufregung über sexualisierte Gewalt gegen Frauen bedient
einen rassistischen Diskurs. Um Frauen geht es dabei nicht wirklich, um
Sexismus schon gar nicht
Der „Focus“ zu den Kölner Übergriffen: Titel der Schande
Der „Focus“ inszeniert sexuelle Gewalt als erotische Fantasie. Das ist
nicht Kritik an Rape Culture, das ist Rape Culture. Und rassistisch.
Gewalt gegen Frauen: Willkommen in der Hölle, Ladys
Seit der Kölner Silvesternacht wird einer sexismusfreien Zeit
hinterhergetrauert. Die hat es in Deutschland nie gegeben.
Kolumne Dumme weiße Männer: Das Jahr des weißen Mannes
Vor Kurzem wurde der Niedergang des weißen Mannes vorausgesagt. 2015 zeigte
aber, dass er noch immer für den größten Unfug verantwortlich ist.
Sexuelle Übergriffe auf dem Oktoberfest: O'grapscht is
Nächsten Samstag startet in München das Oktoberfest. Sexuelle Übergriffe
gehören dort zum Alltag. Rund zehn Vergewaltigungen pro Oktoberfest gehen
in die Statistik ein – die Dunkelziffer wird auf 200 geschätzt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.