# taz.de -- Gewalttätige „Spaziergänge“ in Köln: Menschenjagd in der Inn… | |
> Per Facebook rufen Hooligans, Rocker und Rechte zur Hatz auf | |
> Andersaussehende auf. Viele kommen, die Polizei reagiert mit einem | |
> Großaufgebot. | |
Bild: Nicht nur vor dem Dom hat die Polizei ihre Präsenz in der Kölner Innens… | |
KÖLN/BERLIN taz | Daniel S. ist zufrieden. „Erfolg auf ganzer Linie, trotz | |
etlicher Platzverweise“, postet der Mittvierziger auf Facebook. „Für uns | |
KÖLLE auf ein nächstes Mal.“ Unter der Woche ist Daniel S. bei den Kölner | |
Abfallwirtschaftsbetrieben beschäftigt, am Sonntag gehörte er offenkundig | |
zu jenen deutsch aussehenden Männern, die in der Domstadt Jagd auf | |
Andersaussehende machten. Trotz starker Präsenz konnte die Kölner Polizei | |
Übergriffe nicht verhindern. | |
Bereits am Nachmittag um 16.30 Uhr erhielt die Polizei nach eigenen Angaben | |
Hinweise auf Personengruppen, „die gezielt Provokationen suchen“. Um 18.30 | |
Uhr warnte die Kölner Antifa über die sozialen Netzwerke vor entsprechenden | |
Gruppen rund um den Kölner Hauptbahnhof: „Passt auf euch auf!“ Kurz darauf | |
wurden die ersten Ausländer „geklatscht“. | |
Über das Internet hätten sich Rechtsextreme, Hooligans, Rocker und | |
Türsteher zu „Spaziergängen“ in der Innenstadt verabredet, berichtete der | |
Kölner Polizeidirektor Norbert Wagner am Montag. In kleinen Gruppen | |
„patrouillierten“ die Muskelpakete durch die Stadt. Die Polizei reagierte | |
mit einem Großaufgebot. Fast 200 Platzverweise wurden ausgesprochen. Bei 13 | |
der überprüften Personen lagen Erkenntnisse aus dem Bereich der extremen | |
Rechten vor, 18 stammten aus dem Rocker- und Türsteher-Milieu. | |
Doch die Gewalt verhindern konnte die Polizei nicht. So berichtete Wagner | |
von einem Mann afrikanischer Herkunft, der nahe der Hohenzollernbrücke über | |
den Rhein von 25 Schlägern verfolgt wurde. Er floh in eine Gruppe | |
pakistanischer Köln-Besucher. Die sechs Personen wurden dann von den | |
„Spaziergängern“ angegriffen. „Sie wurden geschlagen und getreten, es wu… | |
auch eine Flasche eingesetzt“, berichtete Wagner. | |
Wenige Minuten später gab es an drei weiteren Stellen der Kölner Innenstadt | |
brutale Szenen: Zwei Syrer wurden angegriffen, drei Menschen aus Guinea. | |
Womöglich ist das längst noch nicht alles: „Wir erwarten noch weitere | |
Strafanzeigen von Menschen, die sich bisher noch nicht bei uns gemeldet | |
haben“, sagte Polizeidirektor Wagner. Laut einem Augenzeugenbericht sollen | |
auch im Kölner Hauptbahnhof zwei nicht deutsch aussehende Menschen | |
angegriffen und verletzt worden sein. | |
Wagner sprach von „fremdenfeindlichen Straftaten“. Vier Verdächtige wurden | |
in Gewahrsam genommen. Als Täter identifiziert wurde jedoch zunächst | |
niemand. „Köln ist sehr groß“, sagte Wagner dazu, dass die gewalttätigen | |
Übergriffe nicht verhindert werden konnten. „Die Gruppierungen waren in | |
Zivilkleidung unterwegs, die haben nicht auf der Stirn stehen, dass sie an | |
Straftaten teilnehmen wollen.“ | |
## Polizei will „Grenzen aufzeigen“ | |
Dass rechte Gruppen durch die Kölner Innenstadt marschieren und Menschen | |
angreifen, ist für Köln eine neue Erfahrung. „Wir werden nicht zulassen, | |
dass Gewalttäter das Recht in die eigene Hand nehmen“, versprach Michael | |
Temme, der bei der Kölner Polizei für die Gefahrenabwehr zuständig ist. „Da | |
werden wir deutlich Grenzen aufzeigen.“ | |
Als Reaktion auf die Vorfälle vom Sonntag zeigte die Polizei auch in der | |
Nacht zu Dienstag eine starke Präsenz in der Kölner Innenstadt. Insgesamt | |
kontrollierten die Beamten 154 Personen und führten Gefährderansprachen | |
durch. Zwei Personen nahmen sie zur Durchsetzung eines Platzverweises in | |
Gewahrsam. Zusätzlich wurden sechs Strafanzeigen unter anderem wegen | |
Diebstahls, Betrugs, Beleidigung und Verstoß gegen das Waffengesetz sowie | |
Widerstand gegen Polizeibeamte gefertigt. | |
Das Kölner Polizeipräsidium ist eifrig darum bemüht, das Bild zu | |
vermitteln, sie sei Herr der Lage. „Wir wollen das Vertrauen der | |
Bevölkerung in die Polizei wieder herstellen, dafür werden wir rund um die | |
Uhr im Einsatz sein“, versprach Polizeidirektor Wagner. | |
Kölns DGB-Vorsitzender Andreas Kossiski verurteilte die „Selbstjustiz“ der | |
„Sonntags-Spaziergänger“ scharf: „Genauso wie bei den Tätern der | |
Silvesternacht gilt es, die Angreifer schnellstens zu ermitteln und sie mit | |
den Instrumenten unseres Rechtsstaats einem geordneten Verfahren | |
zuzuführen.“ | |
12 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Frank Überall | |
Pascal Beucker | |
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