# taz.de -- Bundestagsdebatte nach Köln: Nüchtern und differenziert diskutiert | |
> Die Koalition wirbt für die schnelle Abschiebung Krimineller. Die Grünen | |
> fordern mehr Polizei. Nur ein Politiker erlaubt sich eine Spitze. | |
Bild: Die Situation vor dem Kölner Hauptbahnhof am Silvesterabend war Thema im… | |
Berlin taz | Eine solche Vorlage verwandelt Wolfgang Bosbach, das | |
Talkshowschlachtross der CDU, natürlich im Schlaf. Dass jetzt selbst die | |
Grünen mehr Polizei forderten, sei interessant, sagte Bosbach und schaute | |
zu seiner Vorrednerin hinüber, Grünen-Fraktionschefin Katrin | |
Göring-Eckardt. „Das war ja mal anders.“ Zumal die Grünen in Ländern wie | |
Nordrhein-Westfalen oder Berlin dafür gesorgt hätten, dass Polizei abgebaut | |
werde. | |
Die Spitze Bosbachs blieb in der Bundestagsdebatte über die sexuellen | |
Übergriffe auf Frauen in Köln die Ausnahme. Die Parlamentarier vermieden am | |
Mittwoch parteipolitische Beschuldigungen, stattdessen diskutierten sie | |
nüchtern und meist differenziert. Zu Beginn begründeten Ole Schröder, | |
CDU-Staatssekretär im Innenministerium, und Justizminister Heiko Maas (SPD) | |
die Pläne der Großen Koalition, kriminelle Flüchtlinge schneller | |
auszuweisen und das Sexualstrafrecht zu verschärfen. | |
„Es wird keine rechtsfreien Räume in Deutschland geben“, sagte Schröder. | |
Wenn Menschen hier Schutz suchten und schwere Straftaten begingen, „dann | |
haben sie in diesem Land nichts zu suchen.“ Schröder thematisierte auch die | |
Hetze von Pegida, AfD und Neonazis gegen Flüchtlinge. „Niemand darf die | |
furchtbaren Straftaten mit Hass und Rassismus beantworten.“ In der | |
Silvesternacht hatten vor und im Kölner Hauptbahnhof meist angetrunkene | |
ausländische Männer Frauen bedroht, sexuell belästigt und bestohlen. | |
Justizminister Maas argumentierte ähnlich. „Niemand darf sich über Recht | |
und Gesetz stellen – egal welchen oder ob er einen Pass hat.“ Er wies | |
darauf hin, dass es Hunderttausende Flüchtlinge nicht verdient hätten, mit | |
den Tätern in einen Topf geworfen zu werden. Das Triumphgeheul von | |
Rassisten und Hetzern, das nach Bekanntwerden der Taten eingesetzt habe, | |
sei „widerlich“. | |
## Strengere Maßnahmen | |
Die Koalition will nun im Eiltempo strengere Maßnahmen beschließen. Bisher | |
sind Menschen, die Asyl beantragt haben, vor Ausweisung geschützt. Der | |
Schutz entfällt nur, wenn der Flüchtling zu einer Freiheitsstrafe von | |
mindestens drei Jahren verurteilt wurde. Diese Grenze wird jetzt bei | |
bestimmten Delikten auf ein Jahr abgesenkt. Außerdem wollen Union und SPD | |
Lücken im Sexualstrafrecht schließen. So ist es zum Beispiel bisher | |
schwierig, das Begrapschen in einer Menschenmenge zu ahnden. | |
Die Linkspartei-Abgeordnete Katja Kipping setzte in ihrer Rede einen | |
anderen Akzent. Sie werde den Eindruck nicht los, dass in der Debatte | |
Frauenrechte instrumentalisiert würden. „Viele, die jetzt eine | |
Ausländer-raus-Rhetorik pflegen, haben vorher das Geld für Frauenhäuser | |
zusammengestrichen“, sagte sie mit Blick auf Teile der Union. „Sexismus ist | |
kein Import aus dem Ausland, sondern Bestandteil der Gesellschaft.“ Ein | |
Viertel der in Deutschland lebenden Frauen habe laut einer Studie Gewalt | |
durch einen Partner erfahren. Wer diese Debatte kulturalistisch führe, | |
mache sich zum Helfershelfer von AfD und Pegida, rief Kipping. | |
Die Grüne Göring-Eckardt sagte, der Staat müsse garantieren, dass sich jede | |
Frau frei im öffentlichen Raum bewegen könne. „Wenn der Staat das nicht | |
schafft, macht das Angst.“ Göring-Eckardt forderte außerdem eine bessere | |
Ausstattung der Polizei. „Es waren nicht genug Polizisten da, die die Taten | |
hätten verhindern können.“ | |
Über diese Forderung lästerte Bosbach wenig später, worauf ihn der Grüne | |
Konstantin von Notz in einer Zwischenfrage daran erinnerte, dass die CDU | |
seit über zehn Jahren im Bund das Innenministerium besetzt, mithin für die | |
Bundespolizei zuständig ist. | |
13 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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