| # taz.de -- Konsequenzen für grapschende Männer: Unter Umständen straflos | |
| > Die Silvesterübergriffe offenbaren Lücken im deutschen Strafrecht. Ein | |
| > Gesetzentwurf des Justizministers könnte sie zumindest teilweise | |
| > schließen. | |
| Bild: Schließt einige Gesetzeslücken, andere aber nicht: Justizminister Heiko… | |
| Karlsruhe taz | Der Eindruck hat sich festgesetzt: In der Kölner | |
| Silvesternacht hat es viele schwere Straftaten gegen die sexuelle | |
| Selbstbestimmung von Frauen gegeben. Aber die Rechtslage beim „Angrapschen“ | |
| ist ziemlich lückenhaft. | |
| Wenn einer Frau in der Menschenmenge an die Brust oder zwischen die Beine | |
| gegriffen wird, würde man erwarten, dass dies eine strafbare sexuelle | |
| Nötigung ist. Doch aus zwei Gründen ist das nicht so einfach. | |
| Das deutsche Sexualstrafrecht geht von einem zweiaktigen Vorgang aus: Erst | |
| wird die Frau mit Gewalt oder einer Drohung eingeschüchtert, dann duldet | |
| sie eine unerwünschte sexuelle Handlung des Täters. Beim Grapschen in der | |
| Menschenmenge gibt es aber nur einen Akt: Der Täter greift einfach zu. | |
| Hier will ein schon länger geplanter Gesetzentwurf zum Sexualstrafrecht von | |
| Justizminister Heiko Maas (SPD) Abhilfe schaffen. Sexueller Missbrauch soll | |
| auch dann strafbar sein, wenn er auf einer „überraschenden Begehung der | |
| Tat“ beruht. | |
| Keine Lösung hat Maas bisher aber für das zweite Problem. Eine sexuelle | |
| Nötigung ist laut Strafgesetzbuch nur dann strafbar, wenn es um eine | |
| sexuelle Handlung „von einiger Erheblichkeit“ geht (§ 184h). Kurze oder | |
| unbedeutende Handlungen sollen nicht strafbar sein. | |
| ## Die „Geschlechtsehre“ der Frau | |
| So hat der Bundesgerichtshof (BGH) 1983 differenziert: Ein kurzer Griff an | |
| die weiblichen Brust über der Kleidung ist nicht strafbar, ein längeres | |
| Betasten des Busens unter dem Nachthemd ist dagegen erheblich. 1997 hat der | |
| BGH das „Begrabschen“ einer Frau sogar generell als nicht strafbare „grobe | |
| Zudringlichkeit“ bezeichnet. | |
| Aufgedrängte Zungenküsse stufte der BGH 1962 zuerst nur als „ungehörige | |
| Zudringlichkeit“ ein. Erst 2012 wurde ein unerwünschter Zungenkuss als | |
| erhebliche sexuelle Handlung bewertet, wobei die Schwelle zur Strafbarkeit | |
| „nur geringfügig“ überschritten sei. | |
| Begründet wird die Zögerlichkeit damit, dass die sexuelle Nötigung ein | |
| Verbrechen sei, also eine besonders schwere Straftat mit einer | |
| Mindeststrafe von einem Jahr. | |
| Manche Gerichte versuchten, die Lücke zu schließen, indem sie das | |
| Begrabschen einer Frau als „Beleidigung“ ahndeten. So hat das | |
| Oberlandesgericht Bamberg 2006 einen Radfahrer verurteilt, der im | |
| Vorbeifahren einer Joggerin in den Schritt gegriffen hatte. Damit habe er | |
| die „Geschlechtsehre“ der Frau verletzt. | |
| Wird eine Frau von Männern umringt und festgehalten, während andere ihr | |
| unter den Rock greifen, ist das eindeutig eine sexuelle Nötigung. Werden | |
| dabei noch Finger in die Scheide eingeführt, gilt das als Vergewaltigung, | |
| mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren. | |
| 13 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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