| # taz.de -- Palast der Republik im Berliner Schloss: Knochen und Lampen | |
| > Die Ausstellung über den Palast der Republik in Berlin ist nicht | |
| > uninteressant. Doch warum läuft sie im Humboldt Forum? Ist das nicht | |
| > Siegerzynismus? | |
| Bild: Ambivalenter Ort für Repräsentation und Vergnügen in sozialistischer B… | |
| Es ist wahrscheinlich ehrlich, wenn Hartmut Dorgerloh zugibt: „Der Palast | |
| steckt dem Humboldt Forum in den Knochen.“ Tatsächlich hat der umstrittene | |
| Abriss des Palastes der Republik 2008 nicht nur einen Phantomschmerz bei | |
| denen hinterlassen, denen er zu DDR-Zeiten als „Honeckers Lampenladen“ Ort | |
| des Vergnügens und des Verlustierens war. Der Abriss ging auch einher mit | |
| der zweifelhaften Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses, das seit | |
| 2020 vom Humboldt Forum bespielt wird, unter anderem mit dem Ethnologischen | |
| Museum und dem Museum für Asiatische Kunst. | |
| Hartmut Dorgerloh hätte auch sagen können, der Palast gehe in der | |
| Schlosskopie um wie ein Gespenst. Doch dann fängt der Generalintendant des | |
| Humboldt Forums den kurzen Moment der Irritation wieder ein mit einer | |
| nichtssagenden Relativierung. „Schon seit 600 Jahren geht es an diesem Ort | |
| um Macht und Repräsentation, aber auch um Ohnmacht.“ Nichts Neues also, | |
| auch dem Bau des 1976 eröffneten und 1990 schon wieder geschlossenen | |
| Palastes steckte schließlich das erst 1950 gesprengte Stadtschloss in den | |
| Knochen. | |
| „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ heißt die nun | |
| eröffnete Ausstellung, die Dorgerloh der Presse vorstellte. 300 Exponate | |
| zeigt die große Sonderschau, darunter [1][Willi Sittes Gemälde] „Die rote | |
| Fahne“, das in der Galerie des Palastes hing. Sitte wurden neben 15 | |
| weiteren Malern beauftragt, für die Galerie Werke des Sozialistischen | |
| Realismus zu schaffen – und eine Antwort auf die Frage zu geben: „Dürfen | |
| Kommunisten träumen?“ | |
| Das – unideologische – Gegenstück zu den Gemälden in der Galerie war die | |
| von Reginald Richter und Richard O. Wilhelm entworfene, fünf Tonnen schwere | |
| Glas-Stahl-Plastik „Gläserne Blume“. Sie zierte im Palast das großzügige | |
| Foyer. Erstmals nach seiner Schließung sind Fragmente von ihr wieder zu | |
| sehen. | |
| ## Kein Dämonisieren, kein Idealisieren | |
| Freilich geht es bei dieser Ausstellung nicht so sehr darum, was sie zeigt, | |
| sondern dass sie überhaupt gezeigt wird. Ist das der Versuch, Wunden zu | |
| heilen oder dem Ort, an dem sich das Humboldt Forum befindet, postum | |
| gerecht zu werden? Dorgerloh sagt, weder wolle er den Abrissbeschluss | |
| infrage stellen noch den Palast „dämonisieren“ oder „idealisieren“. | |
| Vielmehr gehe es darum, „die Vergangenheit immer wieder neu zu verhandeln“ | |
| und einen „Ort zu schaffen, an dem man einander wieder zuhört“. | |
| Für die ehemaligen Gegner des Abrisses und die Initiatorinnen einer | |
| Zwischennutzung des entleerten Betonbaus als „Volkspalast“ 2004 und 2005 | |
| ist das Zynismus. Schon ein paar Tage vor der Ausstellungseröffnung haben | |
| sich der Architekturprofessor Philipp Oswalt und Berlins Ex-Kultursenator | |
| Thomas Flierl mit einer Reihe von Aktivistinnen zu Wort gemeldet. | |
| „Solange es nicht zu einer Korrektur der äußeren Erscheinung des Bauwerks | |
| kommt“, schreiben sie in einer Stellungnahme, sei die Ausstellung „ein | |
| fadenscheiniges Feigenblatt“. Mit der äußeren Erscheinung ist unter anderem | |
| die christliche Symbolik an der Schlosskuppel gemeint, finanziert durch | |
| [2][Spender auch aus der rechtsextremen Szene]. | |
| Doch die Schlosskopie scheint dem Humboldt Forum nicht in den Knochen zu | |
| stecken. Nicht ein Mal nahm Dorgerloh auf der Pressekonferenz das | |
| Schloss-Wort in den Mund. Es gehe vielmehr nur um die Erinnerung an den | |
| Palast, die mit dieser Ausstellung zu einem großen Programmschwerpunkt | |
| seines Hauses wird. | |
| Nicht nur mit prominenten Gegnerinnen und Befürwortern des Abrisses hat das | |
| Team um Programmleiterin Judith Prokasky im Rahmen ihrer Forschungsarbeiten | |
| gesprochen, sondern auch mit Mitarbeitern aus dem Palast, mit einstigen | |
| Besucherinnen, auch mit denen, die sich dem Ort demonstrativ fernhielten. | |
| Viola Borgwedel zum Beispiel, eine Mitarbeiterin in einer der | |
| Spreegaststätten im Kellergeschoss des Volkspalastes, sagt: „Ich wollte | |
| mich höher qualifizieren und wollte Restaurantleiter werden. Das wurde mir | |
| verweigert, weil ich kein Parteibuch hatte.“ Ritchie Barton wiederum, | |
| Keyborder der Band Silly, spricht darüber, welchen Spagat es bedeutete, im | |
| Palast aufzutreten. Im Backstagebereich sei dann aber alles „schwerst | |
| international“ gewesen. „Man hätte auch denken können, man ist in New | |
| York.“ | |
| ## Unterhaltung und subventionierte Gastronomie | |
| So kommen 50 Zeitzeugeninterviews zusammen, die die Erinnerung an den | |
| Palast in die Gegenwart tragen und zumindest in diesem Sinn dem Untertitel | |
| der Schau gerecht werden. Sie stehen im Zentrum der Retrospektive, das | |
| verdeutlicht auch die Ausstellungsarchitektur. Über eine Rampe geht es zu | |
| einer weitläufigen Hörinsel. In der darf der Palast der Republik noch | |
| einmal sein, was er war: ein ambivalenter Ort zwischen Repräsentation und | |
| Unterhaltung, subventionierter Gastronomie und beliebtem Treffpunkt. | |
| Interessant ist die Recherche zum Verbleib zahlreicher Interieurs aus dem | |
| 1976 fertiggestellten Palast mit dem Volkskammersaal, dem Großen Saal, 13 | |
| Restaurants, einer Bowlingbahn, der Gemäldegalerie und dem Theater im | |
| Palast. Vieles davon wurde in den ersten Nachwendejahren verscherbelt. | |
| Erst 1996/97 haben das Bundesbauamt und das Landesdenkmalamt eine | |
| denkmalpflegerische Dokumentation in Auftrag gegeben, heißt es im Katalog | |
| zur Ausstellung. Grund dafür war der Beschluss, dass im Zuge der | |
| Asbestsanierung alle Gegenstände aus dem Palast entfernt werden mussten. | |
| Die „Gläserne Blume“ hat das nicht mehr in toto retten können. Was nun im | |
| Humboldt Forum zu sehen ist, sind ihre Reste. Normalerweise lagern sie im | |
| Depot des Deutschen Historischen Museums. | |
| Auch die Glocke, mit der die erste frei gewählte Präsidentin der | |
| DDR-Volkskammer, Sabine Bergmann-Pohl, das Ergebnis der Abstimmung zum | |
| Beitritt zur Bundesrepublik bekannt gab, bleibt verschollen. Um sie vor dem | |
| Verlust zu bewahren, hatte Bergmann-Pohl die Glocke zunächst bei sich zu | |
| Hause aufbewahrt. Als ihr vorgeworfen wurde, sie habe die Glocke geklaut, | |
| gab sie sie in die Obhut eines Bonner Beamten. Später wollte sie Christoph | |
| Stölzl für das Deutsche Historische Museum haben, doch da war sie bereits | |
| verschwunden. Bergmann-Pohl, die ursprünglich gegen den Abriss des Palastes | |
| war, sagt heute, sie habe mit dem Humboldt Forum ihren Frieden gemacht. | |
| ## Die rechtsextremen Schlossfinanzierer | |
| Anderen fällt das schwerer. Zwar war einige Zeit zu hoffen, dass sich das | |
| Humboldt Forum von seiner Schlosshülle emanzipieren könnte. Das aber ist | |
| spätestens seit den Recherchen zu den rechtsextremen Spendern eine | |
| Illusion. Philipp Oswalt, der die Recherchen maßgeblich vorangetrieben | |
| hat, befindet sich nicht nur im Clinch mit Intendant Dorgerloh, sondern | |
| auch in einem Rechtsstreit mit dem Förderverein Berliner Schloss. | |
| Und sicher wird nun auch die Frage auftauchen, ob die Ausstellung der Reste | |
| dessen, was der Abriss des Palastes übrig gelassen hat, nicht auch als | |
| Überheblichkeit der „Sieger“ gewertet werden kann. Vielleicht sogar als | |
| eine der kolonialen Gesten, deren Aufarbeitung das Humboldt Forum sich doch | |
| eigentlich [3][auf die Fahnen geschrieben] hat. | |
| 21 May 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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