| # taz.de -- Ausstellungen im Humboldt Forum öffnen: Take it easy, altes Haus | |
| > Fassade und Kuppel des rekonstruierten Stadtschlosses werden Berlin noch | |
| > lange Zeit beschäftigen. Nun öffnen sechs Ausstellungen. | |
| Bild: Eine zu viel? Vorn die Kuppel des Stadtschlosses, dem Humboldt Forum, dah… | |
| Berlin taz | Das Erste, was bei dem Spaziergang auffällt: Rund ums Berliner | |
| Schloss gibt es kaum einen Ort, der wirklich zum Verweilen einlädt. Außer | |
| zwei kleinen Beeten, einem Hain aus 31 stadtklimaverträglichen | |
| Lederhülsenbäumen und zwei Trauerweiden am Spreekanal ist es hier vor allem | |
| – steinern. „Und in so einem Umfeld steht nun das Humboldt Forum“, | |
| schüttelt Hans von Trotha den Kopf, „wo Fragen unserer Zeit wie der | |
| Klimawandel diskutiert werden sollen.“ | |
| Gerade hat der Historiker, Schriftsteller und Journalist von Trotha sein | |
| neues Buch veröffentlicht: [1][„Die große Illusion. Ein Schloss, eine | |
| Fassade und ein Traum von Preußen“], heißt es. Darin lässt er auf so | |
| informative wie vergnügliche Art noch einmal die Debatte um die | |
| Rekonstruktion des Berliner Schlosses Revue passieren. | |
| Wie kaum eine andere spaltet diese Debatte seit 30 Jahren die Berliner | |
| Stadtgesellschaft. Und auch, wenn von Trotha gar nicht auf die | |
| Ausstellungen eingeht, die endlich am 20. Juli im [2][Humboldt Forum] | |
| hinter der Schlossfassade eröffnet werden: Sein „Versuch über die Fassade�… | |
| wie er sein Buch auch nennt, führt noch einmal glasklar vor Augen, wie alt | |
| die Schlossrekonstruktion eigentlich schon ist. Schon 30 Jahre ist es her, | |
| dass der Landmaschinenhersteller aus Schleswig-Holstein, Wilhelm von | |
| Boddien, zum ersten Mal die Idee dazu hatte und auf großen Planen seine | |
| Schloss-Simulation installierte, wie von Trotha schreibt. | |
| Vor knapp 20 Jahren wurde es dann vom Bundestag beschlossen. 2006 bis 2008 | |
| wurde der [3][Palast der Republik], der zuvor von zahlreichen | |
| Künstler*innen subversiv zwischengenutzt und von vielen jungen Leuten | |
| als riesiger Freiraum empfunden wurde, zurückgebaut. | |
| All das ist viel Zeit. Die wissenschaftlichen und gesellschaftlichen | |
| Debatten haben sich seitdem stark verändert – und von Trotha fragt sich zu | |
| Recht, ob die demokratische Entscheidung für dieses Schloss heute noch | |
| einmal so getroffen würde. | |
| ## Absolutheitsanspruch des Christentums | |
| Wir sind inzwischen am westlichen Zipfel des 200 Meter langen und 120 Meter | |
| breiten Schlosses angelangt, puh. Von hier hat man den besten Blick auf | |
| [4][die Kuppel des Schlosses], um das im Mai erneut heftig gestritten | |
| wurde, als Laterne samt Kreuz installiert und durch den Abbau der | |
| Baugerüste erstmals das blaue Spruchband am Fuß der Kuppel sichtbar wurde. | |
| Der Text ist 1854 vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV aus zwei | |
| Bibelzitaten montiert worden und behauptet nicht nur den | |
| Absolutheitsanspruch des Christentums und Gottesgnadentum, sondern | |
| berichtet auch von den preußischen Eliten, die kurz nach der Revolution von | |
| 1848 von der Reichseinigung unter preußischer Führung träumten. | |
| Beim Beschluss des Bundestages 2002 war die Kuppel noch eine Option. Aber | |
| dann wurden die Entwürfe ohne Kuppel ausgesondert. „Ich glaube, diese | |
| Kuppel werden sie wieder runter nehmen müssen“, sagt von Trotha mit einem | |
| verschmitzten Lächeln – und weist darauf hin, dass Kurator*innen aus | |
| aller Welt der Auffassung sind, dass die Kuppel alles unterläuft, was das | |
| Humboldt Forum vorgibt, sein zu wollen. | |
| Es geht weiter um das Schloss herum, um diesen Koloss, der, wie von Trotha | |
| aus seinem Buch zitiert, „größten Projektionsfläche Berlins“, diesem „… | |
| diesem „AKW Mitte“, das in all seiner barocken Pracht so massiv und so | |
| einschüchternd wirkt. | |
| ## Wer in aller Welt soll das verstehen? | |
| Wir passieren das [5][Staatsratsgebäude der DDR], das nach dem Abriss der | |
| Schlossruine 1950 gebaut worden ist. Ein DDR-Schinken mit echtem | |
| Schloss-Portal, von dem angeblich Karl Liebknecht die sozialistische | |
| Republik ausgerufen hat. Das Portal gibt es jetzt gleich nebenan noch | |
| einmal – in Kopie. Wer in aller Welt soll das verstehen? | |
| Schließlich laufen wir am Ufer des Spreekanals weiter, am modernen Teil der | |
| Fassade entlang, den manche*n Betrachter*in an ein monumentales | |
| Abluftgitter erinnert – und kehren zurück zur barocken Fassade gegenüber | |
| des Doms. | |
| „Oft genug wurde betont, dass diese Fassade weder Preußen noch die | |
| Monarchie verherrliche. Was aber dann?“, fragt Hans von Trotha, als der | |
| Spaziergang zu Ende geht. „Es ist der Retro-Traum einer konservativen | |
| Elite, die es ihrer Gegenwart nochmal richtig zeigen wollte“, fügt er an. | |
| Und nun ist das Schloss gesetzt. | |
| Daran, vermutet Trotha, wird sich das Humboldt Forum noch lange reiben. | |
| Vielleicht aber wird es eines Tages durch diese Reibung interessanter | |
| werden als ein Kulturhaus, das in einen zeitgemäßen Bau hätte einziehen | |
| können. Vielleicht sollte man es einfach leichter nehmen. | |
| ## Am 20. Juli eröffnet ein großer Teil der Ausstellungen. Ein Rundgang | |
| Die römischen Gottheiten Minerva und Merkur, Beschützerin des Handwerks und | |
| Gott der Händler und Diebe, sie beugen sich wohlwollend zu einem Amerika | |
| herab, das sich demütig verbeugt. Darauf die Worte setting, Handreichung, | |
| Allegorie, transatlantic. Ein paar Schritte weiter: Ein bewaffneter | |
| schwarzer Mann beim Kampf gegen weiße Soldaten, dazu die Worte Rebellion, | |
| Kolonialwaren, négritude, Unfreiheit. | |
| Diese Bilder und Worte sind in die Fenster des engeren der beiden Höfe des | |
| Humboldt Forums geklebt, bei den meisten kann man ein wenig vom Foyer | |
| dahinter erkennen. Sie werfen Fragen auf, sie sind Irritationen. Und doch | |
| sind sie das Erste, was die Besucher*innen sehen werden, wenn nach | |
| zahlreichen Verzögerungen am Dienstag endlich ein großer Teil der | |
| Ausstellungen im Humboldt Forum eröffnet. | |
| [6][„Einblicke“: So heißt die kleine, kompakte Ausstellung] über die Brü… | |
| Alexander und Wilhelm von Humboldt, die zeigen will, warum diese vor etwa | |
| 20 Jahren als Namensgeber für dieses Zentrum für Kultur und Wissenschaft in | |
| der rekonstruierten Hülle des Berliner Stadtschlosses ausgesucht wurden. | |
| Schon damals tobte mit Volldampf die Schlossdebatte. | |
| Viele Berliner*innen vertreten seitdem bis heute mit Verve die Ansicht, | |
| dass mit dem Abriss des Palasts der Republik und dem Bau eines Schlosses an | |
| seinem Ort nicht nur unnötig Steuergelder verbrannt wurden. Sie meinten | |
| auch, dass dieses Schloss an nichts als den Chauvinismus, Antisemitismus, | |
| Militarismus und Nationalismus Preußens erinnert. Eine kleine Elite weißer, | |
| alter Männer habe sich ihre Stadt nach Gusto möbliert, um damit nicht nur | |
| einen entscheidenden Teil der Spuren der DDR auszuradieren – sondern auch | |
| dem jungen, vielfältigen, kreativen Berlin die Freiräume zu klauen. | |
| ## Die Humboldts waren nicht nur intellektuelle Superhelden | |
| Es ist auch diesen kritischen Stimmen zu verdanken, dass das Humboldt Forum | |
| seit seiner Gründung versucht, das Schloss mit dem Gegenteil dessen zu | |
| füllen, was es verkörpert. Auch die Bezugnahme auf die Brüder Humboldt ist | |
| ein solcher Versuch. Die Humboldts, so dachte man damals noch, verkörpern | |
| ein anderes Preußen, ein aufgeklärtes und tolerantes Preußen. Heute weiß | |
| man, dass das nur teilweise so stimmt. | |
| Dies zeigt „Einblicke“ vor allem im Foyer, wo die Schau mehr Fakten und | |
| Hintergründe liefert: Die Humboldts waren nicht nur intellektuelle | |
| Superhelden und Netzwerker, die Kultur und Bildung für alle zugänglicher | |
| machten. Kurator David Blankenstein, der vor zwei Jahren mit der | |
| international bekannten Kunsthistorikerin und Kritikerin des Humboldt | |
| Forums Bénédicte Savoy die Ausstellung über die Brüder Humboldt im | |
| Deutschen Historischen Museum organisiert, erklärt: Die Humboldts waren | |
| auch so privilegierte wie instrumentalisierte Untertanen des preußischen | |
| Königs. | |
| So kommt es, dass Blankenstein für eines der Fenster ein Bild kämpfender | |
| Männer bei den Sklavenaufständen auf Haiti zeigt: „Alexander verurteilte | |
| die Sklaverei. Aber er lebte auf Kuba auch monatelang im Haus eines | |
| Sklavenhändlers. Und er schrieb mit großer Skepsis und Furcht über Haiti. | |
| Er nannte nie auch nur einen Namen der beteiligten schwarzen Generäle und | |
| Intellektuellen.“ | |
| Auch die Handreichung Minervas und Merkurs hinter dem anderen Fenster setzt | |
| einen gekonnten Nadelstich und unterwandert glorifizierenden Darstellungen | |
| der Humboldts in letzter Zeit. „Moderne Historiker in Lateinamerika | |
| betrachten heute die Unabhängigkeit ganz anders, eher als Machtübernahme | |
| der kreolischen Eliten, die viel drastischere Konsequenzen für die indigene | |
| Bevölkerung hatte als die spanische Kolonialherrschaft“, so Blankenstein. | |
| ## Das Humboldt Forum ist ein kompliziertes Konstrukt | |
| Viele Ausstellungen, die ab 20. Juli im Humboldt Forum zu sehen sind, | |
| finden nicht nur einfach an diesem Ort statt. Sie reiben sich an seiner | |
| Entstehungsgeschichte, an den Debatten um ihn. Sie stellen schmerzhafte | |
| Fragen, die ohne den Streit um das Schloss und das Humboldt Forum | |
| vielleicht erst viel später gestellt worden wären. Und damit setzen sie | |
| quasi als Speerspitze der Bewegung andere Kräfte in diesem Haus unter | |
| Druck, sich ebenfalls endlich in Gang zu setzen. | |
| Dazu muss man wissen: Das Humboldt Forum ist ein kompliziertes Konstrukt, | |
| an dem viele fortschrittliche, aber auch konservative Institutionen | |
| mitwirken. Der größte Player ist dabei die Stiftung Preußischer | |
| Kulturbesitz (SPK) mit ihren Staatlichen Museen Ethnologisches Museum und | |
| Museum für Asiatische Kunst. Diese werden ein stolzes Drittel der | |
| Nutzfläche im Haus bespielen, diese Ausstellungen eröffnen allerdings erst | |
| am 22. September. | |
| Und in diesen Museen tut man sich in Teilen nach wir vor sehr schwer damit, | |
| offen mit der eigenen Geschichte umzugehen. Das zeigte sich besonders | |
| anschaulich bei einer Presseführung durch die Ausstellungen Ende Juni, bei | |
| der [7][das sogenannte Luf-Boot] im Mittelpunkt stand, neben den | |
| Benin-Bronzen ein Herzstück der Staatlichen Museen. | |
| Bis vor Kurzem hatte die SPK noch behauptet, das Luf-Boot sei „rechtmäßig | |
| erworben“ worden. Und noch während die Institution, die bislang als | |
| Bremserin in der Kolonialismusdebatte galt, ihren trägen Kurs in Bezug auf | |
| die nun bald anstehenden Rückgaben der Benin-Bronzen zu korrigieren suchte, | |
| trat der Berliner Journalist und Historiker Götz Aly mit seinem Buch „Das | |
| Prachtboot“ eine ganz neue Phase der Diskussion los. | |
| ## Unter nicht geklärten Umständen erworben | |
| Aly erzählt darin, was eigentlich längst bekannt sein sollte: wie die | |
| deutschen Kolonialherren im „Schutzgebiet“ Deutsch-Neuguinea töteten, | |
| vergewaltigten und die Bewohner zur Zwangsarbeit auf ihren Plantagen | |
| verschleppten. Wie es zu einer sogenannten Strafaktion der Deutschen kam, | |
| bei der sie die Hälfte der Einwohner von Luf umbrachten. Und wie sie 20 | |
| Jahre später das Boot unter nicht geklärten Umständen erwerben. | |
| Aus dieser Geschichte einen „rechtmäßigen Erwerb“ zu machen ist ein stark… | |
| Stück – und das wissen die Museumsleute natürlich. Dennoch möchten sie üb… | |
| den blutigen Hintergrund der Inbesitznahme des Boots nur in einer Broschüre | |
| berichten – oder erzählen von einem Telefonat mit dem Honorarkonsul, der | |
| nach wie vor keine Rückforderungen stelle … Damit erweisen sie sich nicht | |
| einfach nur als unbeweglich, sondern sie verteidigen nach wie vor knallhart | |
| den Besitz, der ihnen noch bleibt. Anders als in anderen Ländern verstehen | |
| sich die Museen in Deutschland nach wie vor eher als Bewahrer von | |
| gefährdeten Kulturschätzen denn als Räuberhöhle. | |
| Insofern ist es ein großes Glück, dass es im Humboldt Forum nicht nur die | |
| Staatlichen Museen gibt, sondern auch andere Player, die sich als | |
| fortschrittlicher begreifen, als vielfältiger, offener, kritischer. | |
| Zu diesen gehörten die Macher*innen der erwähnten Ausstellung | |
| „Einblicke“ und auch der [8][Ausstellung „Sitzen bleiben“ für Kinder] … | |
| drei bis zehn Jahren, die mit der Bedeutung des Sitzens in den | |
| verschiedenen Kulturen spielt, aber auch mit der Frage, wer eigentlich | |
| darüber bestimmt, wer welche Plätze in der Gesellschaft bekommt. Und | |
| überall in den Fluren des Humboldt Forums gibt es unter dem Titel „Spuren“ | |
| Hinweise auf die Geschichte des Ortes, an dem das Humboldt Forum heute | |
| steht – besonderer Fokus liegt auf dem Palast der Republik, der 2008 | |
| abgebaut wurde. | |
| ## Zusammenarbeit auf Augenhöhe | |
| Und im ersten Stock gibt es gleich zwei Ausstellungen, die ab Dienstag zu | |
| sehen sind und die ganz anders daherkommen als die der großen Staatlichen | |
| Museen. Während man dort nämlich nur von „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ | |
| spricht, verstehen sich besonders in den Ausstellungen „Berlin Global“ des | |
| Landes Berlin und [9][„Nach der Natur“ der Humboldt-Universität Berlin] die | |
| Kurator*innen bereits eher als Moderator*innen. Bei einer Presseführung | |
| durch [10][„Berlin Global“] war sogar die Rede davon, dass die | |
| Ausstellungen in weiten Teilen an sogenannte „critical friends“ abgetreten | |
| wurden, an zivilgesellschaftliche Organisationen, Künstler*innen oder | |
| Studierende. | |
| Tatsächlich ist „Berlin Global“ überhaupt keine Ausstellung mehr in | |
| herkömmlicher Manier, sondern vielmehr eine anregende Plattform, wo die | |
| Stadtgesellschaft noch zu den tagesaktuellsten Fragen ins Gespräch kommen | |
| kann. Einige Highlights: Im Themenraum „Freiraum“, der von Projekten, | |
| Utopien und Nischen in dieser Stadt erzählt, durften sich die | |
| selbstverwalteten Jugendzentren [11][Drugstore und Potse in Schöneberg] | |
| austoben, die gerade mit ihrem Kampf gegen Verdrängung die Debatten in der | |
| Stadt prägen. | |
| Im Themenraum „Grenzen“ haben Studierende am Institut für | |
| Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität aktuelle Grenzen in der Stadt | |
| ausgemacht und für eine interaktive Medienstation aufbereitet: Es geht um | |
| Alltagsrassismus, Barrierefreiheit, Wohnen – bis hin zu Themen wie die | |
| Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Aufenthaltspapiere. | |
| Und im Raum „Vergnügen“ erzählen nicht nur damalige Protagonist*innen | |
| vom HipHop in Ost- und Westberlin der 1980er Jahre, sondern haben ihre | |
| eigenen Singles und Tapes, Equipments und Shirts zur Verfügung gestellt und | |
| kommentiert. | |
| ## Zentralsten Fragen unserer Zeit | |
| Fast noch einen Tick sehenswerter als „Berlin Global“ ist die kleinere | |
| Ausstellung „Nach der Natur“, in der sich die Humboldt Universität ins | |
| bislang von ihr viel zu wenig beackerte Feld der niedrigschwelligen | |
| Vermittlung stürzt – in einer Zeit wachsender Diskrepanz zwischen | |
| Wissenschaft und breitem Publikum wird das immer wichtiger. In dieser | |
| Ausstellung ist es Kurator Gorch Pieken gelungen, auf nur 600 Quadratmeter | |
| einige der zentralsten Fragen unserer Zeit aufzuwerfen. | |
| Ausgehend von einem interaktiven Fischschwarm, der auf die | |
| Besucher*innen reagiert und als ebenso schönes wie simples Bild für die | |
| Auswirkungen individuellen Handelns auf die Umwelt fungiert, stellen | |
| zunächst einmal die sieben Berliner Exzellenzcluster ihre Forschung vor und | |
| erklären, so Pieken, „was ein Fischschwarm mit der Intelligenzforschung, | |
| mit der Hirnforschung, der Forschung zu aktiven Materialien, mit | |
| Mathematik, Literatur oder Katalyseverfahren zu tun hat“. Sie stellen aber | |
| auch die Frage, wie sich der Mensch in der Gruppe positioniert, wie er | |
| andere Meinungen aushält beispielsweise, ohne von der eigenen abzurücken. | |
| Im zweiten Raum gibt es dann eine kinetische Wand aus beweglichen Rollos, | |
| auf denen Nachhaltigkeitsforscher den Klimawandel diskutieren – und auch, | |
| wie das liberale Gesellschaftsmodell diese Katastrophe stoppen könnte. Im | |
| Raum werden außerdem Sammlungsobjekte vorgestellt, die mal innovative, mal | |
| schreckliche Antworten aus der Wissenschaftsgeschichte auf die aktuellen | |
| Forschungsfragen geben. | |
| Auch hier seien nur wenige Highlights genannt: Eines der Objekte ist | |
| Protest- und Schutzschild, wie es Aktivis*innen beim Protest beim Bau | |
| einer dritten Startbahn in Heathrow 2007 trugen. Die Schilder zeigten | |
| überlebensgroße Porträts von Menschen, die direkt vom Klimawandel betroffen | |
| waren. 2020 verbot ein Gericht den Bau der Startbahn, weil er gegen das | |
| Pariser Abkommen verstoße. | |
| ## Einer der subversivsten und schlausten Kommentare | |
| Ein anderes ist vielleicht das Objekt schlechthin, wenn es darum geht zu | |
| zeigen, wie groß die Vielstimmigkeit im umstrittenen Humboldt Forum | |
| inzwischen ist, wie sehr sich diese Institution inzwischen selbst in Frage | |
| stellt. Es ist eine der berühmten Kanistermasken des in Benin geborenen | |
| Künstlers Romuald Hazoumè. | |
| Die Kanister, die der Künstler verwendet, dienen eigentlich dazu, Benzin | |
| aus Nigeria nach Benin zu schmuggeln. Sie werden oft aufgeblasen, damit sie | |
| mehr Benzin fassen können, was aber den Transport gefährlicher macht – | |
| damit sind sie Symbole für prekären Handel. Sie sind aber auch ein | |
| Kommentar des westlichen Blicks auf afrikanische Kunst: „Von einem | |
| Afrikaner erwartet man, dass er Masken macht – also machte ich Masken“, hat | |
| Romuald Hazoumè einmal gesagt. | |
| Man kann wohl sagen, dass dies einer der subversivsten und schlausten | |
| Kommentare ist, der noch dazu die Diskussionen um die Benin-Masken in den | |
| Staatlichen Museen nonchalant hinter sich lässt. | |
| Es ist zudem ein Kommentar, der Hoffnung macht. Denn vielleicht wird dieses | |
| Haus tatsächlich eines Tages eine Plattform für interkulturellen Austausch | |
| – und zwar nicht trotz seiner barocken Hülle, sondern gerade wegen der | |
| endlosen Debatten um sie. | |
| 18 Jul 2021 | |
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| [2] https://www.humboldtforum.org/de/ | |
| [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Palast_der_Republik | |
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| [5] https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsratsgeb%C3%A4ude | |
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| Susanne Messmer | |
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