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# taz.de -- Berliner Humboldt Forum öffnet: So ein schönes Boot
> Die Debatte um die Herkunft der besten Exponate im Humboldt Forum ist in
> vollem Gange. Besonders brisant ist die Geschichte des „Luf-Boots“.
Bild: Das 15 Meter lange „Luf-Boot“ aus dem heutigen Papua-Neuguinea
Man könnte meinen, die Staatlichen Museen im [1][Humboldt Forum] seien in
den bahnbrechenden Lernprozess eingetreten, endlich. Drei Wochen sind es
noch bis zur Eröffnung der ersten Ausstellungen im 680 Millionen teuren
Zentrum für Kultur, Kunst und Wissenschaft hinter den cremegelben
Barockfassaden des Berliner Hohenzollernschlosses. Dann wird die
Öffentlichkeit die mit 14.000 Quadratmetern größte Präsentation des
Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst besichtigen
können, wo rund 20.000 Exponate ausgestellt werden sollen.
[2][Am Mittwochvormittag] erlaubte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz
(SPK) einigen Journalist*innen unter der Führung von Präsident Hermann
Parzinger und Direktor Lars-Christian Koch einen Einblick in diese Schau.
Gerade in letzter Zeit ist diese wieder hoch umstritten – Stichwort
Provenienzforschung, Rückgabeforderungen, deutsche Kolonialzeit und
[3][Benin-Bronzen]. Darum war es erwartbar, dass bei den
Museumsmacher*innen vor allem von Offenheit die Rede war. “Es wird
sich vieles verändern im Laufe der nächsten Jahre“, so Parzinger. „Wir
lernen konstant dazu“, so Koch. Das Humboldt Forum werde vor allem ein Ort
für die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen aus den Herkunftsländern der
Exponate.
In einem Raum für die Debatte um die Kunst Afrikas, wo kaum Originale zu
sehen sein werden, füllt Provenienzforscherin Julia Binter diese Einsicht
mit Inhalten. Sie berichtet von einer Reise nach Namibia – und wie die
Forscher:innen vor Ort über den Völkermord der Deutschen an den Herero
denken. Vor allem erzählt sie von einem Kunstwerk der Modeschöpferin
Cynthia Schimming aus Namibia, die für die Ausstellung ein Herero-Kleid neu
interpretiert hat.
## Raum für Diskussionen
Wie viele andere Ausstellungsmacher*innen im Humboldt Forum geht
Binter in die richtige Richtung, dank ihnen wird das Humboldt Forum
tatsächlich so etwas wie eine Plattform für Diskussionen werden. Viele
Kurator*innen, darunter die der Ausstellung Berlin Global aus dem Berliner
Stadtmuseum und Humboldt Labor aus der Berliner Humboldt Universität,
verstehen sich schon jetzt eher als Moderator*innen. Sie sprechen schon
jetzt nicht mehr nur von Zusammenarbeit, sondern davon, dass sie die
Ausstellungen in weiten Teilen an zivilgesellschaftliche Organisationen
oder Studierende abgegeben haben.
Anders als in anderen Ländern galt das Museum in Deutschland eher als
Bewahrer denn als Räuberhöhle. Doch diese Auffassung gerät gerade mächtig
ins Wanken. Noch im Winter hieß es aus dem Humboldt Forum, die
Benin-Bronzen würden ein Publikumsmagnet. Nun wird Deutschland diese
restituieren. Doch ist die Diskussion trotzdem längst nicht, wo sie sein
müsste.
## „Das Prachtboot“
Das wird im Humboldt Forum besonders deutlich, als die kleine Führung am
eindrucksvollen, 15 Meter langen „Luf-Boot“ aus dem heutigen
Papua-Neuguinea ankommt, einem der Herzstücke des neuen Vorzeigemuseums.
Anfang Mai hat der Berliner Journalist und Historiker Götz Aly mit seinem
Buch „Das Prachtboot“ eine ganz neue Phase der Debatte eröffnet.
Bis dahin hatte die SPK behauptet, das Boot sei rechtmäßig erworben worden.
Doch Aly erzählt noch einmal anschaulich, was eigentlich bekannt ist: Wie
die deutschen Kolonialherren im „Schutzgebiet“ Deutsch-Neuguinea töteten,
vergewaltigten und die Bewohner zur Zwangsarbeit auf ihren Plantagen
verschleppten. 1882 sorgte der deutsche Unternehmer Eduard Hernsheim dafür,
dass deutsche Marineinfanteristen im Rahmen einer „Strafaktion“ etwa die
Hälfte der Einwohner von Luf umbrachten, ihre Dörfer, Felder und Boote
verbrannten. 20 Jahre später besuchte Max Thiel die Insel, der inzwischen
Direktor von Hernsheim & Co geworden war, und brachte das Boot unter nicht
geklärten Umständen in den Besitz der Firma.
Aus dieser gut erforschten Geschichte einen „rechtmäßigen Erwerb“ zu mach…
ist ein starkes Stück – und das wissen die Museumsleute eigentlich. Umso
hilfloser wirkt es, wenn Dorothea Deterts, Kuratorin der Sammlung Ozeanien
im Ethnologischen Museum, am Mittwoch davon spricht, an diesem Ort gehe es
um „Mensch und Meer in Ozeanien“ – und damit Schluss.
## Keine offensive Auseinandersetzung
Über die blutigen Hintergründe des Erwerbs werde man dann in einer
Broschüre berichten – sowie an anderer Stelle im Haus. Parzinger springt
ihr bei, er habe kürzlich Kontakt zum Honorarkonsul gesucht und sich so
rückversichert, es gebe von dort keine Rückforderungen. „Man freut sich,
dass das Boot hier ist.“ Aha!
Auf die Frage, warum direkt am umstrittenen Objekt keine offensive
Auseinandersetzung stattfindet, weiß man keine Antwort. Die Staatlichen
Museen sind nicht nur unbeweglich, sondern sie verteidigen nach wie vor
knallhart die Pfründen, die ihnen noch bleiben. Ihre bisherige Rolle als
Fels in der Brandung der Kolonialismusdebatte werden sie so jedenfalls kaum
los.
25 Jun 2021
## LINKS
[1] /Humboldt-Forum/!t5568198
[2] /Historisches-Berlin-am-Humboldt-Forum/!5776929
[3] /Benin-Kunstwerke-in-Berlin/!5769604
## AUTOREN
Susanne Messmer
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