| # taz.de -- Fragen und Antworten zum Humboldt Forum: Reißt es ab! | |
| > Für KritikerInnen ist so ziemlich alles falsch am Berliner Humboldt | |
| > Forum. Doch was genau passt ihnen am Schloss eigentlich nicht? | |
| Bild: Protest vor dem Humboldt Forum bei der digitalen Eröffnung | |
| Was ist eigentlich das Problem mit dem Schloss? | |
| „Dieses Haus ist in seiner systemischen Gesamtheit für viele Menschen | |
| verletzend – und das wird vom Humboldt Forum, und von allen, die dafür | |
| mitverantwortlich sind, konsequent nicht anerkannt. Unsere Kritik richtet | |
| sich gegen diese Ignoranz und wir kritisieren dabei alle äußerlichen, | |
| strukturellen und inhaltlichen Probleme des Humboldt Forums und die Wunden, | |
| die es wieder oder neu aufreißt. Wir sagen: Alles daran ist Gewalt, und | |
| deshalb können wir auch nichts davon gebrauchen!“Das Kollektiv der | |
| Coalition of Cultural Workers Against the Humboldt Forum (CCWAH) | |
| „30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges müssen wir uns in Europa fragen, | |
| wo wir angesichts der globalen Herausforderungen von Flucht, Migration und | |
| Klimakatastrophe stehen. Wir müssen uns heute fragen, warum wir uns für das | |
| wiedervereinigte Deutschland ein Schloss errichtet haben – ein [1][Symbol | |
| der preußischen Versklavungs- und europäischen Imperialgeschichte]. Hätten | |
| wir uns nicht vielmehr unserer europäischen Verantwortung stellen und uns | |
| für globale Gerechtigkeit einsetzen müssen? Hätten wir das Geld nicht eher | |
| für Reparations- und Restitutionsleistungen einsetzen sollen? Ich glaube, | |
| heute ist den meisten klar, dass der Bau des Humboldt Forums eine kapitale | |
| Fehlentscheidung war.“ Noa K. Ha, postkoloniale Stadtforscherin | |
| Was ist so schlimm an der rekonstruierten Fassade mit der Kuppel? Ist doch | |
| ganz hübsch… | |
| „Das Hohenzollern-Schloss kann im Grunde nur als Dokumentationszentrum für | |
| den verhängnisvollen brandenburgisch-preußisch-deutschen Kolonialismus und | |
| Imperialismus funktionieren. Darin könnte man Herrn Prinz von Preußen dann | |
| auch ein Wohnrecht zugestehen.“ Christian Kopp, Sprecher von Berlin | |
| Postkolonial | |
| „Positive Resonanz findet die neopreußische Allmachtsfantasie bei der | |
| hiesigen Privatwirtschaft, deren Akteur*innen die verstohlene | |
| Selbstkrönung am 30. Mai (2020, als die Kuppel enthüllt wurde, Anm.d.Red.) | |
| mit großzügigen Spenden möglich machten. Zum Dank für ihre Spende von einer | |
| Million Euro durfte Inga Maren Otto den Reichsapfel selbst mit einer | |
| Widmung versehen für ihren verstorbenen Mann, den Versandhauskönig Werner | |
| Otto. Mit dieser Geste wird die Otto Gruppe samt Tochterfirma ECE Project | |
| Management, deren triste Shoppingmalls viele deutsche Innenstädte zieren, | |
| ins kaiserliche Gottesgnadentum erhoben. Noch zweifelhafter wird dieser | |
| Pakt angesichts der Tatsache, dass jenes Kuppelkreuz der Hohenzollern | |
| nachträglich hinzugefügt und nie im Bundestag oder in einem anderen | |
| demokratischen Forum beschlossen wurde.“ Das Kollektiv der CCWAH | |
| Was ist mit dem Inhalt? Im Forum findet doch eine kritische | |
| Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus statt? | |
| „Zentral für unsere Kritik ist die Frage, warum in Berlin überhaupt ein | |
| Museum für ein koloniales Spektakel neu gebaut und eröffnet wird, während | |
| überall auf der Welt Monumente rassistischer und kolonialer Geschichte und | |
| Gewalt abgerissen werden. Wir kritisieren den gesamten Umgang mit der | |
| Debatte der Restitution, oder besser gesagt: das Schweigen und den | |
| Unwillen, diese Debatten zu führen. Anstatt die Rückführung von | |
| appropriierten Gegenständen einzuleiten nutzen das Humboldt Forum und die | |
| darin angesiedelten Museen die Gegenstände weiter profitorientiert aus – | |
| für ihr eigenes Marketing, das Stadtmarketing und für Besucherzahlen. | |
| Es existieren auch immer noch keine öffentlich oder online zugänglichen | |
| Inventarlisten aller Gegenstände, die sich im Besitz der Museen unter dem | |
| Dach des Humboldt Forums befinden. Für die in jeglicher Hinsicht nicht | |
| ausreichende Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus würde das nur einen | |
| kleinen Zwischenschritt darstellen, der schon lange überfällig ist.“ Das | |
| Kollektiv der CCWAH | |
| „Ich finde es unerträglich, dass Millionen ausgegeben werden, um im Schloss | |
| der deutschen Kolonialherrscher die uns gestohlenen Kulturschätze zu | |
| präsentieren. Statt teure Ausstellungen zu erarbeiten, sollte sich die | |
| Stiftung Preußischer Kolonialbesitz endlich für die umgehende Rückgabe der | |
| geraubten Gebeine unserer Ahnen engagieren. Die nämlich liegen noch immer | |
| zu Tausenden in ihren Depots.“ Mnyaka Sururu Mboro, tansanischer Aktivist | |
| und Mitbegründer von No Humboldt 21! | |
| Was hat das Schloss mit dem Völkermord in Namibia vor über 100 Jahren zu | |
| tun? | |
| „Wir haben erkämpft, dass Deutschland jetzt offiziell von einem Genozid an | |
| unseren Vorfahren spricht. Doch eine rechtliche Anerkennung des Völkermords | |
| und Entschädigungszahlungen lehnt die Bundesregierung weiter ab. | |
| Stattdessen bietet es der Regierung Namibias ein Taschengeld: über dreißig | |
| Jahre jährlich 36 Millionen Euro für Entwicklungszusammenarbeit. Der | |
| Berliner Palast des Völkermörders Wilhelm II. kostet mehr als doppelt so | |
| viel!“ Israel Kaunatjike, Herero-Aktivist in Berlin und Sprecher des | |
| Bündnisses „Völkermord verjährt nicht!“ | |
| Und jetzt: Das Humboldt Forum de-finanzieren? Was soll das bringen? | |
| „[2][Das Humboldt Forum zu definanzieren] erscheint uns in Anbetracht der | |
| notorischen Überfinanzierung desselben (rund 60 Millionen Euro/Jahr | |
| Unterhaltskosten, Anm.d.Red.) als eine sinnvolle Forderung. Das „Defunding“ | |
| des Humboldt Forum [3][im Video] und in unserer Kampagne ermöglicht eine | |
| andere Vorstellung, in der die Gelder in kulturelle Initiativen und | |
| nichtkommerzielle Räume zurückfließen, die bereits dekolonial arbeiten. | |
| Die appropriierten Gegenstände des Museums werden in das soziale Umfeld | |
| zurückgeführt, aus denen sie stammen und für die sie spirituelle | |
| Eigenschaften haben. Das Luf-Boot beispielsweise könnte auf dem umgedrehten | |
| Geldstrom wieder hinausschwimmen – und von dort aus zurück. In diesem | |
| Sinne: Tear it down and turn it upside down!“ Das Kollektiv der CCWAH | |
| „Eine Kampagne wie “Defund the so-called Humboldt Forum“ ist wesentlich, | |
| weil sie uns alle zwingt, innezuhalten, nachzudenken und Fragen zu stellen. | |
| Sie schafft Bewusstsein und sagt den Mächtigen die Wahrheit. Es ist unsere | |
| Art, aktiv NEIN! zum kulturellen Kolonialimperialismus zu sagen. Sie zwingt | |
| uns, Deutschland, den Museen und Kulturinstitutionen wie dem Humboldt Forum | |
| ins Gesicht zu schauen und sie an ihre Rolle bei den Plünderungen, der | |
| Zerstörung und der Kolonisierung anderer Kulturen in ihrem Streben nach | |
| Dominanz zu erinnern. Eine solche Kampagne ist notwendig, um einen Beginn | |
| von Heilung für die generationenübergreifenden Traumata zu bewirken, die | |
| Kolonialismus und Imperialismus bis heute verursacht haben.“ hn. lyonga, | |
| Schwarzer Aktivist von Barazani.berlin & CCWAH | |
| 20 Jul 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Ausstellungen-im-Humboldt-Forum-oeffnen/!5782601 | |
| [2] /Kritik-am-Humboldt-Forum/!5781536 | |
| [3] https://youtu.be/ozrlEBOAiyA?t=13 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
| ## TAGS | |
| Deutscher Kolonialismus | |
| Humboldt Forum | |
| IG | |
| Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
| Raubkunst | |
| Garnisonkirche | |
| Humboldt Forum | |
| Berlin-Mitte | |
| Humboldt Forum | |
| Humboldt Forum | |
| Humboldt Forum | |
| Humboldt Forum | |
| Humboldt Forum | |
| Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
| Humboldt Forum | |
| Schwerpunkt Kunst und Kolonialismus | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Raubkunst im Humboldt Forum: Korrektur am westlichen Monolog | |
| Bald eröffnen die ethnologischen Sammlungen im Humboldt Forum. Ein | |
| Filmprogramm fasst am Sonntag Jahrzehnte der Kritik an solchen Museen | |
| zusammen. | |
| Rechenzentrum in Potsdam: Für den Erhalt der DDR-Architektur | |
| Weniger DDR, mehr Preußen: Gegen diese Umwandlung Potsdams richtet sich die | |
| aktuelle Debatte um den Abriss des Rechenzentrums. | |
| Eröffnetes Humboldt Forum in Berlin: Zwingburg der falschen Gesten | |
| Das Berliner Stadtschloss steht seit jeher für Überlegenheit. Sein | |
| undemokratischer Charakter zieht sich bis ins Jetzt – durch das koloniale | |
| Raubgut im Innern. | |
| Streit ums Humboldt Forum: Gefakte gute Zeit | |
| Das Berliner Stadtschloss sollte eine goldene Vergangenheit | |
| heraufbeschwören. Diese Illusion ist geplatzt. Es repräsentiert | |
| antidemokratische Traditionen. | |
| Eröffnung des Humboldt Forums: „Was für ein Monster“ | |
| Bei einer Demonstration gegen das neu eröffnete Humboldt Forum erklärt der | |
| tansanische Aktivist Mnyaka Sururu Mboro, warum dies ein „Trauertag“ sei. | |
| Humboldt Forum Berlin eröffnet: Jetzt ist aber mal Schloss! | |
| Das Humboldt Forum hat eröffnet. Nun wird sich auch das Publikum bei den | |
| großen Debatten einmischen, die es angestoßen hat. | |
| Kritik am Humboldt Forum: Storchennest statt Christenkreuz | |
| 60 Millionen Euro sollen pro Jahr für den Betrieb des Berliner Schlosses | |
| anfallen. Die Initiative „Defund the Humboldt Forum!“ fordert eine | |
| Umverteilung. | |
| Ausstellungen im Humboldt Forum öffnen: Take it easy, altes Haus | |
| Fassade und Kuppel des rekonstruierten Stadtschlosses werden Berlin noch | |
| lange Zeit beschäftigen. Nun öffnen sechs Ausstellungen. | |
| Berliner Humboldt Forum öffnet: So ein schönes Boot | |
| Die Debatte um die Herkunft der besten Exponate im Humboldt Forum ist in | |
| vollem Gange. Besonders brisant ist die Geschichte des „Luf-Boots“. | |
| Berlins Kultursenator über Restitution: „Diese Stücke sind geklaut“ | |
| In der Debatte über Raubkunst in Museen muss der Druck aufrechterhalten | |
| werden, fordert Klaus Lederer (Linke) bei der Bilanz seiner Amtszeit. | |
| Humboldt Forum im Berliner Schloss: Etwas offener, ohne Spektakel | |
| Das Humboldt Forum hat eröffnet, zumindest der Schlüterhof und eine Passage | |
| nebst Shop und Café. Das stößt auf eine eher verhaltene Resonanz. | |
| Benin-Kunstwerke in Berlin: Bronzen für Preußen | |
| Wie die geraubten Kunstwerke aus Benin, die im wieder errichteten Berliner | |
| Stadtschloss präsentiert werden sollen, nach Deutschland kamen. |