# taz.de -- Zwischennutzung im Palast der Republik: „Ein wahnsinniges Abenteu… | |
> Benjamin Foerster-Baldenius war einer der Initiatoren des | |
> „Volkspalastes“. Die Ausstellung über den Palast im Humboldt Forum will | |
> er sich nicht antun. | |
Bild: Der Palast als großes Planschbecken: Flutung für das Projekt „Fassade… | |
taz: Herr Foerster-Baldenius, wir stehen vor dem Humboldt Forum in | |
Berlin-Mitte, in dem gerade die [1][große Ausstellung über den Palast der | |
Republik] zu sehen ist. Wollen wir uns die Ausstellung gemeinsam anschauen? | |
Benjamin Foerster-Baldenius: Ich bin nicht uninteressiert, aber ich habe da | |
so ein Dogma. | |
Welches? | |
Dass ich das Gebäude nicht betrete. Ich finde es doof, dass hier so ein | |
Schloss steht. Deshalb habe ich entschieden, da nicht reinzugehen. | |
Ist das eher Trotz oder noch so eine Art Widerstand? | |
Politischen Widerstand kann man das nicht nennen. Das merkt ja niemand, | |
dass ich da nicht reingehe. Ungefähr einmal im Jahr werden wir als | |
Raumlabor übrigens angefragt, ob wir im [2][Humboldt Forum] was machen | |
wollen. Jedes Jahr muss ich antworten, welche Fehlentscheidung es war, | |
anstelle des Palastes der Republik das Preußische Stadtschloss | |
hinzustellen. Und dann da drin auch noch was zu machen, was nach Alexander | |
von Humboldt benannt ist. Und auch noch diese Raubkunst reinzustellen. Ich | |
hab dazu keine Lust. Vielleicht hab ich auch Angst davor, dass da jemand | |
ein Foto von mir macht. | |
Sie sind einer der Unterzeichner einer Erklärung, die die Ausstellung „Hin | |
und Weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ als Zynismus kritisiert. | |
Was ist zynisch daran, wenn das Humboldt Forum den Ort in Erinnerung ruft, | |
an dem es sich befindet? Es ist ja nicht [3][der Förderverein | |
Stadtschloss], der die Ausstellung organisiert hat. | |
Wer die Ausstellung macht, ist mir egal. Um das Schloss zu bauen, musste | |
der Palast weichen. Und jetzt wollen sie sich mit so einer Ausstellung | |
rechtfertigen. | |
Der Ausstellung sind vier Jahre Forschung vorausgegangen. Zahlreiche | |
Interviews wurde geführt, mit denen vielleicht auch Jüngere verstehen | |
können, welche Rolle der Palast der Republik in der DDR gespielt hat. Das | |
ist nicht irgendeine schnelle Ausstellung, die man da zur Rechtfertigung | |
hat raushauen wollen. | |
Das kann ich durchaus nachvollziehen. Ich kenne ja auch Leute, die im | |
Humboldt Forum arbeiten und die mir erzählt haben, was das für ein Kampf | |
war, da eine ehrliche Ausstellung zu machen. Aber, wie gesagt, das | |
Stadtschloss… | |
Es ist also völlig egal, ob die Ausstellung gut ist oder schlecht, sie ist | |
am falschen Ort? | |
Wir machen gerade neben dem Gropiusbau das Projekt Radical Playgrounds. Wir | |
bespielen also das Grundstück, auf dem einmal das Preußische | |
Völkerkundemuseum stand. Also quasi der Schrank, in dem sich all die | |
Objekte befanden, die jetzt im Humboldt Forum stehen. An so einem Ort eine | |
Ausstellung über den Palast der Republik zu machen, hätte ich spannend | |
gefunden. Stattdessen läuft das eher nach dem Motto: The Winner takes it | |
all, und deshalb können wir auch den Losern ein bisschen Platz geben. | |
Sie sind einer der Mitinitiatoren der [4][Zwischenpalastnutzung] gewesen. | |
Was hat Sie 2004, also vor 20 Jahren, dazu bewogen, in den asbestsanierten | |
und entkernten Palast zu ziehen? | |
Da war ein wahnsinniges Potential für ein wahnsinniges Abenteuer. | |
Wie kam es dazu? | |
Als der Palast asbestsaniert war und leer stand, hat [5][Philipp Oswalt] | |
angerufen und gefragt: Benni, wollen wir da drin was machen? | |
Oswalt war zu dieser Zeit nicht nur mit dem Projekt Schrumpfende Städte | |
beschäftigt, sondern auch einer der Aktivisten der Zwischennutzung | |
leerstehender Gebäude. | |
Wir haben uns dann zusammengesetzt und beim Bier die Idee entwickelt, den | |
Palast zu fluten. Das Projekt Fassadenrepublik war ein riesiger Erfolg. | |
Jeder wollte mit dem Boot durch den gefluteten Palast schippern. Natürlich | |
war da schon klar, dass er abgerissen wird, und auch [6][Wilhelm von | |
Boddien] ist schon mit dem Klingelbeutel rumgegangen, um Spenden für den | |
Wiederaufbau der Fassade zu sammeln. | |
Allerdings begann die Zwischennutzung mit der zweifelhaften Ausstellung der | |
chinesischen Terrakotta-Armee. | |
Aber das hat die Tür aufgemacht. Danach hat keiner mehr gesagt, man könne | |
nicht in den Palast rein, weil es zu gefährlich sei. Ich glaube, die | |
eigentliche Auseinandersetzung mit dem Gebäude, seiner Geschichte und auch | |
dem Potential, die da drin steckt, hat erst mit der Zwischennutzung | |
begonnen. Die Leute konnten wieder rein, obwohl sie nichts wiedererkannt | |
haben. | |
Die Bilder, die bleiben, sind allerdings die Boote oder später der Berg, | |
den Raumlabor im Palast gebaut hat. War das nicht zuallererst eine große | |
Spielwiese? | |
Für uns als junge Architekten war es eine Chance. So wie es auch für Heinz | |
Grafunder und die anderen Architekten damals eine Chance gewesen war, den | |
Palast da hinzubauen. Und natürlich hat es auch Spaß gemacht, damit unser | |
Schindluder zu treiben. Das hat übrigens auch niemanden gestört. Das Grauen | |
vor der Wiederkehr des Preußentums war überall zu spüren. | |
Die Zwischennutzung war also auch der Versuch, noch in letzter Minute den | |
Abriss zu verhindern? | |
Auf jeden Fall. Mit dem Berg wurde es auch ernster, der hatte nicht so eine | |
gute Presse wie die Fassadenrepublik. Vielleicht auch, weil manche die | |
Angst hatten, dass da die Stimmung für das Schloss und auch die politische | |
Mehrheit für den Abriss kippen könnte. | |
Zu dieser Zeit waren zwar der Abriss und der Schlossbau beschlossene Sache, | |
aber immer mehr Leute wollten wissen, was da am Ende reinkommt. Dass es das | |
Humboldt Forum werden würde, stand zu diesem Zeitpunkt nicht fest. | |
Abriss ohne Nutzungskonzept. Das wurde mit der Zwischennutzung mehr und | |
mehr in Frage gestellt. | |
Manche sagen auch, der Erfolg der Zwischennutzung, bei der nicht nur | |
Raumlabor mitgewirkt hat, sondern auch die Sophiensäle und das Hebbel am | |
Ufer, habe den Abriss beschleunigt. | |
Kann sein. | |
Kritiker haben Ihnen vorgeworfen, das Gebäude seiner Geschichte und | |
ehemaligen Nutzung endgültig zu berauben und den Weg für eine andere | |
Nutzung zu bahnen? | |
Dahinter steckte natürlich auch der Vorwurf, einer Eventisierung der | |
Stadtkultur Vorschub zu leisten. Ja, das haben wir gemacht. Wir haben uns | |
damit auch auseinandergesetzt. Wir waren uns nicht einmal sicher, ob wir | |
recht haben oder nicht. Im Nachhinein würde ich sagen, die Eventisierung | |
der Stadtkultur hat auch ohne uns stattgefunden und ganz andere Dimensionen | |
angenommen als die Projekte, die wir gemacht haben. Ich denke da an den | |
Karneval der Kulturen oder das [7][Public Viewing von Kulturprojekte | |
Berlin]. | |
In Ihrer Kritik zur aktuellen Palastausstellung fordern Sie eine Korrektur | |
der äußeren Erscheinung des Stadtschlosses. Wie könnte die aussehen? | |
Ich finde es richtig, darauf hinzuweisen, dass die Fassade nur [8][vor dem | |
Hintergrund eines rechtsextremen Spendernetzwerks] wieder entstehen konnte. | |
Mich wundert das allerdings überhaupt nicht. Wenn man das preußische | |
Stadtschloss wieder aufbaut, dann wird auch den Wünschen derer Tür und Tor | |
geöffnet, die die Reichsfahne hochziehen. | |
Es könnte also gar keine Korrektur geben, solange die Fassade ist wie sie | |
ist? | |
Meiner Meinung nach ist das, einzige, was man korrigieren kann, das, was im | |
Inneren stattfindet. Das Ehrlichste wäre, wenn dort der Bundestag einzieht, | |
der das Ganze beschlossen hat. Und für das Regierungsviertel finden wir | |
eine kulturelle Nutzung. | |
Wäre die Wiederanbringung des Schriftzugs „Zweifel“ des norwegischen | |
Künstlers Lars Ramberg eine gute Idee? Das zumindest fordert der | |
Architekturkritiker Nikolaus Bernau. | |
Lars Ramberg hat immer gesagt, er würde das nach dem Abriss gerne wieder an | |
die selbe Stelle stellen. Wenn der Bundestag ins Stadtschloss ziehen würde, | |
dann wären die Zweifel-Buchstaben ein super Beispiel für Kunst am Bau. Dass | |
wir zweifeln müssen, gehört zur Demokratie dazu. | |
13 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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