# taz.de -- Berliner Schloss als Kulturkampf: Dubiose Gestalten | |
> Am Schloss sind die Propheten-Statuen montiert. Wieder mal hat der | |
> private Förderverein Berliner Schloss seine ästhetischen Vorstellungen | |
> durchgesetzt. | |
Bild: Noch mehr neu nachgemachtes Altes für das Schloss | |
Geld stinkt nicht. Das war die Devise des Fördervereins Berliner Schloss, | |
als er damit begann, für Spenden zu trommeln, um die Fassaden des | |
teilrekonstruierten Berliner Schlosses in Mitte schön zu machen. Der | |
Gründer des Vereins, Wilhelm von Boddien, wusste genau, dass es nicht | |
reichen würde, die Ermöglichung der Rekonstruktion bloß zur Berliner | |
Bürgerpflicht zu erklären. Es musste schon eine größere Erzählung her. Das | |
Stadtbild solle geheilt werden, Berlin wieder zum „geliebten Spree-Athen“ | |
werden, wird auf der [1][Website des Vereins] verkündet. Und in einer | |
eigenen Zeitung, dem Berliner Extrablatt, wird seit Jahren ein | |
nostalgischer Schlosskult sondergleichen zelebriert, um Preußen- und | |
Kaiser-Fans von überallher das Geld aus den Taschen zu ziehen. | |
Dass diese gerne nicht nur konservativ eingestellt, sondern vielleicht auch | |
rechts bis rechtsextrem sind: egal. Als vor ein paar Jahren vor allem durch | |
Recherchen des Architekten und Kasseler Uniprofessors Philipp Oswalt | |
bekannt wurde, dass auch unter den Großspendern ziemlich dubiose Gestalten | |
vom äußerst rechten Rand zu finden sind, wollte der Verein davon nichts | |
wissen und sich von den Geldgebern nicht distanzieren. Die Stiftung | |
Humboldt Forum, der das ganze Geld dann übergeben wurde, tat zwar ein wenig | |
empört, nahm den Großteil der Spenden aber doch gerne an. | |
Diese indifferente Haltung hielt die Stiftung auch bei, als es nun um die | |
acht Propheten-Statuen ging, [2][die Anfang der Woche auf der | |
Kuppel-Balustrade der Schlossattrappe montiert wurden.] Die Statuen, deren | |
Rekonstruktion der Stiftungsrat erst vor drei Jahren beschlossen hatte, | |
seien garantiert nicht von rechtsextremen Spendern mitfinanziert worden, | |
hieß es noch auf einem Pressetermin vor zwei Wochen. Inzwischen gibt man | |
an, man kenne die Namen der Spender gar nicht. Falls nun letzteres stimmt: | |
Warum besteht man nicht darauf, diese Namen zu erfahren, nachdem in der | |
Vergangenheit bereits dem Großspender Erhardt Bödecker eine Ehrentafel | |
gestiftet wurde, die man dann wieder abbauen durfte, weil der sich Zeit | |
seines Lebens wohl doch einmal zu oft antisemitisch geäußert hatte? | |
Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, den der Bundestag im Jahr 2002 | |
beschlossen hatte und mit dem dann konkret 2013 begonnen wurde, war von | |
Beginn an hochumstritten. Was soll das bitte, ein Schloss als Attrappe neu | |
zu errichten, das im Zweiten Weltkrieg beschädigt und dann in der DDR | |
gesprengt wurde? | |
## Reichsbürger und Kaisertreue | |
Doch damals konnte man immerhin noch nicht ahnen, dass es in naher Zukunft | |
mal eine in Teilen rechtsextreme Partei wie die AfD geben würde, die in | |
manchen Bundesländern eine beängstigende Zustimmung erreicht. Und dass | |
Reichsbürger und Kaisertreue mehr sein können als bloß Spinner, sondern | |
demokratiezersetzende Kräfte. | |
Dieses rasant gewachsene Milieu wähnt sich in einem Kulturkampf, den es | |
auch in der Architektur und Baupolitik ausficht. Da wird von „rechter“ und | |
„linker“ Architektur geredet und im Berliner Stadtschloss ein Symbol dafür | |
erkannt, dass man eine rechte Agenda auch mitten in Berlin verwirklichen | |
kann. | |
Natürlich kann man sich auch einfach lustig darüber machen, dass den | |
Schlossfans offensichtlich die Tränen der Rührung kommen, wenn irgendwelche | |
Propheten-Statuen aus Sandstein auf einer Schlossattrappe montiert werden. | |
Die also an einem Bauwerk angebracht wurden, in dem letztendlich nur jemand | |
ein richtiges Schloss erkennen kann, der auch glaubt, das Poster seiner | |
„Mona Lisa“ über dem Bett sei ein Original von Leonardo da Vinci. | |
Aber die Schlossfans sehen ihren Job ja immer noch nicht als beendet an. | |
Der Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus soll zurück an den Schlossplatz, an | |
dem er einst stand, fordern manche. Und der Förderverein Berliner Schloss, | |
eine private Institution mit viel zu viel Einfluss, wird sich bestimmt auch | |
noch etwas ausdenken, um weitere Träume rund um das Schloss wahr werden zu | |
lassen. Falls die Stiftung Humboldt Forum oder Claudia Roth als | |
Kulturbeauftragte der Bundesregierung deren Machenschaften nicht endlich | |
stoppen. | |
22 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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