Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berliner Humboldt Forum: Rechte Propheten
> An der Balustrade der Schlossattrappe werden acht große Statuen nach
> historischem Vorbild montiert. Auch hierfür sollen rechte Kreise
> gespendet haben.
Bild: Die Riesen kommen: Vorbereitungen für die Anbringung der Statuen am Stad…
Berlin taz | Das Kreuz auf der Kuppel der Stadtschlossattrappe in Berlins
Mitte steht, fertig ist auch die [1][Inschrift mit den zwei Bibelversen],
über die lange gestritten wurde. An diesem Dienstag schließlich bekommt der
Kasten erneut Zuwachs, wenn die Statuen der acht alttestamentlichen
Propheten Jesaja, Hosea, Zephania, Zacharias, Jonas, Daniel, Jeremias und
Hesekiel auf der Kuppel-Balustrade aufgestellt werden.
Ein weiteres Mal wird es dann die Schlossfans wohlig erschauern. Endgültig
abgeschlossen werden die Arbeiten am sogenannten Stadtschloss Anfang
kommenden Jahres mit der Anbringung weiterer Sandsteinfiguren, wie bei
einem Pressetermin der Stiftung Humboldt Forum vor gut zwei Wochen bekannt
gegeben wurde.
Zu dem Termin gekommen waren auch deren Generalintendant Hartmut Dogerloh
und Vorstandsmitglied Hans-Dieter Hegner, zuständig für den Baubereich.
Dabei stellte sich schnell heraus, dass der Chef der Stiftung zumindest bei
diesem Termin nichts zu melden hatte. Stattdessen übernahm Hegner, der Mann
mit dem technischen Sachverstand und einem verknautschten Lederhut, das
Wort und gab es fortan auch nicht mehr ab.
Er betonte, dass nur die besten Bild- und Steinhauer aus Berlin,
Brandenburg und Sachsen damit beauftragt wurden, die jeweils drei Meter
hohen und drei Tonnen schweren Prophetenfiguren herzustellen, die am Ende
von einer Expertenkommission begutachtet wurden. Die Basis für die Arbeit
der Künstler bildeten Fotovorlagen.
## „Keine Erkenntnisse über rechtsradikale Spender“
Zur Erinnerung: Das ursprüngliche Barockschloss entstand im 17.
Jahrhundert, die Kuppel kam erst Mitte des 18. Jahrhunderts hinzu. Während
des Zweiten Weltkriegs wurde der Bau schwer beschädigt und ab 1950 auf
Befehl der DDR-Staats- und Parteiführung gesprengt, im März 1951 war er
verschwunden. An seiner Stelle entstand der Palast der Republik, der
wiederum 2008 abgerissen wurde, um [2][Platz für das Humboldt Forum] zu
machen. Für die gesamte Rekonstruktion der Außenfassaden war die Verwendung
von Fotovorlagen ein gängiges Verfahren.
Über die privaten Spender, die auch die Errichtung der Prophetenfiguren
erst ermöglichten, wurden auf dem Pressetermin kaum Worte verloren. „Wir
wollten bei allen Spenden wissen, wo sie herkommen“, sagte Hegner, dabei
hätten sich „keine Erkenntnisse über rechtsradikale Spender ergeben“. Dam…
war die Sache erledigt.
Schnell wurde zum nächsten Programmpunkt übergegangen, der Präsentation der
neuen Sitzmöbel, die die Innenhöfe des Humboldt Forums in Zukunft schmücken
sollen. Entschieden habe man sich für 60 Exemplare des Modells „Viena“ aus
der Enzi-Familie, das sich bereits im Wiener Museumsquartier bewährt habe.
In Rosa, Blau und Rot, ganz allerliebst, aber auch nicht wirklich relevant.
Anders als die Frage nach den Spenden für die Prophetenfiguren.
Philipp Oswalt, Professor für Architekturtheorie an der Universität Kassel,
kommt mit Blick darauf auch zu einem ganz anderen Fazit als Hegner. „Mit
Spendengeldern von Rechtsradikalen wird die christliche Symbolik am
Berliner Schloss ausgebaut“, kommentiert Oswalt auch die Anbringung der
Prophetenfiguren am Dienstag.
## Dank an die „Junge Freiheit“ fürs Schmuckelement
Die Vorstände des Humboldt Forums dürften Oswalts Einwände nicht weiter
kratzen. Der Architekt ist seit Jahren einer ihrer Intimfeinde. In
[3][zahlreichen Interviews] und Texten und nicht zuletzt in seinem im
vergangenen Jahr erschienenen Buch [4][„Bauen am nationalen Haus“] treibt
er die Stiftung Humboldt Forum vor sich her.
Oswalt hat dann auch nachgewiesen, wie der von dem Preußen-Experten Wilhelm
von Boddien gegründete Förderverein Berliner Schloss bewusst auch im
rechten bis rechtsextremen Milieu nach Schlossbegeisterten fahndete, um die
letztendlich benötigten Spenden in Höhe von 118 Millionen Euro
zusammenzutragen, mit denen die Schlossfassaden und die Balustradenfiguren
rekonstruiert werden konnten.
Demnach wurde unter anderem auch mit einer Anzeige in der extrem rechten
Wochenzeitung Junge Freiheit um Gelder geworben. Die Zeitung selbst hat
ebenso wie ihr Chefredakteur Dieter Stein brav gespendet. Das lässt sich in
der Spenderliste des Fördervereins einsehen. „Vielen Dank für Ihre
Spende!“, heißt es da in Richtung Junge Freiheit. Ein Dankeschön an das
Blatt geht auch raus für das „Schmuckelement Sima mit Löwenköpfen.
Umlaufendes Kranzgesims“.
Und die Junge Freiheit ist keineswegs der einzige fragwürdige Geldgeber.
Der 2016 gestorbene [5][Großspender Ehrhardt Bödecker] etwa wurde bereits
mit einem Reliefmedaillon im Humboldt Forum geehrt. Oswalt und eine nach
aufkommender Kritik von der Stiftung selbst in Auftrag gegebene Studie
konnten belegen, dass der Mann regelmäßig mit antisemitischen Äußerungen
aufgefallen war. Die Namen derjenigen, die nun die 1,2 Millionen Euro für
die Prophetenfiguren aufgebracht haben, werden von der Stiftung nicht mehr
öffentlich gemacht.
## Diffamierung des Kritikers als „Städtebau-Antifa“
Für Aufklärung kann auch hier Oswalts „Bauen am nationalen Haus“ sorgen.
Demnach wurde die Prophetenfigur Daniel von Vera Lengsfeld mitfinanziert,
ihres Zeichens einstige DDR-Bürgerrechtlerin und Grünen-Politikerin, die
einen Weg zurückgelegt hat nach rechts, zur Pegida- und AfD-Symphatisantin,
Coronaleugnerin und Ehrenpreisträgerin der Jungen Freiheit.
In dem Buch „Linke Räume“ von Claus Wolfschlag, das im Rechtsaußenverlag
Antaios von Götz Kubitschek erschienen ist, wird Oswalt vorgeworfen,
„Städtebau-Antifa“ zu betreiben, die Junge Freiheit gilt hier als
„konservativ“, eigentlich nicht einmal rechts. In der Lesart wäre Oswalt
nur ein überdrehter Linker und Vera Lengsfeld eine harmlose Konservative.
Da die Stiftung Humboldt Forum ja nach eigener Aussage nirgends
Rechtsradikale entdecken kann, sieht sie es wohl auch so.
19 Mar 2024
## LINKS
[1] /Umstrittene-Kuppel-des-Humboldt-Forums/!5808292
[2] /Eroeffnetes-Humboldt-Forum-in-Berlin/!5781787
[3] /Rechtsruck-und-Staedtebau/!5985568
[4] /Identitaetspolitik-im-Wiederaufbau/!5982365
[5] /Die-Geldgeber-des-Humboldt-Forum/!5811178
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
Humboldt Forum
Identitätspolitik
Architektur
Rekonstruktion
Berliner Stadtschloss
Kulturpolitik
Berliner Schloss
Humboldt Forum
taz Plan
Humboldt Forum
Architektur
Schwerpunkt AfD
Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Museen: Gesetz zur Reform der Preußen-Stiftung auf den Weg gebracht
Die Einrichtungen des Publikumsmagnets in Berlin sollen künftig mehr
Autonomie bekommen. Das Bundeskabinett hat dafür eine Vorlage
verabschiedet.
Palast der Republik im Berliner Schloss: Knochen und Lampen
Die Ausstellung über den Palast der Republik in Berlin ist nicht
uninteressant. Doch warum läuft sie im Humboldt Forum? Ist das nicht
Siegerzynismus?
Theaterstück zum Palast der Republik: Im Palast der Erinnerungen
Im Berliner Humboldt Forum wurde das Theaterspektakel „Bau auf! Bau ab!“
über den Palast der Republik uraufgeführt. Das Publikum spielte mit.
Kinotipp der Woche: Ohne Verzopftes
Der französische Filmemacher FrançoisTruffaut schuf ein Autorenkino, das so
intellektuell wie aufsässig war. Das Babylon Mitte zeigt eine Filmauswahl.
Berliner Schloss als Kulturkampf: Dubiose Gestalten
Am Schloss sind die Propheten-Statuen montiert. Wieder mal hat der private
Förderverein Berliner Schloss seine ästhetischen Vorstellungen
durchgesetzt.
Rechtsruck und Städtebau: „Rechte stoßen in die Mitte vor“
Braucht auch die Architektur eine Brandmauer? Der Kritiker Philipp Oswalt
über identitäres Bauen und welche Bedeutung der Molkenmarkt in Berlin hat.
Die Geldgeber des Humboldt Forum: Gekaufte Geschichte
Ehrhardt Bödecker war ein rechter Banker und Historiker. Das Humboldt Forum
in Berlin ehrt den Großspender mit einem Reliefmedaillon.
Umstrittene Kuppel des Humboldt Forums: Palast der Fußnoten
Die kontroverse Kuppel des Humboldt Forums in Berlin lässt sich jetzt aus
der Nähe betrachten. Von dort zeigt sich deutlich, was falsch an ihr ist.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.