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# taz.de -- Umstrittene Kuppel des Humboldt Forums: Palast der Fußnoten
> Die kontroverse Kuppel des Humboldt Forums in Berlin lässt sich jetzt aus
> der Nähe betrachten. Von dort zeigt sich deutlich, was falsch an ihr ist.
Bild: Wäre doch nicht nötig gewesen: Die Inschrift auf der Kuppel des Humbold…
Auf der Straße Unter den Linden in Berlin ist es wieder voll, die Touristen
scheinen zurück. Am Samstag bogen nicht wenige ab zum [1][Humboldt Forum.
Denn erstens ist es neu eröffnet], zweitens der Eintritt noch frei, und
drittens konnte man zum ersten Mal auf die Dachterrasse mit einem guten
Blick auf den Lustgarten, den protzig-hässlichen Berliner Dom und die
Hochhäuser der Leipziger Straße. Unten an den Aufzügen stand man Schlange,
aber wer oben war, bewies Lokalkenntnis und machte den Stadtbilderklärer.
Aus der Terrasse erhebt sich die Kuppel mit einem goldenen Kreuz und einer
Inschrift, die jetzt gut lesbar und furchtbar ist. Sie ist die [2][Krönung
der Falschheit auf einem Gebäude, dessen Fassade eben nur das ist, Fassade,
historisches Zitat], die nicht mit den inneren Funktionen übereinstimmt.
Der Förderverein Berliner Schloss trat für die Wiedererrichtung der Kuppel
ein – obwohl sie eine spätklassizistische Zutat zu dem ursprünglich
barocken Schloss war – private Sponsoren zahlten. Auch für die goldenen
Buchstaben auf blauem Grund mit der Botschaft: „Es ist in keinem andern
Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen
Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass im Namen Jesu sich beugen sollen
aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Für alle die Kritiker des Humboldt Forums, die den dahin gezogenen
ethnologischen Sammlungen vorwerfen, sich mit den [3][dubiosen
Erwerbspraktiken ihrer Bestände zu Kolonialzeiten] viel zu wenig
auseinandergesetzt zu haben, ist dieser christliche Propagandaspruch Wasser
auf ihre Mühlen.
## Lieber Preußen als die DDR
Da hilft es auch nur kosmetisch, dass eine Tafel angebracht werden soll,
auf der sich, wie Hans-Dieter Hegner, Technikvorstand des Humboldt Forums
bei einem Pressetermin sagte, „alle Institutionen im Humboldt Forum
ausdrücklich von dem Allgemeingültigkeits- und Herrschaftsanspruch des
Christentums“ distanzieren.
Überhaupt ist das Humboldt Forum ein Palast der Fußnoten, die auf die
Vorgeschichte am Ort verweisen, den umstrittenen Abriss des Palastes der
Republik und den Entscheid für die Rekonstruktion des Stadtschlosses, die
zusammen betrachtet ergeben, sich lieber an Preußen zu erinnern als an die
DDR. Kleine „Flashbacks“, Bilder, Piktogramme, Texte und Videos halten
dagegen.
Vor dem neu eröffneten Café Baret auf dem Dach erinnert ein Video an das
Eiscafé aus dem Palast der Republik, der für seine Gaststätten berühmt war.
Ein Flashback führt zurück zur Zwischennutzung des Palastes, als zwischen
2003 und 2005 Kulturprojekte im entkernten Gehäuse auftraten, darunter die
Einstürzenden Neubauten und Sasha Waltz, um das Potenzial einer Nutzung aus
den Kunstszenen der Stadt zu skizzieren.
Das Humboldt Forum wird noch lange schwer an den vielen Fehlentscheidungen
seiner Entstehung – politischen, ideologischen und architektonischen – zu
tragen haben.
18 Oct 2021
## LINKS
[1] /Humboldt-Forum/!5797821
[2] /Eroeffnetes-Humboldt-Forum-in-Berlin/!5781787
[3] /Einigung-zu-Raubkunst-aus-Nigeria/!5808206
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
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