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# taz.de -- Krise im Kongo: Kabila gerettet. Und der Kongo?
> Die M23-Rebellen sind besiegt, UN-Chef Martin Kobler und Armeechef
> François Olenga haben dem Staat Beine gemacht. Die Zukunft des Landes ist
> unklar.
Bild: Jetzt Frieden? Kinder spielen auf einem ehemaligen Panzer in Kibumba bei …
BERLIN taz | Kongo staunt. Zum ersten Mal in der Geschichte hat eine
kongolesische Regierungsarmee eine vom Ausland unterstützte Rebellion
besiegt. Die gefürchtete M23 (Bewegung des 23. März) im Ostkongo hat sich
in Luft aufgelöst.
Im letzten Gefecht der M23 stürmten in der Nacht zum vergangenen Dienstag
drei bis vier Regimenter der FARDC mit je 1.200 Mann, unterstützt von
tansanischer Artillerie und südafrikanischen Kampfhubschraubern, den
wichtigsten Militärstützpunkt der Rebellen, Chanzu in 2.000 Meter Höhe am
Dreiländereck Kongo, Uganda, Ruanda. Als die Geschosse einschlugen,
ergriffen die wenigen hundert M23-Kämpfer, die zuvor vom Guerillakrieg aus
uneinnehmbaren Bergbastionen geträumt hatten, die Flucht. Sie ließen
Munition, ausgebrannte Fahrzeuge und Artilleriegeschosse zurück.
Uganda hat jetzt 1.365 flüchtige M23-Kämpfer auf seinem Staatsgebiet
registriert. Am Montag abend soll in Uganda ein Friedensvertrag zwischen
Kongos Regierung und M23 unterzeichnet werden, der das Schicksal der
Kämpfer und vor allem das ihrer Führer regelt.
## Zwei Deutsche retten Kabila
Der Sieg über die M23 hat zwei Väter, und beide haben einen deutschen
Hintergrund. Kongos neuer Armeechef François Olenga, ernannt nach dem
spektakulären Fall der Millionenstadt Goma an die M23 vor einem Jahr, hat
die damals marode Soldateska komplett reorganisiert. Die oberen Ränge
wurden verjüngt, Kommando- und Versorgungsketten gestrafft.
Früher plünderten ausgehungerte Soldaten die Bevölkerung, betranken sich im
Angesicht des Feindes und warfen dann ihre Ausrüstung weg, um schneller
davonzulaufen. Jetzt agierte die FARDC nicht minder gut organisiert als die
legendär kampfstarken Tutsi-Rebellen – nur viel größer und mit unbegrenztem
Nachschub.
Olenga, Sohn eines Mitstreiters von Kongos Befreiungsheld Patrice Lumumba
in den 60er Jahren, lebte lange im Kölner Exil. 1997 beim Sturz der
zairischen Mobutu-Diktatur stieß er zum damaligen Rebellenführer,
Laurent-Désiré Kabila, später Präsident und Vater des heutigen Präsidenten
Joseph Kabila. Der fast schon pensionierte Olenga, der fließend deutsch
spricht, erlebt nun seinen zweiten Frühling – gemeinsam mit dem neuen
deutschen Chef der UN-Mission im Kongo (Monusco), Martin Kobler, der nach
Meinung vieler Kongolesen mehr bewirkt hat als alle anderen
UN-Missionschefs im Land.
Unter Koblers Leitung legte sich die Monusco, lange Zeit als ahnungslos und
unfähig verschrieen, eine schlagkräftige Kampftruppe zu, die „Force
Intervention Brigade“ (FIB) aus mehreren tausend Soldaten aus Südafrika und
Tansania. Im März 2013 vom UN-Sicherheitsrat beschlossen, hat diese Truppe
etwa zeitgleich mit Koblers Amtsübernahme im August ihre Aktivitäten
entfaltet. Ihre Effektivität drängte die M23 zurück und hob die Moral der
FARDC im entscheidenden Moment.
Kobler geriert sich als Feldherr. Der Deutsche besucht vor Kameras
verletzte kongolesische Soldaten im Krankenhaus, er eilt unermüdlich an die
Kriegsfront, er lässt sich in „befreiten“ Orten feiern, er setzt politische
Vorgaben. Man könnte fast vergessen, dass der Kongo eigentlich einen
eigenen Präsidenten hat. Präsident Joseph Kabila hat sich im Osten bislang
nicht blicken lassen und zum Sieg über die M23 nichts gesagt. Sein letzter
öffentlicher Auftritt in Kinshasa war vor zwei Wochen im Parlament.
So richten sich nun alle Augen auf die beiden deutschen Feldherren. In
Kinshasa danken derweil riesige staatliche Plakate der FARDC und loben den
„Rais“ (Führer), wie der Präsident sich heutzutage gern nennen lässt, f�…
die „Wiederherstellung des nationalen Zusammenhalts“. Regierungsnahe
Zeitungen diskutieren, wie man die Armee belohnen sollte. Kongo sieht sich
– zum ersten Mal seit den Zeiten Mobutus – als starke Nation.
## Ein Staat, der nicht funktoniert
Das ist eine bedenkliche Entwicklung in einem Land, das einen zentralen
Platz in Afrika einnimmt und zugleich auf dem letzten Platz der
UN-Entwicklungsrangliste steht. Die 70 Millionen Kongolesen leben
mehrheitlich in bitterer Armut. Und die Bevölkerungszahl nimmt rasant zu.
Knapp drei Millionen Kongolesen sind nach wie vor auf der Flucht.
Der Staat ist weltweit dafür berüchtigt, dass er nicht funktioniert:
Absprachen mit Gebern werden nicht eingehalten, Gesetzestexte bleiben
liegen, privater Vorteil rangiert vor dem öffentlichen Wohl.
Erst im Oktober stellte der EU-Rechnungshof fest, dass von 1,9 Milliarden
Euro EU-Hilfsgeldern für den Kongo seit 2003 über die Hälfte ohne jede
Wirkung versickert sind. Seit 2011 sind ein Großteil zugesagter
internationaler Hilfen eingefroren. 2012 wurden von den vereinbarten Summen
nur etwa 15 Prozent ausgezahlt, in den ersten acht Monaten 2013 nur etwas
mehr als 1 Prozent.
So gibt Kongos Regierung auch regelmäßig viel weniger Geld aus als im
Staatshaushalt steht. Aber die Kürzungen sind selektiv. 2012 betrug der
Etat des Präsidenten 122 Milliarden kongolesische Franc, aber seine realen
Ausgaben laut Haushaltsministerium 177 Milliarden; aus dem Gesundheitsetat
von 517 Milliarden wurden tatsächlich nur 141 Milliarden verwendet. Auch
2013 gibt der Präsident bislang mehr Geld aus als für das gesamte
Gesundheitswesen.
## Die Bedingungen internationaler Hilfe
Mit bedingungsloser internationaler Unterstützung sind solche Zustände
unvereinbar. Bevor der UN-Sicherheitsrat im März 2013 die Entsendung
offensiver Eingreiftruppen billigte, musste Kongos Regierung deswegen im
„Rahmenabkommen von Addis Abeba“ politische Reformen zusagen. Die Hilfe der
UNO gegen die M23 war ein gigantischer Vertrauensvorschuss.
Wie wird Kinshasa nun antworten? Im September erarbeitete in Kinshasa eine
„nationale Konzertation“ mit über 700 Delegierten aus allen politischen
Lagern Hunderte detaillierter Vorschläge für bessere Regierungsführung.
Aber in seiner mit Spannung erwarteten Antwortrede vor dem Parlament am 23.
Oktober machte Kabila lediglich vage Versprechungen.
Reformen sind möglich, das hat die Reform der Armee gezeigt. Aber wenn nur
die Armee reformiert wird, steht sie als der einzige effiziente Teil eines
dysfunktionalen Staatswesens da. Das fördert die Militarisierung des
politischen Lebens.
## Rückfälle in alte Zeiten
Niemand kann nun widersprechen, wenn Armeechef Olenga mehr Geld verlangt.
Große Aufgaben stehen bevor: Weitere bewaffnete Gruppen werden bekämpft und
dann entweder demobilisiert oder in die Armee integriert. Es gibt aber wohl
erst Mitte 2014 ein Demobilisierungsprogramm, so Kobler am Mittwoch vor dem
UN-Sicherheitsrat. So wächst das Militär erst einmal weiter.
Das fördert Rückfälle in alte Zeiten. Aus dem eroberten M23-Gebiet werden
bereits Racheakte gemeldet, hungrige Soldaten stehlen die Kühe der
Tutsi-Bevölkerung. Es sei eben nicht einfach, 20.000 Soldaten in
schwierigem Terrain zu versorgen, heißt es dazu seitens der UNO. Bald
werden die Soldaten noch mehr und das Terrain noch schwieriger.
11 Nov 2013
## AUTOREN
Dominic Johnson
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