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# taz.de -- Judenhass auf Berliner Demonstrationen: Der Hass verbindet
> Antisemiten rufen auf deutschen Straßen zur Gewalt gegen Juden auf. Und
> der Staat? Reagiert nicht oder erst spät. Er scheint nichts dazuzulernen.
Bild: Ein Anmelder des Protestzugs bedrängt auf dem Kottbusser Damm in Berlin …
Mal wieder kam es bei [1][propalästinensischen Demonstrationen am
Wochenende] zu antisemitischen Vorfällen. Diesmal in Berlin, Dortmund und
Hannover. Zu den Demonstrationen aufgerufen hatte das Bündnis „Palästina
spricht“. Am erbärmlichsten: [2][die Reaktion der Berliner Polizei am
Samstag]. Rund 500 Teilnehmer:innen zogen durch Berlin-Kreuzberg und
Neukölln. Kleine Kinder riefen vom Straßenrand „Free Palastine“ oder
schlossen sich spontan dem Demozug an.
Vom Lautsprecherwagen wurde zum gewaltsamen Aufstand aufgerufen. „Intifada
bis zum Sieg“, hörte man auf den Straßen. Neben Fahnen der PFLP-nahen
Gruppe Samidoun, die seit vergangenem März in Israel als Terrororganisation
eingestuft wird, marschierten munter Genossinnen und Genossen der
Linksjugend solid. [3][Wie der Tagesspiegel berichtete], befand sich im
Protestzug auch eine Gruppe Jugendlicher aus der arabischen Community, „die
immer wieder Parolen der Terrororganisation Hamas anstimmten“.
Seinen aggressiven Höhepunkt fand die Demonstration am Hermannplatz, wo
Journalisten durch Demoteilnehmer angegriffen wurden. Demonstranten hatten
Bild-Reporter Peter Wilke offenbar erkannt, wie er gegenüber der Welt
schildert, ihn bedrängt und eingekesselt. Erst spät, nachdem Wilke einen
Kollegen per Handy um Hilfe gebeten hatte, wurde er von der Polizei aus der
johlenden Menge herausbegleitet. [4][Auf einem Video des Vereins democ] ist
zu sehen, wie der Reporter als „dreckiger Jude“ und „Scheißjude“ belei…
wird.
Ein anderer Journalist soll auf Wunsch des Veranstalters durch die Polizei
von der Demonstration verwiesen worden sein. [5][Das berichtete Jörg
Reichel], Geschäftsführer der Deutschen Journalisten-Union (DJU) von Verdi
Berlin-Brandenburg, der taz. Ein Video von democ [6][zeigt auch diese
Szene].
Was für ein Armutszeugnis für die Berliner Beamten. Eine Polizei, die
solche Demonstrationen regelmäßig begleitet, sollte in der Lage sein,
antisemitische Ausrufe zu erkennen, Betroffene von Beleidigungen und Gewalt
unverzüglich zu schützen und die freie Berichterstattung von
Pressevertreter:innen sicherzustellen. Nun ja, vielleicht waren die
Ausrufe „Scheißjude“ und „dreckiger Jude“ einfach noch nicht deutlich
genug.
Diese Vorfälle illustrieren, wie schwer sich viele damit tun,
Antisemitismus als solchen zu erkennen. Für die meisten ist Antisemitismus
nämlich mit Gaskammern verbunden. Bevor ein Jude also nicht tot ist, fällt
es schwer, den Antisemitismus auch wirklich als solchen zu identifizieren.
Die Demoveranstalter des Bündnisses „Palästina spricht“ konnten sich nicht
mal dazu durchringen, das Wort Antisemitismus auszuschreiben. [7][In einer
Stellungnahme vom Montag] spricht es von „rassistischen Sprüchen“ – und
meint die Rufe „dreckiger Jude“ und „Scheißjude“. Damit entlarvt es si…
selbst: Es labelt Antisemitismus als Rassismus und macht ihn so unsichtbar,
nicht existent.
## Drohrufe von Beamten toleriert
Als im vergangenen Mai der vierte Gazakrieg tobte, brüllten Demonstranten,
junge Männer, die Türkei- und Palästinaflaggen schwenkten, [8][vor einer
Synagoge in Gelsenkirchen] im Chor „Scheißjuden, Scheißjuden …“. Niemand
stoppte sie. Die Polizei war viel zu spät vor Ort und sah sich bei ihrer
Ankunft in der Unterzahl. Medien berichteten zwar über den Vorfall, doch
ließen sie zunächst aus, dass er sich vor einer Synagoge ereignet hatte.
Auch in anderen Städten kam es damals zu aggressiven Auseinandersetzungen
auf antiisraelischen Demonstrationen. Es flogen Steine auf Synagogen, auf
Beamte, auf Journalist:innen. In zahlreichen deutschen Städten wurden
Drohaufrufe, wie der arabische Schlachtruf „Khaybar, Khaybar, ya yahud,
Falestin raah Tauod!“, also „Juden, erinnert euch an Khaybar, Palästina
kommt zurück“, skandiert und von den Beamten toleriert. In Gelsenkirchen
ermittelte die Polizei später zwar und brachte Anklagen gegen zahlreiche
Teilnehmer der Kundgebung wegen antisemitischer Propagandadelikte auf den
Weg. In den meisten anderen Fällen wurden die Täter allerdings nie zur
Verantwortung gezogen.
Was hinterlässt das [9][für ein Gefühl bei Jüdinnen und Juden]? Auf
deutschen Straßen wurde ihre Vernichtung gefordert und der deutsche Staat
schaute zu. Es bleibt der Eindruck, dass ihn der Antisemitismus unberührt
ließ. Viele Jüdinnen und Juden sprechen heute noch über die Proteste im Mai
als traumatische Tage.
## Täter klar benennen
Warum hat der Staat fast ein Jahr später kaum dazugelernt?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser war am Sonntag nach den Ausschreitungen
nicht mal in der Lage, die Tätergruppe klar zu benennen. Stattdessen
arbeitete sie mit allgemeinen Formulierungen: Man dürfe sich nicht an
antisemitische Beschimpfungen gewöhnen, „egal von wo und von wem sie
kommen“, schrieb sie auf Twitter. Damit hat sie natürlich recht. Doch
angesichts der jüngsten Vorkommnisse macht sie es sich zu einfach.
Angebracht wäre eine ehrliche Analyse dessen, welche ideologisch durchaus
unterschiedlichen Gruppen sich auf diesen Protesten zusammengeschlossen
haben. Denn etwas verbindet eine linksextreme palästinensische
Terrorgruppe, Islamisten, Nationalisten, antiimperialistische deutsche
Linke und andere Teilnehmer der Demonstrationen: Ihr Hass auf Israel und
nicht selten eben auch ihr Hass auf Juden.
Nur wer Täter klar benennt, kann aktiv gegen sie vorgehen. Solange das
nicht in den Köpfen der Verantwortlichen ankommt, bleibt es dabei, dass
solche Texte mit einem „Mal wieder“ beginnen.
25 Apr 2022
## LINKS
[1] /Nach-antiisraelischer-Demo-in-Berlin/!5850094
[2] /Nach-pro-palaestinensischer-Demo/!5850978
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/pro-palaestinensische-demonstration-in-b…
[4] https://twitter.com/democ_de/status/1517900273456459779?ref_src=twsrc%5Etfw…
[5] /Nach-antiisraelischer-Demo-in-Berlin/!5850094
[6] https://twitter.com/democ_de/status/1517941304952512512?ref_src=twsrc%5Etfw…
[7] https://twitter.com/PalestinSpricht/status/1518347347641655298?s=20&t=5…
[8] /Antisemitismus-in-Deutschland/!5766377
[9] /Antisemitismus-in-Deutschland/!5769807
## AUTOREN
Erica Zingher
## TAGS
Polizei Berlin
Antisemitismus
Juden
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