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# taz.de -- Judenfeindlichkeit in Berlin: Antisemitisches Grundrauschen
> Die Zahl der judenfeindlichen Vorfälle in Berlin hat im Jahr 2021
> zugenommen. Erstmals gab es auch potenziell tödliche Gewalt.
Bild: Grauzone? Das Banner mit der Aufschrift „Intifada ist unser Klassenkamp…
Berlin taz | Eine Frau läuft die Straße entlang und telefoniert auf
Hebräisch. Als sie an drei Männern vorbeigeht, beschimpfen sie sie auf
Arabisch als „Zionistenschlampe“ und „Judenschwein“. Vorfälle wie dies…
Mai vergangenen Jahres in Friedrichshain-Kreuzberg gehören für Jüdinnen und
Juden in Berlin zum Alltag. Drei antisemitische Vorfälle pro Tag gab es im
vergangenen Jahr in Berlin – mindestens.
1.052 Fälle hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias)
für das Jahr 2021 dokumentiert. Diese stellen jedoch nur die Spitze des
Eisbergs dar: „Wir wissen aus Studien, dass etwa 80 Prozent der Fälle nicht
zur Anzeige kommen“, sagt Berlins Antisemitismusbeauftragter Samuel
Salzborn.
Hinzu kommt, dass die aktuellen Daten nicht so präzise sind wie in den
vergangenen Jahren. Denn die Berliner Polizei darf judenfeindliche – ebenso
wie homophobe und rassistische – [1][Übergriffe aus Datenschutzgründen
neuerdings nicht mehr an Opferberatungsstellen übermitteln].
Wie viele der polizeilich erfassten 422 antisemitischen Straftaten zu den
von Rias dokumentierten Fällen hinzukommen, ist unklar. Dabei ist das
Monitoring ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen Antisemitismus.
„Datenschutz ist hier Täterschutz“, kritisiert Sigmount Königsberg,
Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.
## Antisemitismus wird immer aggressiver
Alarmierend sind die Zahlen in jedem Fall. [2][Denn sie belegen nicht nur
eine Zunahme], sondern auch eine Radikalisierung. „Im vergangenen Jahr gab
es erstmals Vorfälle, bei denen das Leben der Angegriffenen potenziell
gefährdet wurde“, so Königsberg. So wurde laut Jahresbericht im August auf
ein jüdisches Gemeindehaus in Mitte geschossen, verletzt wurde niemand. Im
Oktober schlugen drei Jugendliche in Spandau auf einen Mann ein, nachdem er
sich weigerte, „Free Palestine“ zu rufen. Das Opfer erlitt
lebensbedrohliche Verletzungen.
Wie in diesem Fall spielen sich die meisten antisemitischen Taten in der
Öffentlichkeit ab. Häufigster Tatort war trotz leichten Rückgangs erneut
der Bezirk Mitte (149). In Neukölln verdoppelten sich die Vorfälle von 30
auf 65. Besonders gefährlich ist für Berliner Jüdinnen und Juden der Monat
Mai, in dem sich ein Fünftel aller Angriffe ereignen.
Rias führt das unter anderem auf den [3][Nakba-Tag zurück, an dem an die
Vertreibung Hunderttausender Palästinenser*innen im Zuge der
Staatsgründung Israels erinnert wird]. Aber auch auf der Revolutionären
1.-Mai-Demonstration kommt es immer wieder zu antisemitischen Vorfällen.
Der Sprechchor „From the river to the sea, Palestine will be free“ ist für
Benjamin Steinitz, Projektleiter von Rias Berlin eine „eindeutig
antisemitische Aussage“, da sie das Existenzrecht Israels infrage stelle.
## Holocaust-Relativierung weit verbreitet
Das Banner im Frontblock mit der Aufschrift „Intifada ist unser
Klassenkampf“ (siehe Foto) ist für Steinitz hingegen eine „Grauzone“. F�…
Annetta Kahane, Vorstandsvorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, hat das
allerdings eine „starke antisemitische Konnotation“: „Der Kampf für
Gerechtigkeit wird hier gleichgesetzt mit dem Kampf gegen Juden.“
Die meisten antisemitischen Vorfälle hatten jedoch einen Bezug zur
Coronapandemie. Während 2020 vor allem antisemitische Verschwörungsmythen
registriert wurden, dominierten im vergangenen Jahr
Holocaust-Relativierungen, etwa durch das Tragen von „Judensternen“.
Dieser sogenannte Post-Shoah-Antisemitismus macht fast die Hälfte aller
Fälle aus und ist laut Steinitz „signifikanter Bestandteil des
antisemitischen Grundrauschens in der Bundeshauptstadt“.
24 May 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Opfer rechter Gewalt
Antisemitismus
Diskriminierung
Juden
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Nakba
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Muslime in Deutschland
Antisemitismus
Polizei Berlin
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