# taz.de -- Nach antiisraelischer Demo in Berlin: Faeser für konsequentes Hand… | |
> Auf einer „Palästina spricht“-Demo am Wochenende kam es zu | |
> antisemitischen Parolen und Angriffen auf Journalisten. Die Polizei blieb | |
> offenbar passiv. | |
Bild: Es soll zu Festnahmen und Straftaten gekommen sein: Antiisraelische Demo … | |
BERLIN taz | Nach antisemitischen Parolen bei einer pro-palästinensischen | |
Demonstration in Berlin hat sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) | |
zu Wort gemeldet. Sie twitterte am Sonntagmorgen: „Für Judenfeindlichkeit | |
gibt es in unserer Gesellschaft keinen Platz. An antisemitische | |
Beschimpfungen dürfen wir uns niemals gewöhnen – egal von wo und von wem | |
sie kommen.“ Der Rechtsstaat müsse konsequent handeln, forderte Faeser. | |
Auch der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Abdassamad El Yazidi, | |
äußerte sich zu den Vorfällen: „Wer behauptet, für Palästina zu | |
protestieren, indem er Juden beschimpft und beleidigt, hat weder seine | |
Religion noch die Botschaft seines Propheten verstanden“, so El Yazidi. | |
Judenhass sei ebenso wie Muslimfeindlichkeit ein Verbrechen, gegen das sich | |
alle wehren müssten. | |
Am Samstag waren rund 500 Personen zum Hermannplatz in Berlin-Neukölln | |
gezogen und hatten dabei teils aggressive, antisemitische Parolen gerufen. | |
In einem Video ist zu sehen, wie ein Journalist von der Polizei von der | |
Kundgebung geführt wird und dabei als „Scheiß Jude“ und „Drecksjude“ | |
beschimpft wird. Der [1][Tagesspiegel] berichtet von einer | |
medienfeindlichen Stimmung, Berichterstatter seien als „Zionistenpresse“ | |
oder „Rassisten“ beschimpft worden. Pressevertreter wurden [2][laut | |
Beobachtern] bedrängt, getreten, bespuckt und gegen die Kamera geschlagen. | |
Aufgerufen zu der Demonstration hatte das Berliner Bündnis „Palästina | |
spricht“ angesichts der jüngsten Eskalationen im Nahost-Konflikt. Gezeigt | |
wurden auf dem Umzug neben antisemitischen Plakaten oder Schildern der | |
BDS-Bewegung auch eine Samidoun-Fahne – eine Organisation, die in Israel | |
als Terrororganisation gilt. Ebenso nahm auch eine Gruppe aus der Berliner | |
Linksjugend Solid an der Demonstration teil. | |
## Festnahmen, Hamas-Parolen und Kritik an der Polizei | |
Eine Gruppe Jugendlicher in der Mitte der Demo soll während der | |
Demonstration immer wieder [3][Parolen der Terrororganisation Hamas | |
angestimmt haben]. Nach ersten Polizeiangaben kam es zu Festnahmen und | |
Straftaten. Kurz nach der Auflösung der Demonstration kam es auch zu einer | |
[4][Prügelei unter den Demo-Teilnehmer*innen]. Auch in Hannover sind am | |
Samstag auf einer „Palestine Speaks“-Demo offenbar | |
Gegendemonstrant*innen angegriffen worden. | |
Der CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte eine umfassende Aufklärung der | |
„beschämenden“ Szenen. Der Antisemitismus-Beauftragte Berlins, Samuel | |
Salzborn, bezeichnete die Versammlung als im Kern antisemitisch. | |
Neben viel Empörung über antisemitische Parolen und Beschimpfungen gibt es | |
auch laute Kritik an der Polizei Berlin, weil diese offenbar Journalisten | |
bei der Kundgebung unzureichend geschützt hatte und teilweise sogar auf | |
Betreiben des Veranstalters ausgeschlossen haben soll: Neben Berichten von | |
Schlägen, Tritten und Beschimpfungen zeigt [5][Videomaterial vom Samstag], | |
wie die Polizei einen Mann auf Drängen eines Veranstalters dazu anhält, | |
hinter der Demo zu laufen und ihn aus der Kundgebung herausführt. Die | |
Polizei habe die Sicherheit des Pressvertreters nicht mehr gewährleisten | |
können, hieß es dazu im Tagesspiegel. | |
Jörg Reichel, Geschäftsführer der Deutschen Journalisten-Union (DJU) von | |
Verdi Berlin-Brandenburg, berichtet von Angriffen auf insgesamt drei | |
Journalist*innen am Samstag. Er kritisiert, dass die Polizei erst nicht | |
auf Hilferufe anwesender Journalisten reagiert habe und auch, dass besagter | |
Journalist ausgeschlossen worden sei, weil der Veranstalter dessen | |
Verhalten kritisiert habe. Reichel sagte der taz: „Die Übergriffe sind ein | |
Rückschritt in der Zusammenarbeit von Journalisten und Polizei. Die Polizei | |
muss die Pressefreiheit auf Demos gewährleisten und hat dem Veranstalter | |
nachgegeben. Insgesamt war die Polizei passiv, abwartend und zögerlich.“ | |
Die DJU stehe im Kontakt mit betroffenen Journalisten und werde nun das | |
Gespräch mit Polizei und Politik suchen. Besonders verärgert war Reichel, | |
weil er nach eigener Auskunft im Vorfeld der Demo explizit den zuständigen | |
Polizeiführer vor der potenziellen Gewalttätigkeit der Demo gewarnt hatte | |
und bereits mit Angriffen auf Journalisten rechnete. Die Polizei sei | |
demgegenüber nur in Einzelfällen konsequent eingeschritten. | |
So wurde ein anderer Journalist [6][auf eigenen Wunsch] von der Polizei aus | |
der Demo begleitet – und dabei wiederum mit antisemitischen Beschimpfungen | |
belegt. Reichel sagt, dass bei verschiedenen antiisraelischen Demos seit | |
dem 16. April insgesamt sechs Journalist*innen sowie Beobachter | |
angegriffen und antisemitisch beleidigt worden seien. Er spricht von | |
Tritten, Schlägen, Schubsen sowie Anspucken. | |
Bereits am Freitag gab es einen Aufzug durch Berlin-Neukölln, bei dem rund | |
750 Teilnehmer*innen [7][nach Polizeiangaben] Steine warfen und dabei | |
auch zwei Polizist*innen verletzten. | |
Auch Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) meldete sich am Sonntag zu | |
Wort: „Als Gesellschaft müssen wir uns eindeutig und geschlossen gegen | |
Antisemitismus und Hass stellen.“ Straftaten würden mit aller Konsequenz | |
verfolgt, so Spranger. Wie das zur Passivität der Polizei bei Übergriffen | |
auf Journalist*innen passt, beantwortete die Innenverwaltung auf | |
taz-Anfrage hingegen vorerst nicht. | |
Am Nachmittag bestätigte die Polizei volksverhetzende Parolen sowie | |
Angriffe, Beleidigungen und Bedrängungen von Journalistinnen. Von etwa 40 | |
Jugendlichen im vorderen Drittel der Demo sei eine aggressive Stimmung | |
ausgegangen, heißt es in einer [8][Polizeimeldung am Sonntag]. 160 | |
Polizist:innen seien im Einsatz gewesen und hätten | |
Strafermittlungsverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher | |
Körperverletzung und Volksverhetzung eingeleitet. Zwei Tatverdächtige seien | |
festgenommen worden. | |
Zur Szene mit dem auf Drängen eines Teilnehmers ausgeschlossenen | |
Pressevertreter offenbarte die Polizei ein merkwürdiges Verständnis von | |
Pressefreiheit: „Da der Versammlungsleiter deren Verhalten [der | |
Pressevertreter] für die Auseinandersetzung als ursächlich ansah, machte er | |
von seinem ihm obliegenden Recht aus dem Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin | |
Gebrauch und schloss die beiden Personen von der Versammlung aus.“ | |
24 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesspiegel.de/berlin/pro-palaestinensische-demonstration-in-b… | |
[2] https://twitter.com/ver_jorg/status/1518120855166926849 | |
[3] https://www.tagesspiegel.de/berlin/pro-palaestinensische-demonstration-in-b… | |
[4] https://twitter.com/democ_de/status/1517905575933362179 | |
[5] https://twitter.com/democ_de/status/1517941304952512512 | |
[6] https://twitter.com/johannesboie/status/1517915968768724993 | |
[7] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2022/pressemitteilung.119881… | |
[8] https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/2022/pressemitteilung.119883… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
## TAGS | |
Polizei | |
Antisemitismus | |
Nancy Faeser | |
Bundesinnenminister | |
Demonstration | |
Al-Quds-Tag | |
Antisemitismus-Vorwurf | |
Polizei Berlin | |
Juden | |
Polizei Berlin | |
Polizei Berlin | |
Israel | |
BDS-Movement | |
Israel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach judenfeindlicher Demo: Spranger will Recht und „Ordnung“ | |
Die Innensenatorin möchte den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ wieder i… | |
Gesetz schreiben. Kritiker fürchten pauschale Demoverbote. | |
Antisemitismus in der Klimabewegung: Ist FFF Bremen antisemitisch? | |
Die Bremer Ortsgruppe von Fridays for Future sieht sich seit einigen | |
Monaten Antisemitismusvorwürfen ausgesetzt. Aber worum geht es eigentlich | |
genau? | |
Verbot von pro-palästinensischen Demos: Scharfe Kritik der Linkspartei | |
Die Berliner Polizei hat fünf Proteste am Wochenende verboten. Die Linke | |
protestiert dagegen, Organisatoren wollen klagen. | |
Podcast „Freitagnacht Jews“: Jüdisches Leben statt Holocaust | |
Im neuen Podcast „Freitagnacht Jews“ von Daniel Donskoy diskutieren die | |
jüdischen und nichtjüdischen Gäste detailreich. Es geht um jüdische Themen. | |
Judenhass auf Berliner Demonstrationen: Der Hass verbindet | |
Antisemiten rufen auf deutschen Straßen zur Gewalt gegen Juden auf. Und der | |
Staat? Reagiert nicht oder erst spät. Er scheint nichts dazuzulernen. | |
Nach pro-palästinensischer Demo: Scharfe Kritik an Polizei | |
Die Journalistengewerkschaft reagiert empört über den Ausschluss von | |
Berichterstattern bei dem Protest am Samstag in Berlin. | |
Der Tempelberg in Jerusalem: Umkämpftes Heiligtum | |
Immer wieder gibt es am Tempelberg Konflikte zwischen jüdischen Israelis | |
und Palästinenser:innen. Warum scheint dieser Ort einen Krieg wert? | |
Erfolg für Palästina-Komitee Stuttgart: Meinungsfreiheit für Israelboykott | |
Die Stadt Stuttgart will „antisemitischen Gruppen“ keinen Platz auf ihrer | |
Webseite einräumen. Vor Gericht erlitt sie nun eine Niederlage. | |
Israel-Palästina-Konflikt: Gewalt auf dem Tempelberg | |
Nach den Zusammenstößen in der Al-Aksa-Moschee kam es an Pessach zu neuer | |
Gewalt auf dem Tempelberg. Mehr als 20 Menschen wurden dabei verletzt. |